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18.07.2018 | Gewässerschutz | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wissen zu Kunststoffabfällen und Mikroplastik in der Umwelt

verfasst von: Julia Ehl

5 Min. Lesedauer

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Das fehlende Wissen zu Mikro- und Makroplastik in der Umwelt wird immer wieder betont. Unter der Leitung von Fraunhofer UMSICHT wurde der Wissensstand zusammengetragen und Empfehlungen erarbeitet.

Mikroplastik lässt sich selbst mit bloßem Auge an fast allen Stränden finden. Angestoßen von Meeresforschern wird die Problematik der Verschmutzung durch Kunststoff mittlerweile breit diskutiert. "Regelmäßig wird die Abwasserreinigung als maßgeblicher Eintragspfad von Mikroplastik angeführt …. Unbestreitbar emittieren Kläranlagen Mikroplastik. Dies liegt zunächst daran, dass im Rohabwasser Mikroplastik enthalten ist. Zum einen aufgrund von Plastikbestandteilen im Kosmetik- und Körperpflegeprodukten. … Zum anderen werden Kunststoffpartikel beziehungsweise Kunststofffasern über das Abwasser aus Waschmaschinen eingetragen. Hohe Kunststoffanteile in der Kleidung sind heute Standard. Dennoch ist der Eintragspfad Abwasser auch vor dem Hintergrund anderer relevanter Quellen einzuordnen. Blickt man auf das abgeschätzte Aufkommen an Reifenabrieb allein in Deutschland mit 111.000 t im Jahr 2005 erscheint die Kunststoffmenge in Kosmetikprodukten (500 t) eher gering.“, geben Ulrich Förstner und Stephan Köster im Buchkapitel Abwasser einen Einblick in die Herkunft von Mikroplastik.

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2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Abwasser

Die Siedlungswasserwirtschaft trägt Verantwortung für die Ausgestaltung des urbanen Wasserkreislaufs. Neben der Trinkwasserbereitstellung gehören dazu die schadlose Sammlung, Ableitung und Reinigung von Abwässern. Die Kanalisationen
prägen die urbane Hydrologie, indem dort die Abwässer gesammelt und abgeführt werden.


Fraunhofer UMSICHT hat in der Konsortialstudie "Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik" die Fragen genau untersucht, woher die kleinen Kunststoffpartikel kommen und welche Mengen in Deutschland pro Jahr emittiert werden. Die Autoren der Studie geben abschließend 25 Empfehlungen, die Sie aus den Untersuchungsergebnissen abgeleitet haben.

Definition "Mikroplastik" bietet nur eine grobe Orientierung

Bei der Begriffsbildung hat es keine problemorientierte Begriffsschärfung gegeben, die die umweltwissenschaftliche Perspektive berücksichtigt. Es hat weder Festlegungen einer Ober- und Untergrenze noch von relevanten Stoffgruppen gegeben, stellen die Autoren der Studie fest. Auch wurden bisher keine öko- und humantoxikologischen Erkenntnisse bei der Definition zugrunde gelegt. Als Empfehlung wird aus den Untersuchungen abgeleitet, Mikroplastik in drei Klassen zu unterteilen:

  • Primäres Mikroplastik Typ A
    Bereits bei der Herstellung als Mikroplastik zu klassifizierender Kunststoff
  • Primäres Mikroplastik Typ B
    Mikroplastik entsteht erst durch die Nutzung, beispielsweise Reifenabrieb oder beim Waschen von synthetischer Kleidung. Auch Partikel aus der Verwitterung von Farben zählen zu diesem Typ
  • Sekundäres Mikroplastik
    Entstehung durch Verwitterung und Fragmentierung von größeren Kunststoffteilen

Weiterhin empfehlen die Autoren auf eine genaue Festlegung und Unterteilung nach Partikelgrößenbereichen zu verzichten. Darüber hinaus sollen keine Anforderungen zur Bioabbaubarkeit oder Löslichkeit bei der Definition berücksichtigt werden. Vielmehr sollen diese Punkte Teil von gesetzlichen und freiwilligen Maßnahmen sein. So ließen sich nach Meinung der Autoren Regelungslücken vermeiden.

Emissionen von Kunststoffen reduzieren

Innerhalb der Studie wurden 51 Quellen für die Emission ermittelt, zahlreiche weitere werden folgen. Insgesamt beläuft sich nach den Berechnungen der Autoren der Studie die Gesamtmenge der Emissionen an primärem Mikroplastik für Deutschland auf etwa 330.000 Tonnen pro Jahr. Als Hauptquellen werden Gebäude, Verkehr und Infrastrukturen benannt.

Die Autoren betonen, dass sich nicht mehr nur auf die Einträge ins Meer fokussiert werden solle. Es müssen auch die Transferraten in andere Umweltbereiche wie beispielsweise den Boden oder die Luft in der Forschung berücksichtigt werden. Selbstverpflichtungen und Verbote müssen umgesetzt werden, aber dann sollte sich vor allem auf das primäre Mikroplastik des Typs B also auf Mikroplastik, das durch Abrieb und Verwitterung entsteht, konzentriert werden. Dabei müssen Innovationen gefördert werden, die die Langlebigkeit von Produkten stimulieren und dadurch die emittierte Menge an Mikroplastik reduzieren. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass nicht nur die Kunststoffindustrie in die Pflicht genommen werden muss sondern auch die Gummiindustrie, da der größte Teil der Emissionen aus Elastomeren besteht.

Ausbreitung eindämmen und Mikroplastik zurückgewinnen

Als wichtigste und auch effizienteste Handlungsoption benennen die Autoren der Studie das Reinigen von Infrastrukturflächen. Hierdurch kann ein großer Anteil an Mikroplastik vor dem Eintrag in Gewässer aufgehalten werden. Wichtig ist es dabei eine Trennung zwischen Systemen der Siedlungswasserwirtschaft innerorts und der Straßenentwässerung außerorts durchzuführen, erläutern die Autoren.

An einigen Stellen soll auch das dezentrale Abfangen von Mikroplastik praktiziert werden, da es einfach möglich ist. So können in Waschmaschinen Faserfilter installiert werden, die direkt die Emission von Mikroplastik aus synthetischer Kleidung verhindern.

Forschungsbedarf wird für die Verwertung von Klärschlamm durch die Siedlungswasserwirtschaft gesehen. Der gereinigte Ablauf von Kläranlagen wird eindeutig nicht als Problem hinsichtlich der Emission von Mikroplastik benannt.

Verhalten in der Umwelt und Bewertung sowie Governance

Zur Prognose von langfristigen Gefährdungen fordern die Autoren der Studie die mathematische Beschreibbarkeit des Fragmentierungs- und Abbauverhaltens ein. Geklärt werden müsse auch die gerade noch akzeptable Präsenzzeit in der Umwelt. Die Autoren weisen darauf hin, dass die so genannte Bioabbaubarkeit, die mitunter zu Marketingzwecken genutzt wird, nur in den Fällen in denen eine Verhinderung der Emission oder das Recyclings nicht möglich ist, eine Notfalloption sein kann.

Zur Bewertung sind nach den Empfehlungen in der Studie bei der Beschreibung der Umweltkonzentrationen die Partikelgrößenverteilungen sinnvoll. Partikelanzahlen und Massenkonzentrationen können das Problem nicht ausreichend beschreiben. Weiterhin müssen für die ökotoxikologische Beurteilung der Gefährdung neue Untersuchungsmethoden entwickelt werden.

Grundsätzlich soll sich die Bewertung und Regulierung an dem langen Fortbestehen der Kunststoffe festmachen. Polymere müssen in die EU-Chemikalienverordnung REACH aufgenommen werden und die Gefährdungsklassen um "very very persistent" erweitert werden. Zusätzlich sollen Kunststoffe, die die aquatische Umwelt gefährden können, in die CLP-Gefährdungsklasse H5413 eingestuft und kenntlich gemacht werden. Auch müssen Ökobilanzen hinsichtlich von Kunststoffemissionen weiterentwickelt werden, damit sie aussagekräftig sind. Die Autoren empfehlen ein Verbot von Produkten, die besonders häufig durch Littering in die Umwelt gelangen sowie eine Ausweitung von Pfandsystemen. Abschließend wird in der Studie betont, dass Kunststoffemissionen als generationsübergreifendes Problem verstanden werden müssen.

Informationen zur Studie



Koordination und Leitung
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, Oberhausen
Dauer
April 2016 bis Juni 2018
Autoren
Jürgen Bertling, Ralf Bertling, Leandra Hamann
Auftraggeber
BASF SE, Evonik Ressource Efficiency GmbH, Beiersdorf AG, Nestec Ltd, DSD – Duales System Holding GmbH Co. KG, Wupperverband, Gelsenwasser AG, hanseWasser, Emschergenossenschaft / Lippeverband, RWTH Aachen, TU Dresden
Download
www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/2018/konsortialstudie-mikroplastik.html


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