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25.02.2019 | Treasury | Interview | Online-Artikel

Banken können Liquidität per Smart Contracts steuern

verfasst von: Anja Kühner

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Sven Ludwig

ist Managing Director, Global Head of Subject Matter Experts and Advisory beim internationalen Anbieter für Finanztechnologielösungen FIS.

Die Liquiditätssteuerung wird in Zeiten von Instant Payments zu einer immer größeren Herausforderung für Geldinstitute. Bank- und Teasury-Experte Sven Ludwig über den Innovationszwang im Interbankenmarkt.

Springer Professional: Weshalb bekommen Banken immer mehr Probleme bei der Liquiditätssteuerung?

Sven Ludwig: Je mehr Zahlungen in Echtzeit abgewickelt werden, umso größer wird die Asynchronität von internen Banksteuerungsprozessen im Vergleich mit den nach außen gerichteten Prozessen, insbesondere mit dem Einzelhandel und mit dem Privatkunden. Die wachsenden Implikationen von Echtzeitbezahlungssystemen, den Instant-Payment-Systemen, für das Treasury werden oft übersehen. Wurde früher am Wochenende bargeldlos eingekauft, zum Beispiel mit der Geld- oder EC-Karte, musste der Handel auf sein Geld warten. Der Valuta-Tag war meist noch nicht einmal der Montag danach, an dem die Bank wieder öffnete. Mit Echtzeitbezahldiensten ist der Einzelhandel flächendeckend auf dem Weg die Asymmetrie der Zahlungsvorgänge zu verstärken. Und außerhalb ihrer Arbeitszeit können die Mitarbeiter im Banken-Treasury die dazu notwendige Liquidität weder operativ noch strategisch steuern.

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Zahlungsverkehr: vom Überweisungsträger zu Instant Payments

Der Zahlungsverkehr hat sich in letzten Jahren von einer leicht angestaubten Tätigkeit im Backoffice der Banken zu einem hochinnovativen und strategisch bedeutsamen Gebiet entwickelt. Der Bereich unterliegt einem kontinuierlichen Wandel, angefangen mit dem Übergang vom ausschließlichen Gebrauch von Bargeld und halbbaren Zahlungsmitteln zum bargeldlosen Zahlungsverkehr, die Etablierung des Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) bis hin zu aktuellen Trends wie Instant Payments und neuen Marktteilnehmern die keine Banken sind.


Wo genau liegt die Herausforderung für das Treasury aufgrund von Instant Payments?

Bisher sind größere Direktüberweisungen aus dem Kreditgeschäft bekannt. Und Dank der verzögerten Wertstellung hat das Treasury zudem einen sehr guten Überblick über die kurzfristigen Zahlungsflüsse aus dem Privatkundengeschäft. Ohne weitere Eingriffe lässt sich so die Liquidität auch nach Feierabend oder über Wochenenden sowie Feiertage steuern. Zusammengezählt fehlt in dieser Zeit, also an rund 30 Prozent der Tage eines Jahres, jedoch eine aktive Steuerung. Kurzfristige Adjustierungen sind immer erst am folgenden Arbeitstag stressfrei möglich. Mit Echtzeit-Bezahlsystemen ändert sich das Bild. Die Konten der Privatkunden und der großen Einzelhändler bewegen sich nonstop – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Die Zahlungsströme verlaufen dadurch zunehmend weniger synchron mit den internen Prozessen. Es ist also nicht auszuschließen, dass Banken mit zunehmender Verbreitung der Instant-Payment-Bezahldienste mit höheren Liquiditätspuffern arbeiten müssen. Das Vorhalten solcher Puffer ist allerdings kostspielig.

Prognosen zu erwarteten Zahlungsströmen haben Banken doch schon immer gemacht. Was ist nun anders?

Ausgaben am Freitagnachmittag und am Wochenende sind hier besonders interessant. In den USA hat 2018 allein der Online-Handel am Black Friday im Jahresvergleich um 23 Prozent auf mehr als sechs Milliarden Dollar zugenommen. Der Handelsverband Deutschland rechnete 2018 mit einem Zuwachs von etwa 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf immerhin rund 2,4 Milliarden Euro. Allerdings gibt es in Deutschland noch keine zuverlässigen Erfahrungswerte, wie stark Verkaufsaktionen à la Black Friday angenommen und ausgebaut werden. Für solche Prognosen fehlt derzeit eine valide Datenbasis. Außerdem weiß niemand, wie stark Instant-Payment-Aktivitäten zunehmen werden. Unsicherheit treibt im Treasury den Liquiditätspuffer in die Höhe. Natürlich sind diese Entwicklungen noch kein Grund zur Sorge um die Stabilität eines Instituts, die Asymmetrie zeigt aber Innovationsbedarf auf.

Wie können Banken gegensteuern?

Natürlich könnte das Treasury rund um die Uhr personell besetzt sein. Das ist aber,  gerade im europäischen Raum, eher hypothetisch. Banken arbeiten bereits daran, die Prognosequalität mit Hilfe von Big Data zu steigern, insbesondere um Kundenverhalten aller Art besser einschätzen zu können. Doch es kann noch eine Weile dauern, bis die Systeme mit ausreichend Erfahrungswerten trainiert worden sind. Bis dahin wissen wir einfach nicht, welche Ereignisse welche Auswirkungen auf die Nutzung von Instant Payments haben, wie sich zum Beispiel eine Schlechtwetterfront auf das Einkaufsverhalten auswirkt. Sie kann dazu führen, dass Menschen eher zu Hause bleiben und dann verstärkt online einkaufen und Echtzeitzahlungen auslösen. Big Data, Machine Learning und Künstliche Intelligenz sind sicherlich Innovationen, die hilfreich sein können. Der Blick in die Kristallkugel mittels Prognosetools ist jedenfalls eher eine Symptombekämpfung, keine Innovation und keine Neuerfindung im Treasury.

Wie sieht eine mögliche Innovation für die Liquiditätssteuerung aus?

Bereits jetzt decken sich Banken im Interbankenmarkt mit Liquiditätsreserven ein. In der Regel haben sie mit mehreren anderen Instituten Kreditlinien vereinbart. So können Liquiditätsbedarfsinkongruenzen kurzfristig ausgeglichen werden. Auch ein Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem, das Real Time Gross Settlement, gibt es für Transaktionen zwischen Banken schon heute. Was aktuell noch fehlt, sind Finanztransaktionen, die voll automatisiert zwischen zwei Banken ablaufen und direkt oder indirekt auf Parameter des Liquiditätspuffers konditioniert sind, um so passend die Zahlungen mit Echtzeitabwicklung zwischen den beteiligten Banken auszulösen. Mit Hilfe solcher Instrumente und Technologien könnten Banken ihre kurzfristige Liquidität immer optimal und in Echtzeit steuern, also auch am Wochenende und Feiertagen. Wie gut Prognosen zu kurzfristigem Kundenverhalten tatsächlich sind, spielt dann nur noch bedingt eine Rolle. Stattdessen liegt der Fokus auf der wichtigen Synchronität von Bankprozessen, die auf diesem Weg wieder vollumfänglich erreicht werden könnte.

Wären Smart Contracts die Lösung?

Absolut. Denn diese ermöglichen die Gestaltung sowie die permanente, schnelle Abwicklung von Zahlungsströmen auch an Wochenenden und Feiertagen ohne weitere Abstimmungsprozesse. Allerdings würde das handlungsauslösende Moment tendenziell nicht der benötigte Liquiditätspuffer einer Bank sein, sondern eher ein für beide Parteien offen darlegbarer Parameter. Eine denkbare Lösung könnte eine Art Zwischenkonto sein, das beide Parteien nutzen, ohne jeweils zu viele liquiditätsbezogene Interna preisgeben zu müssen. Smart Contracts stecken noch in den Kinderschuhen und bisher gibt es keine konkreten Lösungsvorschläge, die all diese Aspekte berücksichtigen. Ein Faktor ist dabei aber aus meiner Sicht definitiv Pflicht: Eine Innovation im Interbankenumfeld, die die Synchronität der Real Time-Zahlungsprozesse mit den anderen Bankprozessen zu jedem Zeitpunkt sicherstellt, also auch nach Dienstschluss, sowie an Wochenenden und Feiertagen.

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