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23.09.2021 | Verbrennungsmotor | Interview | Online-Artikel

"Die DUH-Klagen sind ein symbolischer Akt"

verfasst von: Christiane Köllner, Patrick Schäfer

5 Min. Lesedauer

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BMW und Mercedes-Benz werden von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verklagt. Dr. Daniel Kendziur ist Partner bei der internationalen Wirtschafts- und Anwaltskanzlei Simmons & Simmons und ordnet die "Klima-Klage" juristisch ein.

Springer Professional: Herr Kendziur, könnten Sie die Klima-Klage der DUH kurz aus juristischer Sicht skizzieren?

Daniel Kendziur: Nach ihren eigenen Angaben macht die DUH gegen die Daimler-Tochter Mercedes und BMW "klimaschützende Unterlassungsansprüche" geltend, mit denen sie die Einstellung des Verkaufs von neuen Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030 erreichen will. Juristisch betritt die DUH damit auf jeden Fall Neuland, auch wenn die Klagen als "gewöhnliche" Unterlassungsklagen vor Zivilgerichten daherkommen. In Deutschland gab es bislang nämlich keine Klage, die sich mit einem solch konkreten Ziel gegen einzelne produzierende Unternehmen gewandt hat, um bestimmte Klimaschutzziele mit Hilfe von Gerichten durchzusetzen.
Juristisch stellen sich viele Fragen, die schon bei der Zulässigkeit der Klagen ansetzen. Der DUH geht es um die Durchsetzung der Ziele aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz und damit der sogenannten Pariser Klimakonvention. Das Bundes-Klimaschutzgesetz regelt aber ausdrücklich, dass durch dieses oder aufgrund dieses Gesetzes keine subjektiven Rechte und klagbaren Rechtspositionen begründet werden. Ob das auch das Klagerecht von Umweltverbänden ausschließt, ist bereits heftig umstritten. Klarheit wird aber erst ein letztinstanzliches, rechtskräftiges Urteil bringen, mit dem ich aber nicht vor 2024 oder sogar später rechne.

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Klimaschutz geht nicht ohne Verkehrswende – Politik und Autoindustrie müssen heute umsteuern

Klimaschutz geht nicht ohne die Verkehrswende. Und die Verkehrswende bedingt neue Formen und ein neues Selbstverständnis von Mobilität. Bislang hat die Politik diese Aufgabe vor sich hergeschoben, nun wächst der Druck zu handeln. Die Co2-Emissionen im Verkehrssektor steigen weiter an, statt zu sinken. Die Zeit zum Erreichen der Klimaschutzziele drängt und die Wählerschaft erwartet Lösungen in der Klimapolitik. Der motorisierte Individualverkehr, vor allem in den Städten, wird bald der Vergangenheit angehören. Kollektive Verkehrssysteme, Rad- und Fußverkehr werden wachsen. Auf diesen Wandel wird sich die Automobilindustrie einstellen müssen. 

Mit welchen Argumenten untermauert die DUH ihre Klage?

Soweit bislang bekannt, stützt sich die DUH wohl auf Argumente aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 (Az. 1 BvR 2656/18 u.a.), mit dem bestimmte Regelungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes insofern mit Grundrechten für unvereinbar erklärt worden sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Die DUH meint nun, dass jede Überschreitung des von ihr errechneten Klimabudgets der beklagten Autohersteller "drastische Freiheitsbeschränkungen für Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik nach sich ziehen". Hieraus leitet sie einen Unterlassungsanspruch ab, der eben auf die Einstellung des Verkaufs von neuen Verbrennern ab 2030 gerichtet ist.

In dem erwähnten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die mangelhaften Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland verfassungswidrig seien und die Politik beim Klimaschutz zwingend nachlegen müsse. Leitet sich daraus ein Grundrecht auf Klimaschutz ab, wie DUH-Anwalt Remo Klinger behauptet?

Unser Grundgesetz enthält in Art. 20a die Staatszielbestimmung, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sicherzustellen. Art. 20a GG verpflichtet den Staat mithin zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität, wie das BVerfG formuliert hat. Die Regelung ist aber objektives Verfassungsrecht, sie enthält kein subjektives, einklagbares Recht. Art. 20a GG ist mithin kein Grundrecht. Der Klimaschutz genießt zudem nach unserem Grundgesetz keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Gleichwohl enthält Art. 20a GG einen klaren Auftrag an die Politik und damit den Gesetzgeber, wirksame Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich zu ergreifen.

Mobilität und Klimaschutz betreffen die gesamte Gesellschaft. Ist eine Klage gegen zwei Autobauer dann zielführend, um wirklich das Klima zu verbessern?

Objektiv offensichtlich nicht. Selbst wenn die Klagen gegen Mercedes und BMW erfolgreich sein sollten, könnten – in Ermangelung entsprechender gesetzlicher Verbote und weiterer solcher Klagen – alle anderen Hersteller Verbrenner auch nach 2030 herstellen und verkaufen. Der Effekt dieser zwei Klagen auf das Klima wäre also höchst beschränkt und würde durch höhere Verbrennerproduktionsraten der übrigen Hersteller vielleicht sogar zunichte gemacht – was zudem die Frage aufwirft, ob so ein Urteil nicht den Wettbewerb verzerrt, wenn doch der Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Meines Erachtens zeigt sich hier sehr deutlich, dass solche "Klima-Klagen" nicht nur juristisch höchst fragwürdig, sondern gesamtgesellschaftlich auch der falsche Weg sind, Klimaschutz durchzusetzen. Die DUH-Klagen sind ein symbolischer Akt, der auf eine Instrumentalisierung der Gerichte zu politischen Zwecken auf Kosten des Steuerzahlers hinausläuft. Es widerspricht unserem grundgesetzlichen Prinzip der Gewaltenteilung, Zivilgerichte zum Ersatzgesetzgeber machen zu wollen, um Verbote, die politisch oder auch gesamtgesellschaftlich nicht durchsetzbar sind, auf dem Klageweg zu erreichen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es mitunter eines symbolischen Akts bedarf, um auf Missstände wirksam aufmerksam zu machen.  

Greift die Klage der DUH gegen nur zwei Automobilhersteller zu kurz? Müssten nicht in diesem Sinne auch andere Akteure in der Wertschöpfungskette wie zum Beispiel Energiekonzerne verklagt werden?

Die DUH-Klagen greifen schon aus den soeben beschriebenen Gründen zu kurz. Sie lösen zudem keins der sich im Erfolgsfall zwangsläufig stellenden Folgeprobleme: Woher soll in so kurzer Zeit eine ausreichende Ladeinfrastruktur für die erzwungenermaßen rasant wachsende Elektroflotte kommen, wie der steigende Strombedarf vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden? Beim Klimaschutz braucht es einen umfassenden, ganzheitlichen Ansatz. Wer in neun Jahren den Verkauf von Verbrennern verbieten lassen will, muss auch erklären können, wie es danach weitergeht. 
Tatsächlich hat die DUH einen "klimaschützenden Unterlassungsanspruch" auch gegen den Öl- und Gaskonzern Wintershall geltend gemacht und verlangt von ihm, neue Projekte zur Förderung von Öl und Gas ab 2026 zu unterlassen. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Fall zu einer Klage kommen wird, dann wohl vor dem Landgericht Kassel. Aus Sicht der DUH wäre das jedenfalls konsequent.

Gibt es in anderen Länder ähnliche Bestrebungen, Autokonzerne zu verklagen?

Im Mai 2021 wurde in den Niederlanden Shell erstinstanzlich verurteilt, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45% zu reduzieren. Das Verfahren dort ging in Berufung. Es gibt Statistiken, die listen für den Zeitraum 1986 bis 2020 weltweit mehr als 1.600 "Klimaprozesse" auf. Die Verfahren gegen BMW und Mercedes sind aber, soweit ersichtlich, die ersten ihrer Art gegen Autokonzerne. Deutsche Umweltverbände gelten als besonders klagefreudig. Es ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass die hier jetzt eingeleiteten Verfahren eine gewisse Vorbildfunktion haben werden und ähnliche Verfahren in anderen Ländern folgen werden.

Herr Kendziur, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

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