Die Zeit der strategischen Markenplanung ist in deutschen Marketingabteilungen Geschichte. Nicht, dass niemand mehr plant. Nur glauben tut so recht keiner mehr an das Eintreffen der geplanten Ziele, womit auch die Planung an sich hinfällig ist
Die Digitalisierung der Wirtschaft und insbesondere auch der Kommunikationsmedien hat die einst als wichtigstes Steuerungsinstrument verehrte strategische Planung von Marken ins Nirwana verschoben. Statt im Voraus zu planen, begann die große Aufholjagd. Statt hartnäckig strategische Ziele zu verfolgen, verfielen nicht wenige Marketing-Abteilungen in einen Aktionismus, der in erster Linie darauf ausgerichtet war, mit den nicht enden wollenden Innovationen und "Latest Must Haves" der Kommunikationsbranche mitzuhalten.
Would you tell me, please, which way I ought to go from here?" asked Alice – "That depends a good deal on where you want to get to." said the cat. Lewis Carroll
Ich liebe diese schnörkellose Lebensweisheit der Grinsekatze aus Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“. Nie haben Verbraucher die Industrie so sehr vor sich hergetrieben, wie es heute der Fall ist. Die Dynamisierung der Märkte überfordert die meisten Unternehmen und das nicht nur im Marketing.
Der "Immer-im-Beta-Zustand" ist für Unternehmen schwierig
Während Verbraucher jede Neuerung, egal ob on- oder offline, begeistert aufnehmen, ausprobieren, wieder verwerfen oder zur Lieblings-App erklären, tun sich Unternehmen mit dem "Immer-im-Beta-Zustand" extrem schwer, stehen doch hinter vielen Weiterentwicklungen zumeist hohe Investitionen und unklare Ziele. Doch wer Ziele erreichen will, muss sie kennen, um sie effizient und hartnäckig verfolgen zu können.
Dazu braucht die strategische Markenplanung neue Steuerungsinstrumente.
Denn genau in diesem Umfeld ist die strategische Marken- und Marketing-Planung wichtiger als je zuvor. Was den gefühlten Unmut von Unternehmen, Menschen und Mitarbeitern ausmacht, ist nicht die hohe Volatilität der Märkte. Es ist die fehlende Übernahme der Orientierungsfunktion ihrer Marken und deren Lenker, die sie scheinbar zu Spielbällen einer unkontrollierbar rasanten Marktentwicklung macht.
Planung als Gleichgewicht aus Kontinuität und Agilität
Vor gut 20 Jahren institutionalisiert, war die strategische Markenplanung darauf ausgerichtet, Marken Stabilität und Kontinuität zu vermitteln. Die Instrumente von damals haben sich zwischenzeitlich nicht wesentlich weiter entwickelt, was sie wenig geeignet macht, Marken in dynamischen Märkten erfolgreich zu führen. Was es braucht, ist eine agile Markenführung, die die Stärken der Marke mit den Chancen und Herausforderungen des Marktes in Einklang zu bringen weiß und somit Marken mit ihren Märkten, Wettbewerbern und vor allem ihren Kunden vernetzt.
Führung bedeutet Orientierung
Orientierung kann nur geben, wer seine Märkte, Wettbewerber und vor allen seine Kunden in ihren Bedürfnissen, Ängsten, Sorgen und Nöten versteht. Dabei muss Führungsfunktion nicht bedeuten, immer an der Spitze einer Entwicklung zu sein. Im Gegenteil: Führung bedeutet Orientierung. Die Entwicklung und Verfolgung einer eigenen Idee, die um das Verstehen der Bedürfnisse der Kunden kreist, ist das, was Orientierung ausmacht. Vis-à-vis-Kunden gleichermaßen wie vis-à-vis-Mitarbeitern.
Strategische Planung sollte deshalb wieder das werden, was sie im Ursprung einmal war: Der Übersetzer von Kundenbedürfnissen in strategische Leitlinien der Markenführung. Und erst dann kommt die Frage des Mediums. Es ist Zeit für neue Planungstools. Mut und Unternehmergeist werden gerade in dynamischen Märkten belohnt.