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05.02.2024 | Kohlenstoffdioxid | Schwerpunkt | Online-Artikel

Das sind die Vor- und Nachteile von Carbon Capture

verfasst von: Christiane Köllner, dpa

9:30 Min. Lesedauer

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CO2 lässt sich gezielt aus der Atmosphäre oder Abgasen filtern, dann speichern oder als Kohlenstoffquelle weiterverarbeiten. Das soll den Treibhauseffekt mindern. Wie Carbon Capture funktioniert und warum es kontrovers diskutiert wird. 

Die 27 Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU) wollen mit dem Europäischen Green Deal bis 2050 klima­neutral werden. Um das zu erreichen, soll in erster Linie der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) reduziert werden. Doch inzwischen wird auch über Methoden diskutiert, mit denen CO2 aus der Luft gefiltert und unterirdisch gespeichert werden kann. Technologien wie die CO2-Speicherung oder -Abscheidung waren zuletzt auch auf der UN-Weltklimakonferenz 2023 (kurz COP28) in Dubai Thema. 

EU-Kommission plant "Carbon Management"-Strategie

Jetzt hat ein Bündnis von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen anlässlich der bevorstehenden Vorstellung der "Carbon Management"-Strategie der EU-Kommission vor den Gefahren der Kohlendioxid-Verpressung (Carbon Capture and Storage, CCS) gewarnt. Das Bündnis zu dem unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) gehören, befürchtet weitreichende Klima- und Umweltschäden. Hintergrund ist das Vorhaben der Bundesregierung, die Speicherung von CO2 künftig zu erlauben. Die unterzeichnenden Verbände wenden sich gegen die Pläne, ein mehrere tausend Kilometer langes CO2-Entsorgungsnetz quer durch Deutschland, große unterirdische CO2-Endlager und einen grenzüberschreitenden Handel mit dem Transport und Deponieren von CO2 aufzubauen. 

Anders sieht es ein Zusammenschluss aus Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB), Industrieverband (BDI) sowie den Umweltschutzorganisationen Nabu und WWF. Dieser hatte kürzlich die Zulassung der CO2-Speicherung gefordert. "Es ist richtig, CCS und CCU nun prioritär dort einzusetzen, wo CO2-Emissionen nach aktuellem technischem Stand nicht vermieden werden können. Gleichzeitig müssen hohe ökologische und soziale Standards eingehalten werden", heißt es in einem Thesenpapier. Grundsätzlich stehe man hinter dem Prinzip CO2-Vermeidung und Reduktion vor Abscheidung. CCS und CCU sei nur einer von vielen Bausteinen, um Teile des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu transformieren, die Klimaziele zu erreichen und langfristig hochwertige Beschäftigung zu sichern und auszubauen. 

CO2-Speicherung ist umstritten

Doch das ist nicht unproblematisch. Technologien wie CO2-Speicherung oder -Abscheidung werden von Experten als wissenschaftlich umstritten, sehr teuer und nicht zeitnah im größeren Maßstab einsetzbar bewertet. Was ist dran an Carbon Capture? Wird die Technologie wirklich jemals eine entscheidende Rolle übernehmen?

Um CO2 in der Atmosphäre zu verringern und auf diese Weise zu den Klimazielen beizutragen, kann das sogenannte Carbon Capture (CO2-Abscheidung) zum Einsatz kommen. Unterschieden wird beim Carbon Capture insbesondere zwischen zwei Ansätzen: Zum einen die Abscheidung und Deponierung von CO2 (Carbon Capture Storage, CCS) oder zum anderen die Wiederverwendung von CO2 in Produkten (Carbon Capture Utilization, CCU). 

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CCS - nur beschränkt nutzbar, doch als Retter gepriesen

Weltweit werden Projekte zur Abscheidung und Einspeicherung von Kohlendioxid entwickelt und - in Ansätzen - realisiert. Wissenschaftler und auch das Umweltbundesamt sehen in der Technologie einen wesentlichen Pfeiler, um die Klimaziele überhaupt erreichen zu können. In Deutschland erschwert jedoch die rechtliche Lage eine Umsetzung.

  • Carbon Capture Storage, CCS: Kohlendioxid (CO2) wird aus der Atmosphäre abgeschieden und gespeichert. CO2 soll somit bereits in Produktions- oder Verbrennungsprozessen eingefangen werden und nicht in die Atmosphäre gelangen. Wird das mittels Direct Air Capture (DAC) "extrahierte CO2 endgültig dem Kreislauf und damit der Atmosphäre entzogen und dauerhaft in tiefe Gesteinsschichten eingelagert, trägt diese Kombination den Namen DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage)", erklären die Springer-Autoren Dina Barbian und Gerhard Spiegel im Kapitel CO2 als Rohstoff zur Nutzung in zirkulären Prozessen (Seite 194) des Buchs Bioökonomie.
  • Carbon Capture Utilization, CCU: Kohlendioxid (CO2) wird aus der Atmosphäre abgeschieden und genutzt. "Damit bleibt CO2 im Kreislauf und dient als Rohstoff zur weiteren Verwendung in zirkulären Wertschöpfungsprozessen und zur synthetischen Erzeugung von Grundstoffen sowie Energieträgern“, so die Autoren Barbian und Spiegel (Seite 194). Ein Ersatz für CCS ist CCU nicht: Am Ende der Lebensdauer von Produkten wird das CO2 wieder freigesetzt, sofern diese nicht recycelt werden oder äußerst langlebig sind. 

Weltweite CCS-Projekte in der Realisierung

Zur technischen CO2-Abscheidung dienen vor allem Verfahren zur Gaswäsche, wie die Carbonat- und die Amin-Wäsche. Eine Abspaltung kann am "End of pipe" oder aus der Luft (Direct Air) erfolgen. "'End of pipe' kann entweder bspw. eine fossile bzw. Biomasse-Energieversorgungsanlage oder eine Industrieanlage sein, in der das zu speichernde CO2 entsteht", wie die Springer-Autoren Marcel Linnemann und Julia Peltzer im Kapitel Wasserstofferzeugung & -bereitstellung des Buchs (Seite 113) Wasserstoffwirtschaft kompakt erklären. Zur Einspeicherung dient das unterirdische Verpressen etwa in Lagerstätten. "Die Speicherung ist in Gas- oder Erdöllagerstätten, salinen Aquiferen oder auch im Meeresuntergrund möglich", so Linnemann und Peltzer weiter.

Forscher gehen davon aus, dass mithilfe von CCS 65 bis 80 % des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können, so Frank Urbansky im Artikel CCS – nur beschränkt nutzbar, doch als Retter gepriesen (Seite 14-18) aus der Zeitschrift für Energiewirtschaft 1-2023. Weltweit werden laut Urbansky Projekte zur Abscheidung und Einspeicherung von CO2 entwickelt und – in Ansätzen – realisiert. Ein Beispiel ist das Projekt des Züricher Start-ups Climeworks, einer der Pioniere bei der Direktabscheidung von CO2 aus der Luft. Die Schweizer bauen derzeit an einem CO2-Abscheider auf Island. Das "Mammoth" genannte Projekt soll nächstes Jahr in Betrieb gehen und jährlich gut 36.000 t CO2 aus der Luft filtern, so Urbansky. Das sei das Neunfache der ersten Anlage "Orca", die das Unternehmen ebenfalls nahe Hellisheidi auf Island errichtet hat und die seit 2021 in Betrieb ist. Die DACCS-Anlage Orca dient der Versteinerung (Mineralisierung) von atmosphärischem CO2. Weitere CCS-Projekte gibt es in unter anderem in Norwegen, Polen, Kanada, Schottland und den Niederlanden. Ein Elektroauto-Prototyp, der während der Fahrt CO2 durch "Direct Air Capture" aus der Luft filtert, ist der "ZEM" der Eindhoven University of Technology. Laut Global CCS Institute sind bislang weltweit gut 40 Anlagen in Betrieb, die 49 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern können.

DAC-CO2 für E-Fuels

Vor allem in Zusammenhang mit der Produktion von synthetischen Kraftstoffen steht Direct Air Capture in der Diskussion, da für die Herstellung von E-Fuels neben Wasserstoff auch große Mengen CO2 benötigt werden. Vereinfacht gesagt geschieht beim DAC Folgendes: Im ersten Schritt, dem Capture oder Beladen, wird das CO2 aus der Luft gefiltert und zunächst an ein Trägermaterial, auch Sorbens genannt, gebunden. Im zweiten Schritt, der Regeneration, wird das gebundene CO2 wieder zurückgewonnen. "Die verwendeten Chemi- oder Physisorbenten entlassen das aufgenommene CO2 bei Wärmezufuhr dann in Reinform, und es kann in Flaschen, vielleicht aber auch in gasdichten Kavernen gespeichert, eingelagert oder zur Produktion verwendet werden", erklärt Marc Ziegler im Editorial Das 700-Jahre-Problem aus der MTZ 5-2023. Die Haken: Zum einen ist mit der Regeneration ein erheblicher Energieaufwand verbunden, zum anderen ist eine hohes Luftvolumen, das mit dem Sorbens in Kontakt gebracht werden muss, notwendig.

Professor Uwe Dieter Grebe, Geschäftsführer von AVL, erläutert im Interview "Abfallstoffe wie eben auch CO2 haben einen Wert" die Problematik: "Die Schwierigkeit liegt in der Stöchiometrie. Es muss eine riesige Menge Luft prozessiert werden, um die gewünschte Menge CO2 zu extrahieren. Lassen Sie uns bedenken das wir 400 ppm, d.h. 0,04 % CO2 in der Luft haben und diese kleine Menge CO2 'ausfiltern' möchten. Die Anlagen sind daher sehr groß". Wie Carlos Härtel, Chief Technology Officer bei Climeworks, gegenüber der "Neuen Zürcher Zeitung" erklärt, müssten 2 Mio. m3 Luft gefiltert werden, um der Atmosphäre 1 t CO2 zu entziehen.

Das kostet Energie und entsprechend Geld, etwa 150 Euro für 1 t CO2, wie Ziegler in seinem Editorial schreibt: "Um einem Wirtschaftsunternehmen also einen Anreiz zu bieten, der reine Humanität übersteigt, muss CO2 ein Preis zugeordnet werden, der deutlich über den Kosten der Anlage liegt, vermutlich etwa 200 Euro. Leider werden beim Emissionshandel aber unter 100 Euro/t aufgerufen und der Business Case Atmosphärenreinigung durch Direct Air Capture wackelt bedrohlich".

Scheinlösung oder nachhaltiges Kohlenstoffmanagement?

Dass CCS daher eine umstrittene Technologie darstellt, obwohl sie einen Klimanutzen und eine Minderung des Treibhausgaseffektes verspricht, ist daher nicht verwunderlich. Kritiker des CCS- bzw. CCU-Verfahrens führen ins Feld, dass beides Scheinlösungen seien, "die von der notwendigen Reduktion der Treibhausgasemissionen ablenken und wirklich innovative Verfahren und Materialien ausbremsen", wie Karsten Smid von der TU München im Artikel CCS und CCU – Geeignete Lösung zur Reduzierung von CO2-Emissionen? (Seite 48) aus Nachhaltige Industrie 1-2023 betont. Mit der industriellen CO2-Deponierung in geologischen Formationen entstünden neue systemische Risiken. Bei CCU würden die CO2-Abgasströme in nicht vollständig geschlossene Wirtschaftskreisläufe überführt, sodass sich der "CO2-Müll" global verteile. Vielmehr sollte auf CO2-freie Prozesse in der Stahl-, Chemie- und Bauindustrie gesetzt werden. 

Befürworter wie Anke Weidlich von der Universität Freiburg sehen CCU und CCS als Bestandteil eines nachhaltigen Kohlenstoffmanagements, wie sie im Artikel CCS und CCU – Geeignete Lösung zur Reduzierung von CO2-Emissionen? (Seite 49) aus Nachhaltige Industrie 1-2023 erläutert. In Bereichen wie der Zementherstellung oder auch in der Land- und Abfallwirtschaft, wo es derzeit keine klimaneutralen Alternativen gebe, müssten unvermeidbare Treibhausgasemissionen per CSS ausgeglichen werden. Alternativen wie Aufforstung hätten nur begrenzte Potenziale. Ferner sei Kohlenstoff ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Produkten wie Kunststoffen, Medikamenten und Düngemitteln. Dieser stamme heute noch meist aus Erdöl oder Erdgas. Für eine klimaneutrale Produktion käme neben Biomasse auch das CO2 aus CCU-Verfahren in Frage.

CO2-Bepreisung würde CO2-Technologien profitabler machen

Bislang ist in Deutschland das Abscheiden und Speichern von Kohlenstoffdioxid noch verboten, wie Urbansky in seinem Artikel erläutert. Mit der bereits erwähnten "Carbon Management"-Strategie könnte sich das bald ändern. Hierzulande sei für CCS noch das 2012 erlassene Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) bindend, so Urbansky. Es lasse zwar die Erforschung, Erprobung und Demonstration zu, nicht jedoch eine umfassende Speicherung. Derzeit erlaubt seien nur geringe Speichermengen zu Demonstrationszwecken. "Dadurch kann CCS hierzulande auch nicht durch CO2-Preise, wie im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) festgelegt, refinanziert werden" (Seite 14), so Urbansky. Zudem sei die CO2-Speicherung unter Wasser zwar grundsätzlich möglich, jedoch aufgrund der Gefährdung an sehr hohe Auflagen geknüpft.

Urbansky resümiert: "Mehr Fahrt könnte die Diskussion auch aus einem ganz einfachen wirtschaftlichen Grund bekommen: die CO2-Bepreisung würde alle modernen CO2-Technologien profitabler machen". Auch Professor Grebe kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: "Wenn man CO2 einen Wert zuordnet und man damit Handel betreiben kann, ist das schon interessant". Alternativ ließe sich das CO2 speichern oder in andere kohlenstoffbasierte Werkstoffe umwandeln. Er schlägt vor: "Die Denkweise, die wir anregen müssen, ist, dass Abfallstoffe wie eben auch CO2 einen Wert haben oder sie genutzt werden können, um andere Produkte herzustellen".

Welches Potenzial hat CCS weltweit?

Die technisch mögliche geologische Speicherkapazität wird laut Weltklimarat IPCC auf die Größenordnung von 1.000 Milliarden Tonnen CO2 geschätzt. Das sei mehr als bis zum Jahr 2100 nötig sei, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Eine begrenzende Rolle könnte jedoch die regionale Verfügbarkeit der Speicher spielen und: "Die Umsetzung von CCS stößt derzeit auf technologische, wirtschaftliche, institutionelle, ökologisch-umweltmäßige und soziokulturelle Hindernisse."

Aktuell liege die CCS-Nutzung weit unter dem, was nötig sei, um die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, schreibt der IPCC. Im Energiebereich haben demnach andere Optionen beispielsweise im Jahr 2030 ein Vielfaches an Einsparpotenzial, kosten aber nur einen Bruchteil von CCS. Konkret nennt der IPCC unter anderem die Solar- und Windkraft sowie die Reduktion des Methans, das beim Einsatz von Kohle, Öl und Gas entweicht.

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