Die Tesla-Fabrik in Grünheide produziert bereits 1.000 Fahrzeuge am Tag. Nur: Das reicht Elon Musk nicht. Um sein Ziel von 500.000 Autos im Jahr zu erreichen, verdoppelt er mit Lean Management den Output, so Experte Thomas Schulz.
Seit Beginn der Bauarbeiten hat die Tesla-Gigafactory in Grünheide immense Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Frage, die sich dabei vielen stellt, ist, wie es dem Unternehmen gelungen ist, die Fabrik so schnell zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass mehrere Faktoren zu diesem bemerkenswerten Erfolg beigetragen haben.
Ein entscheidender Aspekt ist die Erfahrung, die Tesla aus den bereits bestehenden Gigafactorys in Fremont und Shanghai gewonnen hat. Elon Musk und die Tesla-Führungskräfte konnten auf die Erkenntnisse und bewährten Praktiken dieser Fabriken zurückgreifen, um die Bau- und Inbetriebnahmeprozesse in Grünheide effizient zu gestalten. Dies ermöglichte es, potenzielle Verzögerungen und Zeitverluste von Anfang an zu minimieren.
Ein weiterer Schlüsselfaktor ist das Tesla-Projektmanagement, das auf äußerst anspruchsvollen Zielen und Herausforderungen basierte. Das Unternehmen setzte klare Meilensteine und ehrgeizige Zeitpläne, damit der Bau der Gigafactory in Rekordzeit abgeschlossen werden konnte. Dies erforderte eine enge Koordination der verschiedenen Gewerke und eine optimierte Arbeitsweise, um Engpässe zu vermeiden und die Effizienz zu maximieren.
Lean Management: Prozesszeit gleich Durchlaufzeit
Tesla hat klare Ziele, um seine Effizienz und Produktionskapazitäten weiter zu steigern. Derzeit beträgt der Produktionstakt 45 Sekunden, was theoretisch eine Produktion von 1.800 Fahrzeugen pro Tag ermöglichen würde, wenn die gesamte Produktionszeit von 22,5 Stunden ohne Verluste genutzt werden könnte. Aktuell liegt der Output jedoch bei 1.000 Fahrzeugen pro Tag, was einer Effektivität von 55,6 Prozent entspricht und Verlustzeiten von zehn Stunden pro Tag bedeutet.
Produktionsstatus | Max | Ist | Schritt 1 |
Takt | 45 Sekunden | 45 Sekunden | 45 Sekunden |
Produktionszeit | 22,5 Stunden | 22,5 Stunden | 22,5 Stunden |
Verlustzeit | 0 Stunden | 10 Stunden | 1,1 Stunden |
100 Prozent Kapazität | 1.800 Fahrzeuge | 1.800 Fahrzeuge | 1.800 Fahrzeuge |
Effektivität | 100 Prozent | 55,6 Prozent | 95 Prozent |
Ausbringung | 1.800 Fahrzeuge | 1.000 Fahrzeuge | 1.710 Fahrzeuge |
Das erste Ziel von Tesla ist es, eine Effektivität von 95 Prozent in der Gigafactory zu erreichen. Das bedeutet, dass nur fünf Prozent der Produktionszeit, was 1,1 Stunden oder 66 Minuten pro Tag entspricht, als Verlustzeit angesehen werden. Dadurch wird es möglich, ein Fahrzeug in weniger als fünf Stunden zu produzieren. Der angestrebte Zielzustand 1 von Tesla besteht darin, alle 45 Sekunden ein Model Y mit 100-prozentiger Qualität an der letzten Station fertigzustellen. Gleichzeitig soll alle 45 Sekunden an der ersten Rohbaustation ein Karosserie-Unterbau produziert und zur weiteren Bearbeitung auf den Weg gebracht werden.
Durch den Verzicht auf Pufferplätzen zwischen den Prozessen und die Ausrichtung auf eine gleiche Taktzeit für Rohbau, Lack, Montage und Finish schafft Tesla eine Produktionsautobahn, von der alle 45 Sekunden ein Auto abfährt. Dieser Ansatz ermöglicht es dem Unternehmen, die Durchlaufzeit erheblich zu reduzieren. Dabei hat diese revolutionäre Ansatz das Potenzial, die Automobilindustrie nachhaltig zu verändern.
Herausforderung für deutsche Automobilindustrie
Der wegweisende Erfolg in der Gigafactory zeigt, dass eine reibungslose und pufferlose Produktion möglich ist und eröffnet neue Perspektiven für die gesamte Branche. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass das Tesla-System nicht einfach kopiert und in der deutschen Automobilindustrie umgesetzt werden kann. Vielmehr geht es darum, die Grundprinzipien zu verstehen, zu adaptieren und so viel wie möglich davon zu lernen und umzusetzen.
Ein Beispiel hierfür ist das Model Y, das nur mit einer hochwertigen Ausstattung erhältlich ist. Dabei sind in jedem Fahrzeug die gleichen Montageteile verbaut, was den Logistik- und Steuerungsaufwand erheblich minimiert. Ein weiterer Aspekt ist die einheitliche Gestaltung der Rohbau-Karosse, bei der überall die gleichen Blechteile verwendet werden, was zu einer Null-Varianz führt.
Teslas Innovationen in der Rohbau-Karosserieproduktion
Innerhalb der gesamten Produktionskette, vom Presswerk über Rohbau, Lack, Montage bis zum Finish, ist es aufgrund einer Vielzahl an Prozessen, Robotern und Roboter-Werkzeugen die größte Herausforderung, die Verlustzeiten durch Störungen zu reduzieren. Elon Musk und sein Führungsteam haben sich daher intensiv mit der Rohbau-Karosserie befasst und die Frage gestellt, wie sie mit minimalen Ressourcen an Material, Robotern/Werkzeugen, Fördertechnik, Fläche, Bedienpersonal und Steuerungsaufwand eine bestmögliche Rohbau-Karosserie im Vergleich zu ihren Mitbewerbern produzieren können. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist beeindruckend.
Der Unterbau wird bereits in der ersten Rohbau-Station hergestellt, wodurch zahlreiche Vorprozesse und mögliche Störquellen eliminiert werden. Dabei sorgt der gegossene Unterbau für eine nahezu perfekte Geometrie der Karosserie, was sich positiv auf die Passgenauigkeit und Qualität der Rohbau-Karosse sowie der Außenteile wie Kotflügel, Türen und Hauben auswirkt. Interessanterweise besitzt die Rohbau-Karosse jedoch kein Blech-Dach. Dieses wird in der Montage durch ein Glasdach hinzugefügt. Bis zur Lackierung ist jedes Auto in der Produktionskette identisch. Erst danach entsteht ein gewisser Steuerungsaufwand.
Tesla plant in Zukunft, die Rohbau-Karosserie nicht mehr aus 70 Elementen, sondern zunächst aus lediglich vier Teilen und später sogar aus einem einzigen Guss herzustellen. Dieser neue Fertigungsprozess, der Aluminium statt Stahl verwendet, wird das Auto sowohl kostengünstiger als auch einfacher in der Herstellung machen.
Von 1.000 auf über 2.000 Fahrzeuge pro Tag
Um seine Produktionskapazitäten weiter auszubauen, will Tesla die Verlustzeiten schrittweise reduzieren, um eine Effektivität von 95 Prozent zu erreichen. Dies würde bedeuten, dass nur noch 1,1 Stunden pro Tag als Verlustzeit anfallen würden und Tesla in der Lage wäre, rund 1.710 Fahrzeuge täglich zu produzieren. In einem zweiten Schritt soll die Taktzeit in der Produktion sukzessiv veringert werden. In der Gigafactory in Shanghai liegt die Taktzeit bereits bei beeindruckenden 32 Sekunden. Wenn Tesla es schafft, die Taktzeit auf 37 Sekunden zu reduzieren und eine Effektivität von 95,1 Prozent zu erreichen, könnte das Unternehmen täglich rund 2.080 Fahrzeuge produzieren. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet wären das etwa 500.000 Fahrzeuge.
Produktionsstatus | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 | Schritt 2 |
Takt | 44 Sek. | 43 Sek. | 42 Sek. | 41 Sek. | 40 Sek. | 39 Sek. | 38 Sek. | 37 Sek. |
Produktionszeit | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. | 22,5 Std. |
Verlustzeit | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. | 1,1 Std. |
100 Prozent Kapazität (Fahrzeuge) | 1.841 | 1.884 | 1.929 | 1.976 | 2.025 | 2.077 | 2.132 | 2.189 |
Effektivität | 95 % | 95 % | 95 % | 95 % | 95 % | 95 % | 95 % | 95 % |
Ausbringung (Fahrzeuge) | 1.749 | 1.790 | 1.832 | 1.877 | 1.924 | 1.973 | 2.025 | 2.080 |
Fazit: Diese ambitionierten Ziele zeigen deutlich, dass Tesla auf dem Weg ist, seine Produktion deutlich zu steigern und eine führende Rolle in der Automobilindustrie einzunehmen. Dennoch gibt es noch ungenutztes Potenzial und weitere Herausforderungen, denen der E-Auto-Bauer gegenübersteht, um seine ehrgeizigen Produktionsziele zu erreichen. Eine besteht darin, dass sich das Team in Berlin kontinuierlich verbessert.
Es bleibt abzuwarten, wie das Unternehmen im Vergleich zu seinen Mitbewerbern abschneiden wird. Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass Tesla in Bezug auf Produktivität und Herstellungsprozesse führend sein wird. Die Gigafactory in Grünheide stellt nur einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung von Tesla und der Elektromobilität dar.