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07.03.2023 | Unternehmensgründung | Interview | Online-Artikel

"Nachhaltige Start-ups wählen Crowdinvesting gerne"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Brauchen Gründer und Jungunternehmer Geld zur Realisierung ihrer Geschäftsmodelle, müssen sie bei klassischen Kapitalgebern oft hohe Hürden überwinden. Warum für manche Crowdinvesting eine sinnvolle Alternative ist, erläutert Business-Development-Expertin Carlotta Claußen im Interview.

springerprofessional.de: Laut des aktuellen Venture-Capital-Barometers der KfW und des BVK leiden Jungunternehmen bei der Finanzierung derzeit unter einem Rückzug internationaler Investoren, insbesondere aus den USA. Doch Kapital für neue Geschäftsideen zu finden, ist in Deutschland noch nie ein leichtes Unterfangen gewesen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die grundsätzlichen Hürden und welche Probleme kommen aktuell hinzu?

Carlotta Claußen: Investments in Start-ups hängen immer von der bestehenden Marktlage und der damit verbunden der Risikobereitschaft auf Seiten der Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber ab. In den vergangenen Jahren haben Venture Capitalists ihre Beteiligungen sehr breit gestreut und häufig direkt in mehrere Start-ups investiert. In der aktuellen Phase müssen sie aber vor allem ihre bestehenden Beteiligungen stärken, um ihre Investments in die Profitabilität zu führen - und dadurch ist die Hürde für Start-ups sehr hoch, um neue Investorinnen und Investoren zu gewinnen. Hinzu kommen die veränderten Rahmenbedingungen durch die Zinswende. Die gesamte Branche hatte sich auf die Niedrigzinsphase eingestellt und darauf waren auch viele Prozesse ausgerichtet. Das hat sich jetzt ebenfalls grundlegend verändert.

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Im Crowdinvesting könnte eine Lösung für innovative Start-ups liegen. Diese gelten als schneller und unkomplizierter als traditionelle Finanzierungsquellen. Welche Vorteile bietet diese Finanzierungsform Gründern und Jungunternehmern?

Wie von Ihnen bereits angedeutet, ist die Schnelligkeit definitiv ein Vorteil. Wir sprechen hier von einer sauberen Vorbereitungszeit von acht bis zwölf Wochen, bis ein Crowdinvesting starten kann. Dazu kommt dann die Zeit, in der das Kapital eingesammelt wird. Das heißt aber, dass man im Schnitt mit einer Gesamtzeit von drei bis fünf Monaten rechnen kann, bis das Kapital auf dem Konto der Unternehmen ist. Ein weiterer Vorteil beim Crowdinvesting ist die Art der Finanzierung. Die Unternehmen sammeln bilanzielles Fremdkapital ein, das aber wie Eigenkapital genutzt werden kann, ohne dass sie dafür Stimmrechte abgeben müssen. Außerdem ist die Vertragsfreiheit, was die Ausgestaltung der Zinsen, die Tilgungsmöglichkeiten und die Laufzeit betrifft, sehr groß. Das Finanzinstrument kann also individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden.

Welche Voraussetzungen muss ein Start-up erfüllen, um sich über Crowdinvesting Kapital zu beschaffen und wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen hängen vom gewählten Finanzinstrument ab, aber die Plattformen stellen meist eigene Anforderungen in Bezug auf die Projektprüfung. Bei uns prüfen wir beispielsweise nicht nur die wirtschaftliche Tragfähigkeit, sondern auch die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Zur Risikominimierung sprechen wir meistens mit Start-ups, bei denen bereits VCs in das Unternehmen investiert haben, die etwa zwei bis drei Jahre alt sind und die nicht nur aus dem Gründungsteam bestehen, sondern in den relevanten Bereichen bereits Ressourcen aufgebaut haben. 

Können Sie uns kurz die Risiken skizzieren, die Start-ups, aber auch Investoren eingehen? Lassen sich diese begrenzen? Wenn ja, wie?

Für die Start-ups ist das größte Risiko, dass das Produkt nicht voll platziert wird, also nicht so viel Geld zusammenkommt, wie ursprünglich gedacht. Denn eine Platzierungsgarantie gibt es nicht. Die Crowdinvesting-Plattformen haben aber in der Regel schon ein gutes Gespür dafür, was bei der eigenen Crowd gut ankommt und was nicht. Für die Investorinnen und Investoren besteht das Risiko, dass es zu einem Ausfall kommt und das eingesetzte Kapital möglicherweise nur zu einem Teil oder gar nicht zurückgezahlt wird. Die Crowdinvesting-Plattformen können das Risiko aber deutlich minimieren, indem sie vorher eine intensive Projektprüfung durchführen. Das verringert die Ausfallrate. 

Welchen Anteil hat das Crowdinvesting aus Ihrer Sicht am Finanzierungsmix junger Unternehmen? Gibt es bestimmte Branchen oder Geschäftsmodelle, die häufiger als andere auf diese Art der Finanzierung setzen?

Wir merken schon, dass die Vermittlung von Kapital bei Start-ups im B2C-Bereich mit leicht verständlichem Geschäftsmodell etwas besser funktioniert als bei B2B-Unternehmen. Aber grundsätzliche Beschränkungen gibt es nicht. Gerade nachhaltige Start-ups wählen Crowdinvesting gerne als Finanzierungsform, einfach aus dem Community-Gedanken heraus. Die Unternehmen wollen der Gesellschaft so eine Möglichkeit geben, von ihrem Erfolg zu profitieren. Dazu kommt, dass nachhaltige Gründerinnen und Gründer oft sehr tief mit dem Geschäftszweck ihres Unternehmens verwurzelt sind. Und je mehr Stimmrechte man an externe Investorinnen und Investoren abgibt, desto größer ist die Gefahr, dass der nachhaltige Gedanke des Start-ups aufgeweicht wird. Diese Gefahr besteht bei einem Investment von der Crowd eher nicht.

Wie sieht der typische Crowdinvesting-Prozess in der Praxis aus? Mit welchen Herausforderungen müssen die Unternehmen hierbei rechnen?

In der Regel steht bei uns zuerst ein kurzes Kennenlernen der Gründerinnen und Gründer an. Wir wollen natürlich erfahren, was das Start-up vorhat. Darauf folgt eine kleine Erstprüfung, in der wir Dokumente wie Pitchdeck, Jahresabschluss, Finanzplan und Cap Table checken. Ebenso geben wir eine Einschätzung zur Nachhaltigkeit ab. Darauf folgt ein erstes Angebot, das dem Unternehmen einen Überblick über die Kosten für das Finanzprodukt gibt. Danach beginnen wir mit der Due Diligence und wenn diese positiv ausfällt, erstellen wir die Emissionsdokumente. Wenn die final sind, kann es losgehen. 

Was raten Sie Start-ups, für die sich diese Finanzierungsalternative weniger eignet?

Diese Start-ups müssen sich dann wieder auf die Suche nach anderen Geldgeberinnen und Geldgebern machen. Wir sehen leider immer wieder Start-ups, die nach einer Absage von uns dann auf einer anderen Crowdinvesting-Plattform landen und dort dann kein Kapital einsammeln, weil es nicht platziert werden kann. Das kann ich definitiv nicht empfehlen. Oft macht es dagegen Sinn, regional auf die Suche zu gehen. Es gibt mittlerweile auch viele Fördertöpfe, beispielsweise auf Bundesland-Ebene, die man angehen kann. Eine öffentliche Förderung kann dann wiederum dabei helfen, weitere Investorinnen und Investoren anzusprechen.


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