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07.12.2017 | Leitzins | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Zinswende kommt später, aber heftiger

verfasst von: Stefan Terliesner

4 Min. Lesedauer

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Am 13. Dezember 2017 wird die US-Notenbank sehr wahrscheinlich ihren Leitzins zum dritten Mal in 2017 anheben. Die EZB ist weit davon entfernt. Sie kauft 2018 zwar etwas weniger Anleihen, wird aber während der Amtszeit von EZB-Chef Draghi wohl kaum die Zinsschraube anziehen.

Am 13. Dezember wird die US-Zentralbank Fed ihren Leitzins um 25 Basispunkte erhöhen. So lautet die Erwartung von 90 Prozent der Marktteilnehmer. Aktuell liegt der Satz bei ein bis 1,25 Prozent. Zum Ende der Sitzung des Offenmarktausschusses am 1. November 2017 unterstrichen die Währungshüter unter Leitung von Janet Yellen, dass sie ihren Ende 2016 eingeschlagenen Weg moderater Anhebungen fortsetzen werden. Die absehbar weitere Entwicklung der US-Wirtschaft lasse dies zu.

Ins Bild passt die Nominierung von Fed-Gouverneur Jerome Powell am 2. November 2017 als Nachfolger von Yellen an der Spitze der Notenbank. Mit dieser Personalentscheidung hat sich US-Präsident Donald Trump für Kontinuität in der Geldpolitik entschieden. Der studierte Politikwissenschaftler und Jurist Powell lag zuletzt ganz auf der Linie seiner Chefin. In jüngerer Vergangenheit hat er sich eher als "Taube" positioniert, also als eine Person, die tendenziell zu geldpolitischer Lockerung neigt. Daher bleibt abzuwarten, ob es 2018 tatsächlich zu drei Zinserhöhungen kommt, wie zahlreiche Marktteilnehmer voraussagen. 2017 hat die Fed bisher zweimal die Zinsschraube angezogen. Zudem ersetzt sie seit Oktober fällige Staatsanleihen nicht mehr ("Quantitative Tightening", QT).

EZB bleibt bei ihrem Kurs

Ganz anders sind die geldpolitischen Erwartungen in der Eurozone. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird weiterhin im großen Stil Wertpapiere aufkaufen, also auf Quantitative Easing (QE) setzen. Am 26. Oktober 2017 entschied der EZB-Rat mit großer Mehrheit, sein umstrittenes Kaufprogramm über Ende 2017 hinaus bis September 2018 zu verlängern. Nur das Volumen halbiert sich auf 30 Milliarden Euro pro Monat. Gekauft würden vorwiegend Staatsanleihen – "erforderlichenfalls darüber hinaus", wie EZB-Chef Mario Draghi zu verstehen gab. Die Aussicht auf anhaltend billiges Geld ließ prompt die Aktienkurse an Europas Börsen steigen.

Entsprechend nüchtern fielen die Kommentare von Fondsanbietern aus. "Die Entscheidung der EZB (…) ist keine Einschränkung, sondern vielmehr eine Anpassung der expansiven Geldpolitik", sagte zum Beispiel Yves Longchamp, Head of Research bei Ethenea. Aktienfernere Investoren wie etwa Versicherer sind weniger zurückhaltend. Für Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), kann die Reduzierung der Anleihekäufe "nur ein erster Schritt sein". Und weiter: "Ziel muss die schnellstmögliche Beendigung der Käufe sein." Nur so entstehe die Chance auf ein normales Zinsgefüge. Nach wie vor sei das extrem niedrige Niveau ein Stabilitätsrisiko. "Je länger die Kapitalmarktzinsen in einem Umfeld steigender wirtschaftlicher Dynamik künstlich niedrig gehalten werden, desto größer wird die Gefahr eines abrupten Zinsanstiegs. Dies würde gravierende Folgen für die Konjunktur und die Finanzmärkte haben." 

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Dieses Buch liest sich über weite Strecken wie ein Enthüllungsroman. Enthüllt werden kaum bekannte Fakten zur Krise der Europäischen Union. Der Untersuchung liegen umfangreiche Recherchen zugrunde.

Roland Vaubel versucht zu erklären, weshalb die …

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Münchener Ifo Instituts, Clemens Fuest: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung auf eine Normalisierung, aber der Abbau müsste schneller erfolgen." Das Anleihekaufprogramm der EZB lehnen insbesondere deutsche Ökonomen ab. Deutlich sagt dies der Springer-Autor Roland Vaubel in seinem Buch "Das Ende der Euromantik". Nach Meinung des emeritierten Professors an der Universität Mannheim hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) "zum Kumpanen der Politik" gemacht. Einen analytischen Blick auf die Geldpolitik der EZB wirft auch Christian A. Conrad. Er will es dem Leser ermöglichen, sich eine eigene Meinung über die Entwicklung der Geldmarktzinsen, der Inflationsrate und der Probleme der Europäischen Währungsunion zu bilden.

Vermutlich gab wohl noch nie eine Notenbank so viel Gas wie heute die EZB via Gelddruck-Prozess in Billionenhöhe, schreiben die Analysten der Finanzwoche, einer Publikation des Fondsanbieters DJE Kapital. "Sinnvoll wäre dies in einer globalen Depression, aber kaum auf dem Höhepunkt einer wie derzeit guten Konjunktur. Das leichte Geld heizt die Konjunktur weiter an." 

Weiter Vollgas bei der lockeren Geldpolitik?

Die Autoren gehen davon aus, "dass Draghi bis zum Ende seiner Amtszeit Ende Oktober 2019 monetär Vollgas geben wird." Die viel zu niedrigen europäischen Zinsen seien auf Dauer ein gefährliches Doping für die europäische Konjunktur, die sich zumindest in den kommenden zwölf Monaten weiter beschleunigen werde. Klar warnen die Marktbeobachter: "Zu niedrige Zinsen führten immer zu Kapitalfehlleitungen und legen so den Keim für zukünftige Krisen." Weltweit befeuere eine anhaltend expansive monetäre Politik der Notenbanken das Wirtschaftswachstum – einzige Ausnahme sei die Fed in den USA. Und dass die EZB schon bald auf Fed-Kurs gehen könnte, ist nicht zu erwarten. Damit scheint die zwischenzeitlich für die Eurozone erwartete Zinswende nach oben bereits wieder zu verpuffen. Irgendwann aber müsste der Preis für Geld ja mal wieder steigen – dann vermutlich umso kräftiger.

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