Carbon ist ein beliebter Werkstoff sowohl in der Auto- als auch der Bauindustrie. Da er noch nicht allzu lange verwendet wird, gibt es kaum Erfahrungen zum Recycling. Denn das ist nicht einfach.
Anlagentechnik zum Carbonfaser-Recycling im „Zentrum für Textilen Leichtbau“ am STFI der Zuse-Gemeinschaft.
Dirk Hanus
Während andere Kunststoffe relativ einfach zu recyceln sind, gilt das für Carbon nicht. "Die Verwertung von Verbundmaterialien und Spezialwerkstoffen, wie z.B. Carbonfasern, stellt die Recycling- und Abfallwirtschaft derzeit vor große Herausforderungen", benennt dies Springer-Autor Roland Pomberger in seinem Zeitschriftenbeitrag Über theoretische und reale Recyclingfähigkeit auf Seite 9.
Dabei nimmt die Carbonherstellung weltweit zu. Der globale Jahresbedarf der hochwertigen Fasern ist im vergangenen Jahrzehnt auf 142.000 Tonnen angestiegen und hat sich somit fast vervierfacht, so die Industrievereinigung AVK. Die Anwendungsgebiete reichen inzwischen vom Fahrzeugbau bis hin zur Bauwirtschaft, wo es als Bewehrung im Beton anstatt Stahl zum Einsatz kommt und vollkommen neue Statiken und Formen ermöglicht.
Recycelte Carbonfasern günstiger
Dabei ist Carbon nicht nur härter und bruchfester als Stahl, es hat zudem kaum Eigengewicht und ist auch deutlich flexibler. Doch zum Recycling dieses Stoffes gibt es kaum Erfahrungen. Die Zuse-Gemeinschaft will dies nun ändern. Dabei spielt auch die Herstellung der Kunststofffasern bei 1.300 °C mittels des Kunststoffs Polyacrylnitril eine entscheidende Rolle.
Derzeit arbeitet das zur Zuse-Gemeinschaft gehörende Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) daran, statisch-mechanische Stärken der Carbonfasern mit Eigenschaften zur Schwingungsdämpfung zu verknüpfen. Das wiederum würde dem Einsatz als Gehäuse von E-Motoren im Auto zugutekommen. "Wir wollen die Vorteile unterschiedlicher Faserstoffe verbinden und so ein optimal auf die Anforderungen abgestimmtes Produkt entwickeln", so Marcel Hofmann, STFI-Abteilungsleiter Textiler Leichtbau.
Dabei wollen die Sachsen von vornherein recycelte Fasern einsetzen. Der Grund ist simpel: Die Kosten betragen nur ein Fünftel bis ein Zehntel des Preises von neu hergestelltem Carbon. Dieser Preisvorteil hat aber auch einen Nachteil, denn die recycelten Fasern bedürfen einer besonderen Aufbereitung.
Doch der könnte sich lohnen. Denn durchliefen recycelte Carbonfasern nochmals den Produktkreislauf, verbessere das ihre CO2-Bilanz deutlich, so die Zuse-Wissenschaftler. Dabei gilt: Je kürzer die Carbonfasern, desto unattraktiver sind sie für die weitere Verwertung. Vor diesem Hintergrund entwickelten das Forschungsinstitut Cetex und die Papiertechnische Stiftung (PTS), beide ebenfalls zur Zuse-Gemeinschaft gehörend, ein neues Verfahren, das gerade diesen Fasern ein zweites Produktleben gibt.
Fasern nass verarbeiten
"Während klassische Textilverfahren die ohnehin sehr spröden Recycling-Carbonfasern in Faserlängen von mindestens 80 Millimetern trocken verarbeiten, beschäftigten wir uns mit einem Verfahren aus der Papierindustrie, welches die Materialien nass verarbeitet. Am Ende des Prozesses erhielten wir, stark vereinfacht gesprochen, eine flächige Matte aus recycelten Carbonfasern und Kunststofffasern", so Cetex-Projektingenieur Johannes Tietze. So könnten auch 40 Millimeter kurze Carbonfasern zu attraktiven Zwischenprodukten recycelt werden. Das danach in einem Heißpressprozess entstandene Erzeugnis diene als Grundmaterial für hochbelastbare Strukturbauteile. Zusätzlich würden die mechanischen Eigenschaften durch die Kombination mit endlosfaserverstärkten Tapes verbessert.
Industriereife Lösungen für die Verwertung von Carbonfaser-Produktionsabfällen werden zudem im Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) entwickelt. "Solche Fasern können in der Vliesherstellung zum Einsatz kommen", so die zuständige Abteilungsleiterin im TITK, Renate Lützkendorf. Neben den Entwicklungen für den Einsatz etwa in Dach oder Hintersitzschale des BMW i3 würden im TITK spezielle Vliesstoffe und Verfahren für die Herstellung von Sheet Molding Compounds, also plattenförmigen, teigartigen Pressmassen aus duroplastischen Reaktionsharzen und Glasfasern, etabliert.
Allerdings gibt es damit, ebenso wie beim Carbonbeton, einen Verbundstoff, der beim Recycling erst aufwendig getrennt werden muss. "Für das Anforderungsprofil an die Separationsverfahren und die Durchführung der Versuche zum Recycling von Carbonbeton muss bei der angestrebten stofflichen Verwertung des Abbruchmaterials zwischen zwei Recyclingszenarien unterschieden werden: Szenario 1: Aufbereitung des Abbruchmaterials durch das Brechen und das Separieren der Fraktionen; anschließende Verwertung der sortenreinen, aus dem Verbundmaterial separierten Materialienfraktionen Carbonrovingfragmente und Betonfragmente; Szenario 2: Aufbereitung durch das Brechen des Abbruchmaterials ohne die Separation der Fraktionen; anschließende Verwertung des heterogenen und nicht sortenreinen Materials", beschreibt Springer-Vieweg-Autor Jan Kortmann in seinem Buchkapitel Experimentelle Versuche zum Abbruch und Recycling auf Seite 115 mögliche Verfahren.