Wegen ihrer Größe und ihres höheren Verbrauchs stehen Sports Utility Vehicles in der Kritik. Dennoch steigt die SUV-Nachfrage. Haben SUV angesichts dieses Dilemmas eine Zukunft?
SUV liegen im Trend. Was bedeutet das für Städte und Umwelt?
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Es ist und bleibt ein Streitthema: die Sinnhaftigkeit von Sports Utility Vehicles (SUV). Die Stadt-Geländewagen mit "Offroad-Charakter" sind gefragt wie nie, dennoch polarisiert kaum eine andere Fahrzeuggattung so sehr. Beliebt sind die Großfahrzeuge, weil sie mehr Platz, Sicherheit und Übersicht versprechen. Kritiker finden sie zu gefährlich, zu kraftstoffintensiv und zu teuer.
Besonders emotional wurde die Debatte um die sportlichen Geländewagen in Städten im September 2019 geführt. Damals fuhr ein SUV in Berlin mit hoher Geschwindigkeit auf einen Gehweg. In der Folge starben vier Fußgänger. In der Diskussion stand damals, ob man SUV in Innenstädten verbieten müsse. Doch hat diese Fahrzeugkategorie wirklich ein erhöhtes Gefährdungspotenzial? Was ist dran an der vielfach vorgebrachten SUV-Kritik?
Beliebtheit von SUV wächst
Fest steht: SUV gehören zum am stärksten wachsenden Fahrzeugsegment. Waren einst kleine Fahrzeuge das Kerngeschäft vieler Automobilhersteller, lässt sich heute in der Oberklasse oder mit SUV mehr Geld verdienen. Und der Gewinn wächst dank starker SUV-Nachfrage. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erfreuen sich SUV wachsender Beliebtheit. Am 1. Januar 2023 waren in Deutschland rund 5 Millionen SUV registriert. Im Vergleich zum 1. Januar 2022 stellt dies eine Zunahme von rund 11 % dar. Am gesamten Pkw-Bestand in Deutschland haben die SUV einen Anteil von rund 11 %. Das Segment mit dem größten Anteil an Neuzulassungen ist im Gesamtjahr 2022 das der SUV mit 29,3 %.
Auch weltweit ist der Trend zum SUV ungebrochen: Mit Blick auf das Modellangebot der Autohersteller rechnet das französische Beratungsunternehmens Inovev damit, dass die weltweiten SUV-Zulassungen in den nächsten zwei Jahren von 32 auf 35 Millionen Fahrzeuge steigen werden, wie "Autohaus" berichtet. In Europa machten SUV inzwischen 40 % der Produktion aus.
Profitabel und attraktiv
Wie erklärt sich der Boom der SUV? Grund für den Siegeszug der schweren Autos ist zum einen, dass sie für die Hersteller Wachstumstreiber bei den Umsätzen und vor allem bei den Gewinnen sind. SUV sind profitabler als die vergleichbaren Stufenheck oder Fließheck-Modelle. Und in Zeiten von Rohstoffengpässen bringen die Unternehmen in erster Linie ihre margenstarken Produkte. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an Modellen: vom Mini-SUV bis hin zu Luxus-Fahrzeugen. Zudem vergrößert sich das Angebot an elektrifizierten SUV.
Zum anderen überzeugen die Sportgeländewagen immer mehr Kunden. Laut einer Studie der Nürnberger Marktforschung Puls von 2019 gibt es zahlreiche Kaufmotive für SUV: Kunden verbinden mit ihnen hohe Sicherheitsstandards, modernste Antriebstechnik, Statussymbolik, Fahrspaß, attraktives Design sowie einen hohen Wiederverkaufswert. Eine Ford-Studie aus dem Jahr 2016 Ford hat analysiert, wer vornehmlich SUV kauft. Die wachsende Nachfrage gehe auf Millennials (17-34-Jährige), Mütter und Quintastics (50+) zurück. Für die Mütter sei ein SUV ein stylisches, sicheres Familienauto, Millennials bezeichnen SUV als eine "attraktive Wahl", und Quintastics schätzen die höhere Sitzposition.
Zu groß, zu unsicher, zu dreckig
Das starke Wachstum könnte allerdings durch strengere Bestimmungen in Bezug auf Umweltverschmutzung und Gewicht bedroht werden. SUV stehen in der Kritik, da sie eine Reihe von Problemen verursachen sollen: einen größeren Flächenverbrauch, höhere Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer sowie eine schlechte Klima- und Umweltbilanz.
Kritik 1: SUV sind überdimensioniert
Für überfüllte Innenstädte, die unter zu wenig Raum für alle Verkehrsträger leiden, sind SUV aufgrund ihrer Größe das falsche Zeichen. Der Deutsche Städtetag kritisierte jüngst den Trend zu großen Autos und brachte höhere Parkgebühren für SUV und andere große Wagen ins Spiel. In der Tat werden die in Europa gebauten Fahrzeugen nach Daten des französischen Beratungsunternehmens Inovev immer größer und schwerer, wie "Autohaus" berichtet. Hauptursache sei wiederum die wachsende Nachfrage nach SUV und Elektroautos (BEV). Durchschnittlich seien die in Europa gebauten Autos heute 7 cm höher, 10 cm breiter und 20 cm länger als im Jahr 2000.
Allerdings ist die Flächengerechtigkeit kein Thema, das ausschließlich SUV betrifft. Die Neuordnung des Straßenverkehrs und des öffentlichen Raumes umfasst auch Lkw, Kleintransporter, Mini-Van oder Sportwagen. Dazu schreibt Springer-Autor Andreas Luczak im Kapitel Elektroautos: Heilsbringer oder Sackgasse? (Seite 162) des Buchs Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn: "Interessanterweise gilt der VW-Bus als deutlich sympathischer und weniger umweltschädlich als ein SUV, obwohl er teilweise sogar mehr verbraucht. Wenn man den Nutzwert eines VW-Busses (Anzahl Sitzplätze und Kofferraumvolumen) mit dem eines SUV vergleicht, ist der VW-Bus zwar deutlich effizienter konstruiert, wenn dieser Nutzwert aber nie oder nur selten gebraucht wird, ist er jedoch genauso unnötig klimaschädlich wie ein SUV."
Kritik 2: Es besteht eine erhöhte Unfallgefahr durch SUV
Die Frage, ob SUV für Fußgänger gefährlicher sind als etwa Kleinwagen, muss differenziert betrachtet werden. Für Fußgänger sind Zusammenstöße mit SUV nicht zwangsläufig gefährlicher. "Ausschlaggebend für das Überleben beziehungsweise die Schwere der Verletzung ist die Stelle, an der das Fahrzeug den Passanten trifft, sowie die Geschwindigkeit des Aufpralls", zitiert "Zeit online" den Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) Siegfried Brockmann. Bei Unfällen mit zwei Fahrzeugen ist die Fahrzeugmasse wiederum nicht zu vernachlässigen: Kollidiere ein in Masse größeres Fahrzeug mit einem kleineren, sei das kleinere Fahrzeug im Nachteil, so die UDV. Das bestätigt auch eine US-Studie von 2014: So steige die Wahrscheinlichkeit, dass Fahrzeuginsassen bei einem Unfall mit einem anderen Fahrzeug sterben, um 12 % je 500 kg Gewichtsunterschied zwischen den Fahrzeugen. Wären die US-Bürger, die in den letzten 20 Jahren auf SUV umgestiegen seien, bei kleineren Autos geblieben, hätten laut einer weiteren US-Studie von 2021 mehr als 1.000 tödliche Fußgängerunfälle vermieden werden können. Eine Studie aus dem Jahr 2010 des British Columbia Children's Hospital in Kanada kam zu dem Ergebnis, dass Light Truck Vehicles (LTV), zu denen auch SUV gezählt werden, bei Unfällen ein höheres Verletzungsrisiko mit sich bringen als andere, normal große Wagen.
Schaut man sich weitere Forschungsergebnisse an, sind diese teils auch widersprüchlich, was unter anderem an der unterschiedlichen Definition von "SUV" oder auch am Versuchsaufbau etc. liegen kann. Der ADAC kommt aufgrund von 2019 durchgeführten Tests zu dem Schluss: "SUV sind nicht sicherer, aber auch nicht weniger sicher als Standardmodelle". Das würden die Crashtests nach Euro-NCAP-Norm zeigen. Die meisten Modelle in diesem Vergleich böten auch einen ordentlichen Fußgängerschutz. "Es kommt auf die Gestaltung der Front an: Eine höhere Front kann sogar von Vorteil sein, wenn dadurch der Kopf des Fußgängers bei einem Zusammenstoß nicht bis an die harten A-Säulen oder den Scheibenrahmen gerät", so der ADAC.
Kritik 3: SUV sind schlecht für die CO2-Bilanz
SUV stehen grundsätzlich auch aufgrund ihrer schlechten Umweltbilanz in der Kritik. Tatsächlich sind SUV meist schwerer und weniger aerodynamisch als vergleichbare Kleinwagen, was unweigerlich mit einem erhöhten Kraftstoffverbrauch und entsprechend mehr CO2-Emissionen einhergeht. Nach Angaben von Inovev hat das durchschnittliche Gewicht von SUV in Europa bis 2022 um 20 % zugenommen. Zum Beispiel bringt es das Mercedes-Benz EQS SUV auf ein Leergewicht von 2,7 t (Allradvariante 4Matic: 2,8 t), das High-Performance-Modell VW ID.4 GTX auf rund 2,2 t und das BMW-Oberklasse-SUV X7 wiegt leer je nach Ausstattung zwischen 2,4 und 2,7 t. Laut ADAC ist die SUV-Variante praktisch immer schwerer als die vergleichbare Standard-Variante im gleichen Segment. "Die größere Stirnfläche und das höhere Gewicht eines SUV wirken sich negativ auf den Verbrauch und damit auch auf den CO2-Ausstoß aus. Kommt noch Allradantrieb hinzu, kann der Verbrauchsaufschlag bei bis zu einem Drittel liegen. Das gilt auch für Elektroautos", so der ADAC. Besonders auffällig: Laut aktuellem Dena-Monitoringsbericht 2022 falle das Gros der BEV-Absätze in der verbrauchsintensiveren Fahrzeugklasse der SUV an.
Nach Angaben einer Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) stoßen die 330 Millionen SUV, die weltweit derzeit unterwegs sind, pro Jahr insgesamt fast eine Milliarde Tonnen CO2 aus. SUV würden rund 20 % mehr Kraftstoff als durchschnittliche Mittelklassewagen verbrauchen. Da immer mehr SUV elektrisch fahren, benötigten diese auch größere Batterien als kleine Fahrzeuge, sodass ein wachsender Markt für Elektro-SUV zusätzlichen Druck auf die Batterielieferketten ausübe und die Nachfrage nach wichtigen Batteriematerialien weiter erhöhe, so die IEA.
Dazu kommt: Große Fahrzeuge brauchen mehr Platz und haben aufgrund ihrer Masse und breiteren Reifen einen höheren Reifenabrieb und geben damit mehr Mikroplastik in die Umwelt ab. Und je schwerer ein Fahrzeug ist, desto mehr beschädigt es die Straßen.
Um Fahrzeuge leichter zu machen, raten US-kanadische Wissenschaftler einem Artikel der Fachzeitschrift "Nature" zufolge dazu, schwere Autos stärker zu besteuern, um Kaufanreize für leichtere zu schaffen, Batterien kleiner und leichter zu machen sowie bei der Fahrzeugkarosserie Gewicht einzusparen.
Fazit: Kann das SUV eine Zukunft haben?
Für Springer-Autor Andreas Luczak ist der Komfortgeländewagen "zum Symbol der Klimaschädlichkeit geworden, weil er im Vergleich zu seinem Nutzwert (hauptsächlich definiert durch die Anzahl der Sitzplätze und dem Kofferraum) konstruktionsbedingt zwangsläufig mehr verbraucht als ein klassischer Fahrzeugtyp" (Seite 161f). Daher habe es schon Vorschläge aus der Politik gegeben, speziell diesen Fahrzeugtyp höher zu besteuern oder zu verbieten. Diese Vorschläge seien aber zum Scheitern verurteilt, "da es zum Beispiel gar keine definierte Fahrzeugklasse SUV gibt und SUV auch manchmal für bestimmte Nutzergruppen wichtige Eigenschaften haben, in denen sie anderen Fahrzeugtypen objektiv überlegen ist (zum Beispiel Anhängelast, Sitzposition, Geländegängigkeit)". Der ehemalige Citroën-Vorstandsvorsitzende Vincent Cobée ist sich indes sicher, dass SUV keine Zukunft haben, wie er im Interview mit Autoexpress im Januar erklärte. Er begründet das mit der Verbreitung von Elektroautos, die die Zahl der SUV zugunsten kleinerer Autos mit besserer Aerodynamik verringern soll. Für Cobée sind SUV nicht mit einer elektrischen Zukunft kompatibel.
Am Ende geht es aber um etwas anderes: Die "Projektion des Autohasses auf den SUV" (Seite 162) ist eine Ablenkung vom eigentlichen Kern des Problems, wie Luczak betont. "Ziel sollte es ja sein, dass jeder für seinen Mobilitätsbedarf das möglichst sparsamste Fahrzeug wählt. Letztendlich geht es um die Abwägung zwischen Klimafreundlichkeit und möglichst bequemer und günstiger Befriedigung seines Mobilitätsbedarfs. Und da ist die Nutzung eines VW Golf, wenn ein VW Polo genauso reichen würde, genauso unnötig klimaschädlich, wie die Nutzung eines SUV statt eines vergleichbaren Kombis", so der Springer-Autor. Er resümiert: "Eigentlich müssten die Hersteller deshalb die angebotene Modellpalette in Richtung sparsamerer Modelle verändern, d. h. weniger SUV, generell kleinere Modelle und deutlich verringerte Motorleistung, schmalere Reifen, länger übersetzte Getriebe und andere emissionsmindernde Modelländerungen".