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16.08.2022 | Automobilwirtschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie riskant ist die Luxusstrategie von Mercedes-Benz?

verfasst von: Christiane Köllner

6 Min. Lesedauer

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Mercedes-Benz will sich verstärkt auf das Luxussegment konzentrieren. Der Anteil der Top-Modelle am Verkauf soll deutlich zulegen. Aktuelle Gewinnzahlen geben den Stuttgartern recht. Aber wird das in Zukunft auch so bleiben?

Das Luxussegment soll Kern der Strategie der Mercedes-Benz Group werden. Seit der Aufspaltung des Daimler-Konzerns in die Pkw- und Transporter-Sparte sowie Daimler Truck verfolgt das Unternehmen immer konsequenter die Strategie "Marge statt Masse". Das Ziel von Mercedes-Benz ist es, "die wertvollste Luxus-Automobilmarke der Welt" zu werden. Gleichzeitig halten die Stuttgarter an der strategischen Entscheidung fest, bis 2030 vollelektrisch zu werden – dort, "wo es die Marktbedingungen zulassen". Kann dieser Plan aufgehen?

Die Idee hinter der Strategie, die Mercedes-Chef Ola Källenius Ende Mai im Rahmen der Veranstaltung "The Economics of Desire" an der Côte d'Azur präsentierte, ist klar: Die Gewinnspannen von größeren Premium-SUVs und luxuriösen Limousinen sind höher als die bei den Kompaktwagen. Gebaut wird also, was das meiste Geld bringt. So hatte man bereits in den vergangenen Quartalen in der Halbleiterkrise der Fertigung großen und teuren Neuwagen den Vorzug gegeben und die raren Chips in diese Baureihen eingebaut. Im Verbund mit dem allgemeinen Preisauftrieb bei Neu- und Gebrauchtwagen trieb das die Margen nach oben. 

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Automobile: Riskante Luxusstrategie?

Im Dezember 2021 wurde der Daimler-Konzern aufgespalten. Zum einen in die Mercedes-Benz Group, die das Pkw- und Transporter-Geschäft betreibt, und in Daimler Truck, die mit rund 100.000 Beschäftigten der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller sind. Seit der Aufspaltung verfolgt die Mercedes-Benz Group mit Pkw und Transporter noch konsequenter ihre Luxusstrategie.

Mehr Luxus, weniger Einstiegsmodelle

Die neue Strategie bedeutet konkret, dass sich Mercedes-Benz künftig auf drei Produktkategorien konzentrieren wird: Top-End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury. Das Portfolio im Bereich Top-End Luxury umfasst alle Fahrzeuge der Sportwagentochter Mercedes-AMG und der Luxussubmarke Maybach, die Top-End-Modelle von Mercedes-EQ, die EQS Limousine und das EQS SUV sowie die Mercedes-Benz-Modelle der S-Klasse und der G-Klasse sowie den GLS. Das Kernangebot (Core Luxury) soll die absatzstarken Mercedes-Benz-Baureihen der C-Klasse und der E-Klasse sowie deren Derivate umfassen. Im Entry-Luxury-Bereich soll die Anzahl der Karosserievarianten von sieben auf vier reduziert und gleichzeitig die Technik der Produkte aufgewertet werden. 

Mercedes-Benz will künftig mehr als 75 % der Investitionen für die Fahrzeugentwicklung für die beiden oberen Segmente vorsehen. Der Absatzanteil von Top-End-Modellen soll bis 2026 um rund 60 % steigen. Das Unternehmen strebt bis zur Mitte des Jahrzehnts, unter günstigen Marktbedingungen, eine Umsatzrendite von rund 14 % an. Bei sehr ungünstigen Marktbedingungen zielt Mercedes auf eine Marge von rund 8 % ab, circa 10 % bei ungünstigen und rund 12 % bei normalen Marktbedingungen.

Aufstieg von Premium-Automobilen in China

Der verstärkte Fokus auf das Luxusgeschäft folgt der steigenden Kundennachfrage in diesem Segment. So verzeichnete die Mercedes-Benz S-Klasse im Jahr 2021 ein Plus von 40 %, auch Mercedes-AMG und Mercedes-Maybach hätten neue Höchstwerte erzielt, so der Automobilhersteller. Für die kommenden Jahre erwarte Mercedes ein weiteres überproportionales Wachstum im Top-End-Bereich und hat dabei vor allem neben Europa und den USA Asien im Blick – und hier insbesondere China. 

China hat sich zu einem der wichtigsten Akteure der Weltwirtschaft entwickelt. Das Wachstum der chinesischen Autoverkäufe geht dabei Hand in Hand mit dem Wohlstandszuwachs in der chinesischen Gesellschaft. So ist China mittlerweile auch der weltweit wichtigste Markt für Premium-Automarken. Um die chinesischen Kundenbedürfnisse zu verstehen, wachse Mercedes-Benz "in China, mit China", wie es Hubertus Troska, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG und in dieser Funktion verantwortlich für alle China-Aktivitäten, im Artikel The Remarkable Rise of Premium Automobiles in China des Buchs Transition and Opportunity auf den Punkt bringt. 

Mercedes-Benz A- und B-Klasse sollen auslaufen

Hatte Mercedes-Benz unter dem früheren Firmenchef Dieter Zetsche mit dem Einstieg in die Kompaktklasse noch den Weg der Demokratisierung der Marke beschritten, so endet dieser offenbar mit Källenius. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Informationen aus Konzernkreisen berichtet, sollen die aktuellen Einstiegsmodellen, die A- und die B-Klasse, in den nächsten Jahren eingestellt werden. 

Am Erfolg der Kompakten liegt es nicht: "Wenn die letzte Mercedes A-Klasse und B-Klasse der Kundschaft übergeben werden, fehlen dem Autobauer mehr als 400.000 Fahrzeugverkäufe pro Jahr. Über die letzten vier Jahre hatte die A/B-Klasse einen Anteil von 20 % am Produktmix der Mercedes Cars ohne Smart und Transporter", erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research in Duisburg, der im Artikel Automobile: Riskante Luxusstrategie? aus dem Wirtschaftsdienst 7-2022 die neue Mercedes-Benz-Strategie kommentiert. Nach Angaben von Dudenhöffer soll auch das Taxigeschäft eingestellt werden. Wie tragfähig ist die Strategie von Mercedes-Benz, sich stärker als Luxusmarke zu positionieren, vor diesem Hintergrund? Ist die "Economics of Desire" nicht zu riskant?

Economics of Scale treiben die Wettbewerbsfähigkeit

Derzeit hat die Luxusstrategie Vorteile. Große Autos bedeuten momentan große Gewinne. Knappe Bauteilen lassen sich auf wenige, aber hochpreisige Fahrzeuge verteilen. Die Kundennachfrage ist groß und höhere Kosten und Preise lassen sich leichter an betuchtere Luxuskäufer weitergeben. Neben Mercedes setzen auch BMW und Audi auf Premiummodelle mit hoher Gewinnspanne und wenden sich von Kleinwagen ab. Denn je kleiner das Auto, desto geringer die Marge. Das gilt vor allem für batterieelektrische Fahrzeuge. Werden die teuren Batterien in Kleinwagen eingebaut, ist die Gewinnmarge deutlich kleiner als bei Luxusfahrzeugen.   

Was derzeit funktioniert, muss aber langfristig nicht erfolgreich sein. Dudenhöffer stellt angesichts der neuen Mercedes-Strategie fest: "Mit der Kündigung der Taxifahrer und Käufer:innen von Kompaktfahrzeugen hat Mercedes im Pkw-Bereich deutliche Volumennachteile." Diese Kostennachteile machten sich in drei oder vier Jahren voll bemerkbar, wenn die heutigen A/B-Klasse-Modelle auslaufen und das Taxigeschäft eingestellt ist", so Dudenhöffer.

Der Auto-Experte sagt Mercedes zudem fehlende Skaleneffekte für neue Technologien voraus. Mit dem Elektroauto und dem Software Defined Vehicle bewege sich die Autoindustrie in eine völlig neue Ära der Super Scales, also Kostenvorteilen durch Größe. Bestes Beispiel ist Software: So werde sie einmal entwickelt und mit variablen Kosten von null dupliziert. Scale Economics würden in der Autoindustrie von morgen Quantensprünge ausmachen. "Das größte Risiko der Economics of Desire sind die Super Scales", so der Autoexperte. Wer die Scales verloren habe, könne nur klein bleiben. "Die Marge kann hoch bleiben, aber man sitzt in der Nische [...]", so Dudenhöffer.

Weg frei für asiatische Hersteller?

Kritik an der Luxus-Strategie kommt auch vom baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann. Die Strategie werde "zu Akzeptanzproblemen führen, wenn man nur noch für Reiche und Superreiche Autos baut", so Hermann gegenüber der dpa. Auch bei den Mitarbeitern würden die Ankündigungen zu großer Unsicherheit über ihre Jobs führen. Zudem überlasse man den Markt asiatischen Herstellern. So seien die meisten Fahrzeuge aus Korea, China und Japan kostengünstiger als die der deutschen Hersteller, böten aber mittlerweile einen ähnlichen Standard.

Auch für Umweltschützer ist die neue Luxusstrategie keine gute Nachricht. Große Limousinen und schwere SUVs lassen sich schwerlich mit Nachhaltigkeit vereinbaren. Auch wenn Mercedes-Benz betont, dass die Luxusmodelle schließlich bis 2030 großteils elektrisch unterwegs sein werden und zunehmend aus nachhaltigen Materialien bestehen würden. Die Klimaneutralitäts-Rechnung der EU-Behörden hilft den Stuttgartern: Gilt doch eine elektrische Luxuskarosse nach den aktuellen Regeln als ebenso umweltfreundlich wie ein E-Kleinwagen.

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