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26.10.2018 | Projektmanagement | Best Practice | Online-Artikel

Lean Management gelingt nicht von heute auf morgen

verfasst von: Prof. Dr. Markus H. Dahm, Aaron Brückner

4:30 Min. Lesedauer

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Schlankere Produktionsprozesse, mehr Kundenzufriedenheit und weniger Kosten – das wünschen sich die meisten Unternehmen. Lean-Ansätze halfen Philips Medical Systems, dieses Ziel zu erreichen. Ein Fallbeispiel von Markus Dahm und Aaron Brückner.

Unternehmen sind einem stetigen Wettbewerbs- und Preisdruck ausgesetzt. Um am Markt erfolgreich zu bestehen, müssen Unternehmen ihre Wertschöpfungsprozesse und damit auch ihre Denkprozesse, Methoden und Vorgehensweisen ändern. Bei dieser Veränderung sind Lean-Ansätze besonders hilfreich. Lean erfolgreich einzuführen, geschieht allerdings nicht von heute auf morgen und bedarf einer professionellen Begleitung, wie das Fallbeispiel bei Philips Medical Systems zeigt, in dem es um die Verschlankung der Produktionsprozesse von Röntgenröhren geht. 

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Profitabilität zurückgewinnen bei Philips Medical Systems

Im Jahr 2011 stand Philips vor großen Problemen. Die Herausforderung war es, den verlorenen Erfindergeist wieder aufzuwecken und die im globalen Wettbewerb eingebüßte Profitabilität zurückzugewinnen. Auf die Frage, warum in Hamburg bei Philips Medical Systems seit 2013 Lean eingeführt wird, antwortet der Vollzeit Continuous Improvement Manager Gunnar Düvel: "Letztlich ist das die Antwort auf einen massiven Marktdruck. Wir können es nicht ändern, dass die Konkurrenz besser wird und wir mit sinkenden Stückzahlen zu kämpfen haben. [..] Da steht die Effizienz im Vordergrund und Lean ist dabei die beste Strategie." Die Aufgabe war es, alle Ineffizienzen in der Wertschöpfungskette zu identifizieren und durch schlankere Prozesse zu optimieren. 

Das Lean-Einführungsmodell 

In Zusammenarbeit mit einem Lean-Beratungsunternehmen wurde ein auf Philips zugeschnittenes Lean-Einführungsmodell entwickelt. In der Wertstromanalyse zeigte sich, dass die Abwicklung der Materialbestellung verbessert werden muss. Die Lean-Experten führten die Kanban-Karten ein und sparten durch ein bedarfsgerechtes Nachschubsystem Transport- und Wegzeiten ein. Es wurden auch Teile der übergeordneten Wertschöpfungskette miteinbezogen. Lieferanten können die Produktionsplanung nun über ein IT-System selbstständig einsehen und entscheiden, wie viel sie produzieren. Und auch bei der internen Qualitätssicherung wurden Neuerungen vorgenommen. Mit Hilfe von abgewandelten A3-Reports – den sogenannten 8D-Fehlerreports – werden Fehler systematisch von der Qualitätsabteilung analysiert, die Ursache gefunden und im Prozess korrigiert. 

Quantitative und qualitative Veränderungen durch Lean Management

Im Zuge der Auditierung durch die Philips-Kollegen in der niederländischen Lean-Zentrale wurden sowohl quantitative als auch qualitative Veränderungen festgehalten.

  • Einsparung von 23 Prozent der Produktionsfläche.
  • Reduzierung der Bestände von Januar 2012 bis Mai 2014 um 14 Prozent.
  • Steigerung der Effizienz der Pilotlinie in den ersten drei Quartalen im Jahr 2014 um 18 Prozent.
  • Ziel von 98 Prozent Liefertreue erreicht.
  • Erfolge des Quick and Easy Kaizen: 81 Prozent mehr Verbesserungsvorschläge als vor dem Lean Deployment – ein klares Indiz dafür, dass die Mitarbeiter mitmachen. 

General Manager Dieter Dude hebt den Erfolg des Insourcings hervor: "Wir konnten rund zehn Arbeitsplätze halten, da wir mit frei gewordenen Kapazitäten Arbeitsschritte wieder ins Haus geholt haben. Lean macht unseren Produktionsstandort sicherer. Das war ein mächtiges Signal und das merken auch die Mitarbeiter."

Nichtmessbare, qualitative Ergebnisse sind zum Beispiel in den neuen Teamstrukturen zu finden. Meister sind nun nicht mehr für eine unüberschaubare Anzahl von bis zu 35 Mitarbeitern zuständig. Stattdessen gibt es jetzt untergeordnete Teamleiter, die kleine Teams leiten. Düvel bezeichnet dies als "krasse Kulturveränderung" und Dude fügt hinzu: "Das ist ein anderes Bewusstsein für die Arbeit als früher. Es wird an einem Strang gezogen." Zwischenzeitlich stellte die Veränderung hin zu einer tayloristischen Arbeitsorganisation eine Herausforderung dar, denn wo früher ein Mitarbeiter einen Generator von Anfang bis Ende gefertigt hat, sind die Arbeitsschritte nun verkleinert worden. 

"Das ist für viele echt schwer zu verdauen. Wir sind hier durch ein Tal der Tränen gegangen", sagt Düvel. "Es gibt nicht mehr das eigene Werkzeug und es kann keiner mehr seine Pausen festlegen, wie er es will. Diese Ineffizienzen können wir uns nicht mehr leisten." Mittlerweile sind die Betroffenen zufrieden mit der neuen Arbeitsweise, denn eines haben die Lean-Verantwortlichen gelernt: "Sie müssen bei solchen Veränderungen die Mitarbeiter mitnehmen. Erklären Sie ihnen das Warum und lassen sie mitgestalten", betont der Standortleiter Dude. Mit einem einfachen Flipchart auf dem Shopfloor als Problemparkplatz habe das Team gute Erfahrungen gemacht und alle Bedenken und Probleme konnten frühzeitg aufgegriffen werden.

Die positive Stimmungsentwicklung in der Belegschaft gewinnt auch durch die halbjährliche Lean-Zufriedenheitsbefragung an Haptik. Die Befragung dauert nicht länger als fünf Minuten und wird anonym in einer Box gesammelt – mittlerweile liegt die Beteiligung bei 80 Prozent.

Fazit: Das skizzierte Fallbeispiel bei Philips Medical Systems lehrt folgendes: "Wenn die Führungskräfte nicht exakt vorleben, was von den Mitarbeitern auf der Fläche erwartet wird, brauchen Sie mit einem Lean Deployment gar nicht anzufangen", so Dieter Dude. Nach den Aussagen der Lean-Verantwortlichen in Hamburg macht dieser Faktor 50 Prozent einer positiven Erfolgsaussicht aus. Lean Leadership findet demnach nicht am Flipchart im Büro, sondern an der Werkbank auf dem Shopfloor statt. Dieses Wissen ist weit verbreitet – aber nicht das notwendige Bewusstsein. 

"Die Ruhe zu bewahren, um trotz Zeitdruck die Sinnhaftigkeit und die Erwartung an eine Maßnahme zu klären, ist eine große Herausforderung“, resümmiert Düvel und gibt dies als Empfehlung an Manager in ähnlichen Lean-Projekten weiter. Außerdem dürfe Lean nicht als Selbstzweck dienen, sondern sollte immer aus wirtschaftlichen und unternehmerischen Gründen angewendet werden. Der Head of Continuous Improvement Düvel fasst abschließend zusammen: "Manche machen ihr Geschäft und wenn sie Zeit haben ein bisschen Lean. Das ist der falsche Ansatz. Wir erreichen unsere Ziele, indem wir Lean machen."

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Quelle:
Lean Management

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