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21.11.2023 | Privatkunden | Schwerpunkt | Online-Artikel

Finanzielle Ängste verändern Konsum- und Sparverhalten

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Das Krisengemege verunsichert deutsche Verbraucher: Die Angst vor Gehaltseinbußen, der Rentenlücke und steigenden Preisen beeinflusst das Konsum- und Sparverhalten. Das fordert die Beratung von Banken und Sparkassen.

Die deutsche Wirtschaft dümpelt auch im dritten Quartal in einer Stagnation. "Nach ersten, vorläufigen Informationen dämpfte der private Konsum angesichts der nachwirkenden Kaufkraftverluste und der anhaltenden Konsumentenunsicherheit weiterhin die wirtschaftliche Entwicklung", beschreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die aktuelle Lage. 

Dem Ministerium zufolge belastet die derzeitige Schwächephase den Arbeitsmarkt. So finde kein Beschäftigungsaufbau mehr statt und die Arbeitslosigkeit steige in saisonbereinigter Rechnung weiter leicht an. Auch über den Winter rechnet das BMWK nicht mit einer Besserung der Situation. 

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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

Unsere ökonomische Zukunft ist unsicherer denn je

Es scheint so, als ob der Wohlstand in Deutschland an ein vorläufiges Ende gelangt ist: Seit geraumer Zeit beobachten wir eine zunehmende Ungleichheit in Einkommen und Vermögen. Das untere Drittel der Einkommens- und Vermögenspyramide hat schon immer um das tägliche Überleben gekämpft. Die Energiekrise und die dadurch verursachte Rekordinflation haben dafür gesorgt, dass jetzt auch die Mittelschicht vom Abstieg bedroht ist.

Sparen für Altersvorsorge und Immobilien

Diese negativen wirtschaftlichen Faktoren und Diskussionen, etwa rund um das sogenannte "Heizungsgesetz", verunsichern die Bundesbürger. So haben sich die Sparmotive der Menschen laut der aktuellen Herbstumfrage des Verbands der Privaten Bausparkassen verändert: Zwar rangiert die Altersvorsorge mit 56 Prozent noch ganz oben auf der Liste, doch schon auf Platz zwei folgt das Wohneigentum mit 42 Prozent. Das sind fünf Prozent mehr als im Sommer. Damit liegen Immobilien auf der Rangliste seit 2010 erstmals wieder vor dem Konsum (41 Prozent). 

Für die Erhebung standen zum 79. Mal über 2.000 Bundesbürger im Alter von über 14 Jahren dem Meinungsforschungsinstitut Kantar Rede und Antwort: 

 

Männer und junge Leute sind optimistischer

Dennoch zeigt eine Studie der Norisbank, dass den aktuellen Krisen zum Trotz, einige Menschen positiv in die Zukunft schauen: Gut ein Drittel (35,2 Prozent) der mehr als 1.000 vom Marktforschungsinstitut Innofact im Oktober online befragten Deutschen ab 18 Jahren geht davon aus, dass sich die Inflation schon 2024 wieder auf Normalniveau einpendeln wird. Vor allem unter den Männern (44,8 Prozent) und den Unter-30-Jährigen (37,6 Prozent) gibt es überdurchschnittlich viele Optimisten. 

Das Ergebnis könnte daran liegen, dass die stark gestiegenen Preise insbesondere Frauen und Familien mit geringerem Einkommen besonders stark belasten und für Zukunftsängste sorgen. Rund drei Viertel der Teilnehmerinnen rechnen auch im kommenden Jahr mit einer weiterhin hohen Inflationsrate (74,3 Prozent). Auch überdurchschnittlich viele Familien mit Kindern unter 18 Jahren erwarten anhaltend hohe Preise (68,8 Prozent).

Zwar ist die Inflationsrate im Oktober auf 3,8 Prozent gesunken und hat laut BMWK den niedrigsten Wert seit August 2021 erreicht. Betrachtet man aber allein die Nahrungsmittel, verteuerten sich deren Preise im Oktober im Jahresvergleich um 6,1 Prozent. Das ist weniger als im September, für den das Statistische Bundesamt ein Plus von 7,5 Prozent errechnete. Dennoch spüren Verbraucher die Preisanstiege direkt an der Ladenkasse. 

Ältere fürchten Rentenlücke

In der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen befürchtet fast die Hälfte (46 Prozent) außerdem zu geringe Lohn- und Einkommenserhöhungen sowie Einbußen bei der Rente und der Altersvorsorge. Sich in Zukunft grundsätzlich weniger leisten zu können, davon gehen 32 Prozent dieser Personen aus. In der jüngeren Generation herrscht bei 20 Prozent Skepsis in Bezug auf die künftige Entwicklung der Aktien-Depots.

"Die Ängste, die mit der Inflation verbunden sind, sorgen in allen Bevölkerungsgruppen für Unsicherheiten. Die Inflation belastet die Menschen heute spürbar im täglichen Leben. Und sie belastet unsere Zukunft, weil sie die Kaufkraft der Ersparnisse und Renten nachhaltig reduziert. Betroffen sind im Besonderen oft die, die wenig haben", so Thomas große Darrelmann, Chef der Direktbank.

Deutsche skeptischer als andere EU-Bürger

Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen einer repräsentativen Verbraucherbefragung unter 7.000 Teilnehmenden aus sechs europäischen Ländern, darunter 1.000 Befragte in Deutschland, des Informationsdienstleisters Crif wider: Der Erhebung zufolge erwarten 39 Prozent der Deutschen in den kommenden zwölf Monaten ein geringeres monatliches Budget. Mit 28 Prozent befürchten allerdings fünf Prozent weniger einen möglichen Rückgang des Lebensstandards als noch vor einem Jahr. 

Mit einem Anteil von 30 Prozent gehen allerdings in der Bundesrepublik mehr Menschen von einer Verschlechterung ihrer finanziellen Lage aus als Menschen in Österreich (28 Prozent), Spanien (23 Prozent), Italien (20 Prozent) oder Frankreich (19 Prozent). Lediglich in Großbritannien teilen gleich viele Verbraucher diese Erwartung.

Unsere Studienergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung eine hohe Sensibilität in finanziellen Angelegenheiten hat. In den kommenden Monaten rechnen die Deutschen mit einer weiteren Anpassung ihres Spar- und Ausgabenverhaltens. [...] Viele Verbraucher wollen nicht nur sparen, sondern sehen sich gezwungen, Einsparungen vorzunehmen", erläutert Frank Schlein, Geschäftsführer bei Crif Deutschland, die Umfrageergebnisse.

Gespart wird an vielen Stellen

In den vergangenen zwölf Monaten haben die Verbraucher, wenn das Geld knapp wurde, vor allem in Bereichen wie Streaming-Abonnements oder Essenslieferungen (34 Prozent) gekürzt. Ein Drittel (33 Prozent) hat aber auch  beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf, bei Energie oder Autonutzung gespart. Rund ein Viertel der Bundesbürger (24 Prozent) hat Urlaubspläne geändert oder Reisen abgesagt. 

Aus Kostengründen sind 13 Prozent auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen. Mehr als jeder zehnte deutsche Befragte (zwölf Prozent) gibt an, verdient mit Nebenjob zusätzliches Geld. Und vier Prozent der Befragten in Deutschland sind wieder zu ihren Eltern gezogen, um die Lebenskosten zu reduzieren.

Trotz der Sparbemühungen reicht es für viele noch nicht aus. 16 Prozent der Befragten gaben in der Crif-Studie an, dass sie auf neue Kredite angewiesen sind, um über die Runden zu kommen. 

Kunden brauchen Rund-um-Beratung

Um ihre Kunden in dieser schwierigen Lage abzuholen, rät Bankmagazin-Autor Stefan Terliesner in der Oktober-Ausgabe den deutschen Instituten zur Errichtung eines sogenannten Financial Homes, in dem alle Themen rund um Finanzen, Vorsorge und Versicherung gebündelt werden. In der Bancassurance sieht Markus Zimmermann, Managing Director und Leiter Strategieberatung Versicherung bei Accenture Strategy, eine "natürliche Anlaufstelle" für alle Kundenbelange, schreibt Terliesner. 

Die Praxis zeige jedoch, dass der Weg zum Financial Home schwierig zu gehen ist. Das liege zum einen an der Zinswende, die das Interesse der Banken wieder verstärkt auf Ertragssteigerungen im klassischen Kerngeschäft und weg von der Bancassurance lenkt. Aber auch der Fachkräftemangel erschwere den Aufbau eines ganzheitlichen Angebots. 

Bewegung bei digitalen Angeboten

So bauen viele Institute auf digitale Plattformen, um ihre Kunden auch in Versicherungs- und Vorsorgeangelegenheiten zu beraten. "Ohnehin sind die von Banken gewählten Ansätze ständig in Bewegung. Allerorten wird ausprobiert, justiert, verworfen und neu aufgebaut", erläutert Terliesner. 

Der Autor nennt auch Kritiker eines rein digitalen Beratungsansatzes und zitiert Uwe Schroeder-Wildberg, Vorstandschef des Finanzdienstleisters MLP: "Bei digital gestützter Bancassurance werden die Bedürfnisse des Kunden nur sehr isoliert und häufig aus der Perspektive des eigenen Geschäftsmodells betrachtet." Tatsächlich benötige ein Kunde einen Gesprächspartner für all seine Finanzfragen, die vielfach miteinander zusammenhingen. 

Den richtigen Kooperationspartner finden

Während kleine und mittelgroße Häuser dabei häufig auf digitale Plattformen von Drittunternehmen oder auf Services entsprechender Gesellschaften ihrer Finanzgruppe zurückgreifen, leisten sich Großbanken eigene digitale Tochterunternehmen für die Vermittlung von Versicherungen. 

"Ein Beispiel ist der DB Versicherungsmanager, der zu 100 Prozent zur Deutschen Bank gehört", so Terliesner. Dabei handele es sich um einen "Makler mit Fokus auf Sach- und Krankenpolicen und für digital-affine Kunden, die eine breite Anbieterauswahl wünschen". Für eine persönliche Beratung im Vorsorgebereich stünden die Berater von Zurich zur Verfügung.

Die Wahl des passenden Insurtechs auf dem Weg zum Financial Home müsse sich jedes Kreditinstitute gut überlegen. "Andererseits gehört Ausprobieren und einfach mal Loslaufen dazu, wenn Banken sich neue Ertragsquellen erschließen möchten", so der Bankmagazin-Autor.

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