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24.08.2021 | Elektromobilität | Kommentar | Online-Artikel

Endenergiebezogene Analyse Diesel versus Elektromobilität

verfasst von: Andreas Burkert

6:30 Min. Lesedauer

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Eine endenergiebezogene Analyse unter Einbeziehung der Bereitstellungsvorketten offenbart, dass Diesel schmutziger sind als bisher angenommen. Neue Studien zeigen, dass Elektroautos deutlich klimafreundlicher sind.

Die Ifo-Studie zur CO2-Bilanz von Elektroautos, die Ende April 2019 erschien, schlug seinerzeit hohe Wellen. Die Schlussfolgerung der Arbeit: "Ein Automobil mit Elektromotor benötigt einen gewissen Anteil an Kohlestrom, um Fahren zu können". Auch wenn der Titel der Zusammenschrift "Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?" lautet, so verlieren die Autoren Christoph Buchal, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn über die Funktion und Wirkungsweise eines Kohlemotors aber kaum ein Wort. Nur so viel wird in dem Dokument, welches der Redaktion vorliegt, bekannt: Ein Automobil mit Elektromotor benötigt einen gewissen Anteil an Kohlestrom, um Fahren zu können.

Das sei, so schlussfolgern die Autoren, auch die Ursache für die Klimaschädlichkeit der Elektromobilität. Hinsichtlich des CO2-Ausstoßes sei ein Elektromotor "im günstigen Fall um etwa ein Zehntel und im ungünstigen Fall um ein gutes Viertel" schlechter als ein Dieselmotor. Im Vergleich musste ein Tesla Model 3 gegen einen Mercedes C 220 d antreten. Wie aber sind die Werte zustande gekommen?

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Die Abkehr von fossilen Energieträgern in der Mobilität ist beschlossene Sache. Die meiste Aufmerksamkeit erfahren derzeit batterieelektrische Fahrzeuge, doch auch synthetische Kraftstoffe und Brennstoffzellen sind noch nicht aus dem Rennen.

Es wurden zum einen "alternative marginale Energiequellen für den Strom sowie der tatsächliche Strommix Deutschlands aus dem Jahr 2018 zugrunde gelegt. Ferner wurde eine Metastudie für den CO2-Ausstoß bei der Batteriefertigung berücksichtigt", erklären die Autoren. Beim Dieselantrieb haben sich Buchal, Karl und Sinn auf die Angaben des Herstellers verlassen, der einen Verbrauch von 4,5 l Kraftstoff pro 100 km laut NEFZ-Zyklus angibt. Das entspricht annähernd 117 g pro Kilometer. Für ein Mittelklassefahrzeug ohne Hybridfunktion ist das ein bemerkenswert guter Wert, der im realen Straßenverkehr kaum erreicht wird. Auch deshalb gilt mittlerweile der WLTP. Warum aber wurden die Wissenschaftler bei diesen Angaben nicht stutzig? Und warum stehen die CO2-Bilanzen im Widerspruch zu den Forschungsergebnissen etablierter Institute?

Graue Energie entscheidet über die CO2-Bilanz

Dabei hatte erst wenige Wochen vor der Veröffentlichung der Ifo-Studie das Fraunhofer Institut ISI herausgefunden, dass Elektrofahrzeuge "28 % weniger Treibhausgasemissionen als ein Oberklasse-Diesel, bis zu 42 % weniger als ein Kleinwagen-Benziner" ausstoßen. Auch das international bekannte ICCT konnte bestätigen, dass ein batteriebetriebenes Elektroauto bei einer Nutzungsdauer von rund 13 Jahren deutlich weniger CO2 und andere klimarelevante Gase emittiert als ein Automobil mit konventionellem Verbrennungsmotor. Der Grund sind die erklärungsbedürftigen Annahmen von Sinn und Kollegen.

So berücksichtigen sie zwar den Energieaufwand für die Produktion der Batterie, während jene Angaben für das Herstellen der Baugruppen, die ein Dieselfahrzeug ausmachen, weggelassen wurden. Dabei müssen für den Antriebsstrang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor mehr als tausend Teile produziert und verbaut werden. Ein elektrischer Antriebsstrang benötigt nur wenige hundert Teile. Laut ADAC kann man von einem Faktor 10:1 sprechen. Eine genaue endenergiebezogene Analyse unter Einbeziehung der Bereitstellungsvorketten für das Produzieren dieser Komponenten (Graue Energie) ist der Redaktion bisher nicht bekannt. Dies bedarf einer weiteren exakten Analyse. Exemplarisch sei hier aber ein Zulieferer der verbrennungsmotorischen Mobilität genannt, der innerhalb eines Jahres einen Gesamtenergieaufwand (Erdgas, Strom, Diesel etc.) von mehr als 31 Millionen MWh ausweist. Hinzu kommen noch die An- und Abfahrten der Materialtransporte vom Rohstofferzeugen zum Zulieferer zum OEM. Das gilt für die Elektromobilität gleichermaßen. Dort allerdings ist die Zulieferbasis um ein Vielfaches geringer.

Elektromobilität deutlich klimafreundlicher

Wenn auch solch eine endenergiebezogene Analyse im Detail nicht vorliegt, in den bisher ermittelten Ergebnissen liegen die "Treibhausgasemissionen eines heutigen Elektrofahrzeugs der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg niedriger als bei vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Es erzeugt gegenüber einem Benziner etwa 30 % weniger Klimagase. Gegenüber einem vergleichbaren Diesel sind es etwa 23 % weniger". So teilt es das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) mit. In der im Januar 2021 veröffentlichen Schrift "Wie umweltfreundlich sind Elektroautos? Eine ganzheitliche Bilanz" wurden verschiedene Studie analysiert und aktuelle Produktionszahlen mit einbezogen.

Eine noch bessere Klimaverträglichkeit im Vergleich zu einem konventionell angetriebenen Fahrzeug, haben vor wenigen Tagen die Experten des International Council on Clean Transportation (ICCT) im Rahmen einer Studie ermittelt. Sie kommen zu dem Schluss, dass batterieelektrisch betriebene Automobile bereits heute eine bessere Bilanz bei den Treibhausgas-Emissionen als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Das gilt laut der ICCT weltweit. Die Autoren haben dazu die Kompaktwagenklasse über die gesamte Lebensdauer betrachtet. Damit sind auch die Emissionen aus der Produktion der Fahrzeuge und Batterien ebenso eingerechnet, wie die Entsorgung des Fahrzeugs.

Treibhausgasemissionen um rund 70 Prozent geringer

Die Ergebnisse sind beeindruckend. So sind die Treibhausgasemissionen in Europa für einen elektrischen Kompaktwagen bereits heute 66 bis 69 % niedriger als für vergleichbare neue Benzinfahrzeuge. In Die Kalkulation wurde der zu erwartende Strommix 2021 bis 2038 berücksichtigt, wie auch eine Laufleistung von 234.000 Kilometern. Neuesten Erkenntnissen zufolge ist das bereits mit nur einem Akkumulator möglich. Unter der Annahme, dass der batterieelektrisch betriebene Kompaktwagen ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen wird, ergibt sich, dass die Elektromobilität bereits heute bis zu 81 % geringere Lebenszyklus-Emissionen aufweist als ein Benzinfahrzeug.

Wird bei der Betrachtung noch die graue Energie für das Herstellen der jeweiligen Energieform berücksichtigt, steht der Verbrennungsmotor plötzlich in einem noch schlechteren Licht da. Die Anteil der grauen Energie, die die Produktionswirtschaft als jene Energie bezeichnet, die für das Herstellen von Gütern sowie für Transport, Lagerung und Entsorgung benötigt wird, kann unter Umstand erheblich sein, von dem der Verbraucher nichts mitbekommt. Am Beispiel der Bereitstellungsvorketten des Kraftstoffs Diesel lässt sich das anschaulich anhand ausgewählter Produktionsschritte darstellen.

Für sechs Liter Diesel werden etwa 42 kWh benötigt

So teilt uns Exxon Mobil mit, dass "der größte Energieaufwand während der eigentlichen Bohrtätigkeit anfällt, die einige Wochen beziehungsweise Monate dauert – abhängig von Gesteinsart und Tiefe der Bohrung. In Spitzen können das bis zu 80.000 kw/h am Tag sein".

  • Den spezifischer Energieaufwand für Erdölförderung hat der Arbeitskreis Innovative Verkehrspolitik aufgelistet: 1 GWh werden für das Fördern von Rohöl mit der Energiemenge von 277 GWh benötigt.
  • Der Transport des Rohöls zu den Raffinerien per Hochseetanker. Die größten dieser Schiffe transportieren etwa 300.000 Tonnen Rohöl und verbrauchen pro Tag etwa 1 Promille ihrer Ladekapazität. Konkret: Pro Fahrt von Saudi Arabien nach Amsterdam werden 3 Prozent der transportieren Energiemenge verbraucht. Das sind etwa 9000 Tonnen Rohöl pro Fahrt. Beispiel: Rohöltransport aus Aserbaidschan nach Hamburg 37 GWh für Diesel und 26 GWH für Ottokraftstoff im Jahr. [1]
  • Transport des Rohöls per Pipeline. Vor allem Deutschland importiert Rohöl per Pipeline. Um den Rohstoff etwa über 500 Kilometer zu transportieren, sind Pumpen mit hoher Leistung nötig. Kalkuliert man die Durchschnittslänge (über 3.700 Kilometer) der Pipelines von Russland nach Deutschland mit der Leistung der Pumpen, so ergibt sich ein jährlicher Energieaufwand für den Pipelinetransport von 583 GWh für Ottokraftstoffe und 833 GWh für Diesel. [1]
  • Der Energieaufwand für das Raffinieren von Rohöl: Anhand der Energiebilanzen deutscher Raffinerien lässt sich der spezifische Energieaufwand für das Herstellen von Diesel, Benzin und Erdgas ermitteln. Aus den Daten des Jahresberichts des Mineralölwirtschaftsverbands ergibt sich für  1 Liter Kraftstoff ein Energiebedarf von 1, 6 kWh.
  • Transport der Otto- und Dieselkraftstoffe an die Tankstelle: Ein Tanklastzug nimmt in der Regel 40.000 Liter Kraftstoff auf, der Verbrauch eines beladenen Fahrzeugs beträgt etwa 30 l/100km.

Werden alle oben genannten Faktoren einbezogen, so ergibt sich, dass für sechs Liter Diesel etwa 42 kWh benötigt werden. Damit kommt ein Elektroauto in der Regel 200 Kilometer weit.

[1] Bruns, Th.: Energetische Konversionspfade ausgewählter Energieträger im Verkehrssektor mit anschließender Erstellung des ökologischen Fußabdrucks unter besonderer Berücksichtigung des Flughafens Hamburg, Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, 2013

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