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12.09.2022 | Pricing | Schwerpunkt | Online-Artikel

Viele Unternehmen drehen an der Preisschraube

verfasst von: Eva-Susanne Krah

3:30 Min. Lesedauer

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Lieferkettenprobleme, Energiepreisschocks und der wachsende Wettbewerbsdruck haben auch Folgen für den Vertrieb von Unternehmen. Zweistellige Preiserhöhungen für Kunden werden kommen, so Ergebnisse einer neuen Studie.

Pandemie-bedingte Lockdowns, Lieferengpässe und extreme Preissprünge auf der Energieseite haben in den vergangenen Wochen und Monaten Spuren auch im Vertrieb vor allem mittelständischer Unternehmen hinterlassen. Der Preistrend in allen Stufen kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben. Vor allem ihre bisherigen Preisstellungen bei den Kunden müssen viele Unternehmen daher jetzt anpassen und sie auch durchsetzen, damit ihnen Gewinnhebel bleiben. Auf innovative Preismodelle kommt es an. Zahlen einer branchenübergreifenden Studie der Privaten Hochschule Göttingen (PFH) machen deutlich, wohin die Reise geht. So wollen 

  • mehr als 60 Prozent der Unternehmen in diesem Jahr zweistellige Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben, 
  • 15 Prozent kalkulieren Preisaufschläge von 20 Prozent und mehr ein,
  • 82 Prozent geben zum Beispiel Preiserhöhungen weiter, die bei Rohstoffen und Vormaterialien anfallen,
  • 72 Prozent der befragten Unternehmen gehen sogar von einer zweiten Preiserhöhung in diesem Jahr aus. Je größer das Unternehmen gemessen an den Umsätzen, desto höher fällt hier die Zustimmung aus.

Nur 50 Prozent der teilnehmenden Unternehmen setzen auf Preiserhöhungen bei Nischenprodukten oder Ersatzteilen.

Die Studie basiert auf einer standardisierten Online-Umfrage, die von mehr als 1.100 Personen aus mittelgroßen bis großen Unternehmen aufgerufen und von denen 163 auswertbare Fragebögen berücksichtigt wurden.

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Zum Einfluss von Preisstrategien und Produktqualität auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben im deutschen Konsumgütersektor die Konzentration auf der Handelsstufe und der Verdrängungswettbewerb unter den Handelsunternehmen stetig zugenommen.

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof, Professor für Internationales Marketing an der PFH und Mitautor der Studie, sieht die Gründe für die Preisanhebungen vor allem in der Preisexplosion bei den Rahmenbedingungen für Produktion und Services rund um Produkte: "Lieferengpässe bei elektronischen Bauteilen, drastische Preissteigerungen bei vielen Materialien, explodierende Seefracht-Raten, durch den Ukraine-Krieg bedingte Preissteigerungen bei Gas, Erdöl und Strom machen es für Unternehmen unausweichlich, ihre gestiegenen und voraussichtlich auch weiter steigenden Kosten an ihre Kunden weiterzugeben", konstatiert Riekhof. Zudem müssen Vorfinanzierungen abgesichert und Produktinnovationen längerfristig solide durch das unruhige wirtschaftliche Fahrwasser gesteuert werden. 

Unterschiedliche Preisstrategien lassen sich auch im Handel beobachten: Hans Christian Jansen, Autor des Springer-Buchs zum Thema "Preisstrategien und Produktqualität als Determinanten der Marktdurchdringung", sieht mit Blick auf Handel und Herstellermarken den Trend, dass Unternehmen unterschiedliche Preisstrategien parallel nebeneinander verfolgen, etwa zwischen den beiden Polen Dauerniedrigpreise bei Handelsmarken und anderen Preisniveaus bei Herstellermarken. Damit begegnen sie dem steigenden Verdrängungswettbewerb in der Handelslandschaft.

Preisaufschläge treffen eher Neukunden

Vor allem Neukunden werden die Preisanpassungen der produzierenden Unternehmen laut der PFH-Studie treffen: Die Preise bei Neukunden sollen bei 35 Prozent der Unternehmen überdurchschnittlich hoch nach oben geschraubt werden, wie die PFH-Studie ergibt. 

Viele Unternehmen setzen Preiserhöhungen sehr pauschal um, sie verzichten auf ein differenziertes Vorgehen bei Preisanpassungen", 

beobachtet jedoch Riekhof. So blieben etwa Preisstrategien für bestimmte Kundenzielgruppen oder Produktsegmente außen vor. Aufschläge gegenüber Kunden konzentrieren sich jedoch zum Beispiel neben Vormaterialien auf innovative Produkte, Services und Dienstleistungen, kundenindividuelle Produktkonfigurationen sowie komplexe Spezialersatzteile. 

Gerade bei Dienstleistungen sind Preisvorteile durch eine Differenzierung bestimmt, wie die Springer-Autoren Stefan Roth, Anna Priester und Christopher Pütz im Kapitel "Personalisierte Preise für Dienstleistungen" (Seite 369) anführen. Die Monetarisierung individueller Dienstleistungen gründet auf eine zunehmende Anzahl unterschiedlichster Bezugsgrößen, die personalisierte Preise entstehen lässt, wie die Autoren schreiben. Dabei wird das Preissystem von den vier Komponenten Preisformen, Preisfindung, Preiskomponenten und Preisdifferenzierung bestimmt.

Vertrieb hat die Planungshoheit

Die Planung und Steuerung von Preiserhöhungen übernimmt bei knapp der Hälfte der Teilnehmer aus der PFH-Studie vorwiegend der Vertrieb. Bei 70 Prozent verantwortet er auch die Umsetzung, häufig gemeinsam mit dem Key Account Management. Bei 34 Prozent der Unternehmen steuert Preisstrategien das Produktmanagement. 

Preiserhöhungen selbstbewusst vertreten

Vertriebsberater Michael Hopke rät Verkäufern in seinem Sales-Excellence-Beitrag "Preisverhandlungen erfolgreich verhandeln" dazu, 

  • in Kundengesprächen deutlich zu machen, dass sie hinter der Erhöhung stehen und diese dem Kunden den Vorteil eines weiterhin leistungsfähigen Lieferanten garantiert;
  • sich darauf einzustellen, dass ihr Prozentsatz infrage gestellt wird;
  • eine stichhaltige Begründung parat zu halten, warum sie die Preise erhöhen müssen,
  • zu vermeiden, dass unrealistische Mengenzusagen ihre eigene Produktionsplanung aufblähen und dann nicht abgerufen werden.

Hopke betont: "Verkäufer sollten die Verhandlung als Chance begreifen, um die Kundenbeziehung auszubauen: Preiszugeständnisse können im Gegenzug zu Abnahmeverpflichtungen gelten. Weitere Hebel sind Preisgleitklauseln oder Innovationsprämien." Die Möglichkeiten zu einer Einigung seien umso vielfältiger, je mehr Interessensbereiche des Kunden einbezogen werden, weiß er.

Ob neue Pricing-Strategien aufgrund der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Zwänge aufgehen, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen, denn selbst langjährige Kundenbeziehungen könnten unter Druck geraten, wenn bestimmte Preisschwellen für angestammte Produktgruppen überschritten werden.

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