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2023 | Buch

Geographische Bildung in digitalen Kulturen

Perspektiven für Forschung und Lehre

herausgegeben von: Fabian Pettig, Inga Gryl

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Welche Herausforderungen für Forschungs- und Lehrkontexte bedingt die tiefgreifende Transformation alltäglicher Räume und Mensch-Umwelt-Verhältnisse in einer Kultur der Digitalität? Und wie lassen sich die hierin liegenden Potenziale für geographische Bildungsprozesse heben?

Der vorliegende Band widmet sich diesen übergeordneten Fragestellungen und nimmt ernst, dass die Anforderungen an das Fach Geographie weit über technikfokussierte Ansätze, wie die Anwendung Geographischer Informationssysteme (GIS) im Klassenzimmer, hinausgehen. Ein Ziel sollte die Befähigung der Schüler*innen zum mündigen Medienhandeln in einer digital und medial durchdrungenen Welt sein. Phänomene wie hybride Räume, Smart Cities und Algorithmizität verlangen nach reflektierter und fachlicher Aufarbeitung digitaler Geographien als Bildungsinhalte, um ein geographisches Lernen mit, über und durch digitale Medien, sowie auch eine geographische Bildung in digitalen Medien zu ermöglichen.

Dieser Aufgabe nimmt sich der Band aus zehn Perspektiven an, die die deutschsprachige wissenschaftliche Community der Geographiedidaktik gemeinschaftlich entwickelt hat. Sie loten Aufgaben, Handlungsfelder und Gelingensbedingungen geographischer Bildung in digitalen Kulturen aus. Drei Beitragskategorien bieten innerhalb der einzelnen Perspektiven Orientierung: Basiskommentare, die konzeptionelle Grundlagen darstellen; Forschungsbeiträge, die zur theoretischen wie auch empirischen Klärung beitragen und Good Practice-Beispiele, die Einblicke in Hochschul- und Schulpraxis gewähren. Die Perspektiven sind vielfach verwoben, stehen aber stellenweise auch in Spannung zueinander. Allen Beiträgen gemein ist, dass sie nach Wegen suchen, einen kritischen Umgang mit den Möglichkeiten und Herausforderungen des Digitalen wie auch eine emanzipierte Teilhabe in digitalen Kulturen zu etablieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Perspektiven auf Geographieunterricht in einer Kultur der Digitalität
Eine Heterarchie

Eine Kultur der Digitalität geht mit komplexen Transformationsprozessen einher. Davon betroffen sind im besonderen Maße alltägliche Raumbezüge und Mensch-Umwelt-Verhältnisse, was die Notwendigkeit und Chance geographischer Bildung in einer digital geprägten Welt andeutet. Das Positionspapier des Hochschulverbands Geographiedidaktik „Der Beitrag des Fachs Geographie zur Bildung in einer durch Digitalisierung und Mediatisierung geprägten Welt“ (HGD, 2020) übersetzt diese Anforderungen in zehn Perspektiven, die vor diesem Hintergrund in den Feldern Unterricht, Lehre und Forschung in geographischer Bildung Denkanstöße zur Weiterentwicklung geben sollen. Dieses Kapitel beschreibt die kollaborative Genese des Papiers zwischen Theorie-/Praxisbezug und fachpolitischer Orientierung. Zugleich wird ein erstes Modell vorgestellt, mit dem die im Papier angelegten vielfältigen Paradigmen zwecks Orientierung, aber auch als Denk- und Reflexionsanstoß sortiert und einer vertieften Diskussion geöffnet werden können.

Fabian Pettig, Inga Gryl

Teil I

Frontmatter
2. Nachhaltige Digitalisierung?
Zum Wandel von Diskursen, Sozialbeziehungen, Technik und Alltagspraxis

Die Digitalisierung steht für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel – u. a. im Hinblick auf soziale Beziehungen, wirtschaftliche Aktivitäten und die Rekonfiguration, aber auch Verfestigung von Machtverhältnissen. Dabei fällt auf der Ebene der öffentlich geführten (deutschsprachigen) Diskussionen um Digitalisierung ein deutlicher Technikskeptizismus und teilweise -determinismus auf: Das Digitale wird vor allem als der Gesellschaft äußere Kraft verstanden, die innerhalb der Gesellschaft Veränderungen fordert und anstößt. Technik erscheint aktiv und Gesellschaft als eher passiver Resonanzraum. Neue kulturwissenschaftliche und techniktheoretische Ansätze machen demgegenüber eine Perspektive der praktischen Verwobenheit, der Koevolution von Digitalität und Alltagspraxis stark. Eine sozial und ökologisch nachhaltige Digitalisierung müsste demnach nicht nur Nachhaltigkeit im klassischen Sinne befördern (z. B. Ressourcenverbrauch digitaler Infrastruktur senken, nachhaltige soziale und ökonomische Praktiken mit digitalen Mitteln fördern), sondern grundlegender auch gängige alltägliche technikdeterministische Deutungsmuster (Technik steuert Gesellschaft) aufbrechen. Eine neue praktische Erfahrung des Räumlichen kann hierfür ein wichtiges Beispiel geben, indem etwa der zunehmend immersive Charakter von Geomedien gestärkt und im Zuge dessen die zunehmend „nahtlose“ Verschränkung von context (Medien im Raum) und content (Raum in den Medien) realisiert wird.

Tilo Felgenhauer
3. Virtual Reality, Körper und Stadt
Ein Lehrkonzept zur Produktion von VR-Exkursionen

In diesem Kapitel wird ein Format für die geographische Hochschullehre vorgestellt, mit dem Fachwissen zu nachhaltigen Gesellschaft-Umwelt-Transformationen in Städten vermittelt und zugleich eine reflektierende und kritische Position zur Virtual-Reality-Technik als Vermittlungstool angeregt werden kann. Studierende und Dozierende gestalteten gemeinsam Arbeits- und Lernwege, um städtische Praktiken in Virtual-Reality-Exkursionen (VREX) sichtbar und erfahrbar zu machen. Das Kapitel stellt den Prozess vor, wie Studierende von der konzeptionellen und empirischen Auseinandersetzung mit dem Fachgegenstand (z. B. im Zuge einer Exkursion) zur Produktion und dem Design der digitalen VR-Exkursion gelangen können. Dieser Prozess orientiert sich in seinen Phasen an einer Spurenmethodologie. Für den Prozess leitend ist die Annahme, dass VR immer dann zum Einsatz kommen sollte, wenn für das Verstehen von Fachgegenständen die körperbezogene Perspektive durchdacht und reflektiert werden soll.

Katharina Mohring, Nina Brendel
4. Erkenntnisse aus einer körpersensiblen Lehre mit und zu dem digitalen Medium VR
Potenziale für eine nachhaltigkeitsbezogene geographische Bildung

Nutzer*innen von Virtual Reality erleben die virtuellen Umgebungen sehr immersiv, mit vielfältigen affektiven und emotionalen Reaktionen. Diese körperbezogene Komponente stellte eine zentrale Grundlage für die vorgestellte lehrveranstaltungsbegleitende Forschung dar. Studierende im Lehramt Geographie produzierten hierbei eigenständig und selbstgesteuert VR-Exkursionen im Themenfeld zukunftsfähiger Städte. Das zugrunde liegende Lehrkonzept vereinte einen konstruktivistischen Zugang zum Fachgegenstand und eine konstruktivistische Exkursionsdidaktik mit phänomenologischen Methoden zum körpersensiblen Erfahren von Stadt. Die Studierenden setzten Körper-Umgebungs-Verhältnisse in Bezug zum Fachgegenstand und zum Medium VR und transferierten dies in eine virtuelle Lernumgebung. Die körpersensible Ausrichtung des Lehr-Lernformats ermöglicht es im Sinne einer kritisch-emanzipatorischen Bildung zu einem Lernen ‚als‘ Nachhaltigkeit und ‚mit bzw. durch‘ Medien zu gelangen.

Katharina Mohring, Nina Brendel

Teil II

Frontmatter
5. Geographie als Weltbeziehungsbildung
Zur Bedeutung von Respekt, Reflexivität und Resonanz

Das Aufhalten von Kindern und Jugendlichen in digitalen Welten wird kontrovers beurteilt. Inwiefern findet geographische Bildung aber nicht genau dort statt? Unter welchen Bedingungen ist es möglich, solche Bildung anzuleiten? Inwiefern vermittelt sie lebensweltbezogene Fähigkeiten sowie fachliche Konzepte im Umgang mit digitaler Geoinformation? In diesem Basiskommentar erschließe ich zunächst die Lebenswelt als Bedingung von Fachlichkeit. Dabei zeigt sich auch die Bedeutung des Respektierens fremder Lebenswelten in der Praxis der Vermittlung. Dann wende ich mich den Ermöglichungen und den (machtdurchdrungenen) Einschränkungen digitaler Kulturen zu und betone die Bedeutung von Reflexivität in den reziproken Praktiken des Lehrens und Lernens. Schließlich begründe ich, warum auch eine theoriegeleitete Befassung mit Resonanz für die Diskussion und die künftige Entwicklung einer geographischen Bildung als „Weltbeziehungsbildung“ in digitalen Kulturen lohnend scheint.

Antje Schlottmann
6. Mit WebGIS und digitalen Geowerkzeugen Fach- und Medienkompetenzen für das 21. Jahrhundert entwickeln
Herausforderungen, Gelingensbedingungen und Unterrichtsbeispiele

WebGIS-Anwendungen gehören mittlerweile in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen, in denen Geodaten genutzt werden, zum Standard und sind auch in der Schule nicht neu. Die Diskussion über die Anforderungen zur kognitiven Anregung der Lernenden, über Möglichkeiten der fachlichen sowie der überfachlichen Kompetenzentwicklung und die inhaltliche Einbindung ist jedoch mit der wachsenden Bandbreite professioneller und neuer Vorgaben in den Curricula für die Schule weiter vorangeschritten. Beispiele aus dem und Gelingensbedingungen für den Geographieunterricht mit dem Ziel, die Schüler*innen auf das Leben in der digitalisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, werden in diesem Kapitel vorgestellt.

Sebastian Pungel, Dietmar Steinbach
7. Flipped Classroom unter der Lupe!
Ansprüche an eine lernprozess-differenzierte, fachbezogene digitale Geographieausbildung

In diesem Kapitel wird ein Modell entwickelt, das die Entwicklung und Bewertung von Lehrveranstaltungen in der geographiedidaktischen Ausbildung erlaubt, wenn Lehrende neben fachbezogenen auch digitale Kompetenzen vermitteln und Lernwege differenziert gestalten wollen. Das Modell wird dann für die Analyse einer Veranstaltung an der Pädagogischen Hochschule Zürich verwendet, die nach Flipped Classroom unterrichtet wurde. Dabei wird deskriptiv anhand von Kriterien und der Einschätzung von Studierenden untersucht, ob sich Flipped Classroom für die oben genannten Ansprüche eignet. Schließlich werden daraus Empfehlungen abgeleitet, worauf bei der Entwicklung entsprechender Lehrveranstaltungen zu achten ist.

Monika Reuschenbach

Teil III

Frontmatter
8. Basiskonzepte als Ausgangspunkte fachlich-unterrichtlicher Erschließungen digitaler Kulturen
Grundorientierung und Ergänzungsnotwendigkeiten

Geographieunterricht soll einen Beitrag dazu leisten, Schüler*innen zu einer reflektierten Teilhabe an digitalen Kulturen zu befähigen. Damit ist das Fach aufgefordert, auch unter den Bedingungen der Digitalisierung dazu beitragen, mit Hilfe fachlicher Konzepte und Methoden gesellschaftlich relevante Probleme zu identifizieren, zu analysieren und Lösungsoptionen auf individueller und kollektiver Ebene zu erarbeiten. Bislang haben sich die Curricula dabei u. a. auf Basiskonzepte gestützt, die jedoch die Digitalisierung nur randlich berücksichtigen. Dieses Kapitel versucht, die gegenwärtigen Basiskonzepte anhand von Beispielen für ihre Anwendbarkeit in der digitalen und (geo-)medialen Welt zu analysieren, und schlägt aus dieser Analyse heraus eine begrenzte Anpassung der heutigen Basiskonzepte vor. Dazu sind jedenfalls Ansätze der politischen Bildung sowie einer emanzipatorischen Fachdidaktik zu verfolgen.

Thomas Jekel, Herbert Pichler
9. „Computational Thinking“ im GW-Unterricht
Ein Beitrag der geographischen Bildung zur digitalen Grundbildung

Computational Thinking ist einer von acht Kompetenzbereichen der digitalen Grundbildung, die von der fünften bis zur achten Schulstufe an Österreichs Schulen verpflichtet vermittelt wird. Ihr zentrales Anliegen ist das Verstehen von Wirkmechanismen, Regeln und Algorithmen in unserem von Digitalität durchdrungenen Alltag. Hier setzt das Unterrichtsbeispiel an, das auf Wegbeschreibungen und Routensuche fokussiert und Basiskonzepte der geographischen Bildung wie space und place sowie Wahrnehmung und Darstellung verwirklicht.Aktive Handlungsentscheidungen eröffnen den Lernenden Chancen auf Partizipation, sodass auch der Beitrag von Geomedien zur „politischen Kompetenz“, dem dritten Aspekt der digitalen Grundbildung, deutlich wird. Dies ist auch Teil des Kompetenzmodells der Spatial Citizenship Education, wodurch ein Beitrag zur geographischen Bildung deutlich wird.

Claudia Breitfuss-Horner, Alfons Koller
10. Ungleichheit in geomedienbasierten Bildungskontexten
Beiträge einer intersektionalen und soziokritischen Perspektive zu Spatial Citizenship

Dieses Kapitel stellt, ausgehend von einem soziokritischen Ansatz der Medienbildung und der Intersektionalitätsforschung, unterschiedliche Metaperspektiven auf digitale, geomediengestützte Raumaneignungsprozesse von Kindern (und Jugendlichen) dar. Hierbei werden Ungleichheitsstrukturen und Machtverhältnisse in Bildungskontexten rund um die Produktion, Rezeption und Reflexion digitaler Geomedien (z. B. Volunteered Geographic Information, Bildung zu Spatial Citizenship) vorgestellt, die in der Gestaltung von Lernumgebungen in diesen Kontexten mitgedacht und reflektiert werden sollten. Dabei geht es in diesem Kapitel zum Beispiel um Fragen nach materieller Ausstattung, Zugänglichkeit, aber auch (Möglichkeiten der) Repräsentation auf unterschiedlichen Geomedienplattformen und wie diese Faktoren von (angehenden) Lehrkräften berücksichtigt und abgemildert werden können.

Jana Pokraka

Teil IV

Frontmatter
11. Mündigkeit als Leitwert geographischer Bildung in einer Kultur der Digitalität
Dimensionen und Konzepte

Im Kontext einer Kultur der Digitalität wird das Ende der bedingungslosen Unterwerfung des Menschen gegenüber Digitalisierungsprozessen proklamiert. Daher verwundert es auch nicht, dass der Begriff der Mündigkeit in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Damit einhergehend stellt sich die Frage, was mündigkeitsorientierte Bildungsprozesse kennzeichnet. Hierauf bezugnehmend werden wir Dimensionen einer mündigkeitsorientierten Bildung definieren. Darauf aufbauend werden Bildungskonzepte, wie z. B. Spatial Citizenship Education und integrierte Ansätze der Medienbildung, vorgestellt, die es ermöglichen, die unterschiedlichen Dimensionen einer mündigkeitsorientierten Bildung zu fördern, damit Jugendliche in der digitalen Gesellschaft mündig agieren können. Abschließend erweitern wir den Blickwinkel und ordnen unsere Ausführungen in den Perspektivrahmen der „Digitalen Souveränität“ ein.

Detlef Kanwischer, Christian Dorsch
12. #Saubere Energie
Mit Hilfe digitaler (Geo-)Medien zur mündigen Teilhabe im Rahmen einer kritischen Bildung für nachhaltige Entwicklung

Eine mündige Teilhabe an der digitalen Welt zu unterstützen, ist ein wichtiges Ziel von Geographieunterricht und damit eine wesentliche Anforderung an die universitäre Lehrkräftebildung.Anhand eines Seminarkonzeptes wird die Rolle sozialer Netzwerke und Onlinedienste zum Thema „Saubere Energie“ im Kontext einer kritischen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) dargestellt, indem die Lehramtsstudierenden die mediale Repräsentation von Wirtschafts- und Energieunternehmen analysieren sowie kritisch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsdebatte sowie das Konzept BNE reflektieren. Dazu werden ein Stufenmodell kritisch-reflexiven Denkens für die Lehrkräftebildung genutzt sowie partizipativ Handlungsempfehlungen für die zukünftige Unterrichtstätigkeit sowie die eigene Professionalisierung von Lehrkräften abgeleitet.

Miriam Kuckuck, Anne-Kathrin Lindau
13. Mündige Entscheidungen in digitalen Spielen
Modellentwicklung und Ergebnisse aus qualitativen Interviews mit Game Designern

Digitale Spiele, die Themen wie Stadtentwicklung, Migration, Klimawandel und nachhaltige Ressourcennutzung behandeln, bieten vielfältige Möglichkeiten zur Unterstützung von Lern- und Bildungsprozessen im Geographieunterricht. Das vorliegende Kapitel widmet sich der bislang vernachlässigten Frage, ob und unter welchen Bedingungen Strategiespiele speziell auch zur Förderung der mündigen Entscheidungsfindung beitragen können. Dazu wird zunächst ein präskriptives Modell eingeführt, welches skizziert, wie Entscheidungssituationen in Strategiespielen designt werden sollten, um mündiges Spielhandeln zu begünstigen. Im Anschluss wird mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse von Interviews mit Designern von kommerziellen Unterhaltungsspielen belegt, dass auch sie den Prämissen des Modells weitgehend folgen, d. h. ihren Spieler*innen mündige Entscheidungen ermöglichen (wollen). Zugleich werden aber auch die Grenzen der mündigen Entscheidungsfindung in kommerziellen Produkten aufgezeigt, die es bei einem Einsatz der Spiele im Geographieunterricht zu berücksichtigen und mit den Schüler*innen zu thematisieren gilt.

Alexandra Budke, André Czauderna

Teil V

Frontmatter
14. Plattformurbanismus
Plattformvermittelte Raumproduktionen und Alltagspraktiken in der digitalen Stadt

Städtische Raumproduktionen werden zunehmend über Plattformökonomien vermittelt, in denen Smartphones die Schnittstellen zur datafizierten Stadt darstellen. Dieses Kapitel fokussiert diesen Ausschnitt mikropolitischer und technosozialer Alltags- und Arbeitskultur am Beispiel der on-demand bzw. gig-economy (Helpling, Lieferando, Uber usw.). Damit rückt das Smartphone sowohl als Digital Companion, als zentrales Element verkörperter Alltagspraktiken, als auch als Teil von Digital Companies, von Plattformunternehmen und -arbeit, in den Blick: Beide Aspekte urbaner Digitalisierung „aus der Hosentasche“ werden unter dem Begriff Plattformurbanismus erfasst und kontextualisiert. Das Kapitel veranschaulicht auf diese Weise Plattformurbanismus als Konzept zur Analyse einer im Werden befindlichen städtischen Realität und als Vorschlag für einen Zugang zur geographischen Auseinandersetzung mit digitalen Kulturen in der Stadt.

Yannick Ecker, Anke Strüver
15. Eine Welt aus Daten
Wechselwirkungen zwischen (Geschäfts-)Modellen, Praktiken, Privatsphäre und Weltaneignung

Der Basiskommentar zu den Wechselwirkungen zwischen (Geschäfts-)Modellen und entsprechenden Praktiken auf der einen Seite und Privatsphäre und Weltaneignung auf der anderen erläutert die Grundlagen einer datenbasierten Transformation. Diese bringt durch neue Basistechnologien wie Data Analytics neue (Geschäfts-)Modelle und Praktiken wie die Nutzung von Big Data hervor. Entsprechende Auswirkungen zeigen sich unter anderem in einer individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung im Bereich der gefühlten Privatsphäre und in der Frage nach dem Zugang zur Welt, wenn digitale Services und Algorithmen den Alltag mitprägen. Am Beispiel von Tracking und Navigation werden Impulse für die Reflexion möglicher Auswirkungen formuliert. Abschließend zeigen fünf Beispiele, wie geographische Bildung die komplexen Wechselwirkungen als Lehr-Lerninhalt implementieren kann. Dabei werden geographischer Fachinhalt mit Medienanalyse und -kritik verknüpft und die technologische, anwendungsbezogene und gesellschaftlich-kulturelle Perspektive von digitaler Bildung betont.

Nikolai Rohmann
16. (Un-)Sichtbarkeit im Geoweb – was Privatsphäre bei der Nutzung digitaler Geomedien bedeutet
Implementierung einer geographiedidaktischen Lernumgebung für einen reflektierten Umgang mit digitalen Geomedien

Oft erfolgt eine polarisierende Auseinandersetzung mit der Digitalisierung im Sinne ihrer Potenziale oder Risiken. Zwischen Befürwortung und Ablehnung zeigen sich Komplexität, Mehrdeutigkeit und Unsicherheiten dieser Entwicklung. Auf der einen Seite versprechen digitale Geomedien eine intuitive Nutzung, Vernetzung und effektivere Kommunikation sowie Orientierung; andererseits steht ihrem Gebrauch die Angst vor einem willkürlichen Datensammeln und der Überwachung gegenüber. Das Thema Datenschutz erfordert auch in der geographischen Bildung ein gesteigertes Bewusstsein und Wissen, denn Daten sind aufgrund der Möglichkeit räumlicher Verortung Teil unserer Identitäten. Schüler*innen sollen dafür sensibilisiert werden, dass ihr Handeln zunehmend auch in virtuellen Räumen Spuren hinterlässt, um somit eigene Verantwortung beim Nutzen digitaler Geomedien anzubahnen und sich trotz der Komplexität und Unsicherheit bewusst zu positionieren.

Romy Hofmann

Teil VI

Frontmatter
17. Orientierung-Ermöglichen für eine digitale Berufswelt
Future Skills, Zukünfte-Denken und #MenschseinMenschbleiben

Die Berufswelt wird aktuell im Zuge der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Technologien förmlich auf den Kopf gestellt. Dieses Kapitel skizziert – nach einer argumentativen Verankerung der Perspektive #6 – vier Fachinhalte mit geographischem Erkenntnisinteresse. Dabei wird dem Orientierung-Ermöglichen als pädagogischer Haltung genauso Raum gegeben wie den Belangen der Future Skills, Postdigitalität, Zukunftsforschung und Digital-Ethik. Zentral sind dabei die Fragen Was ist Menschsein? und Was bedeutet Menschbleiben? sowie die Kreation von Imaginary-Future-Landmarks als Elemente der Orientierung. Abgerundet wird das Kapitel mit zehn Vorschlägen, wie weitere Entwicklungen anknüpfen können. So zum Beispiel die Stärkung des geographiebasierten Future Skills Cosmopoliteracy oder die Forderung nach einer Geographie, die die vielschichtige Auseinandersetzung mit Sinn-Dimensionen explizit sucht.

Angelika Neudecker
18. GIS-Kompetenz als Future Skill für geographiespezifische Berufsfelder
Fünf Good-Practice-Beispiele und ihre didaktische Konzeption

Die rasante Entwicklung der Geographischen Informationssysteme (GIS) und die wachsende Verfügbarkeit an räumlichen Daten haben die Berufsfelder von Geograph*innen und die Anforderungen an ihre Fähigkeiten maßgeblich verändert. GIS-Kompetenz gilt seit einigen Jahren als Schlüsselqualifikation von Absolvent*innen des Universitätsfachs Geographie. In diesem Kapitel werden fünf erprobte Beispiele von Geographie-Lehrenden mit langjähriger Erfahrung im GIS-Bereich der sekundären und tertiären Stufe vorgestellt, die auf die Perspektive #6 fokussieren. Die Good-Practice-Beispiele zeigen, wie Lernende mit MEVAP – einem berufsorientierten Arbeitsmodell – auf die neuen Anforderungen vorbereitet werden und wie Lehrende authentische Lernumgebungen im Fach Geographie mit direkten Bezügen zu veränderten Berufsfeldern schaffen können. Das Kapitel zeigt auch, wie das MEVAP-Modell ins GIS-Curriculum bestehender Konzepte adaptiert werden kann. Abschließend werden Vorschläge genannt, wie die GIS-Kompetenz bereits in der Ausbildung von Geographielehrer*innen gefördert werden kann, und auf die Dringlichkeit hingewiesen, die das Fach Geographie auch in Zukunft unverzichtbar macht.

Christian Sailer, Marcel Engel, Jonathan Otto, Jan Wilkening
19. Zukunftsszenarien der Arbeitswelt von Geograph*innen
Zwischen Schiffbruch und Pole-Position

Zwei Projekte werden in diesem Kapitel vorgestellt, die auf die Perspektive #6 fokussieren: Erstens, die Lehrveranstaltung Work 4.0: Entwicklungsszenarien der Arbeitswelt von Geograph*innen, die das Ziel verfolgt, Studierenden des Faches Geographie eine Orientierung über den Wandel der sie betreffenden Berufswelt zu ermöglichen. Zweitens, die Projektstudie selbst, die als qualitative Studie von den Studierenden der genannten Lehrveranstaltung durchgeführt wurde. In dieser werden elf Expert*innen zur Zukunft ihres Arbeitsfeldes anhand eines Leitfragebogens interviewt. Die Auswertungen lassen u. a. folgende Hypothesen zu: Den zukünftigen Entwicklungen wird mit einer positiven Grundhaltung begegnet, die auch umfasst, dass die Beschäftigten sich den zukünftigen Herausforderungen gewachsen fühlen. Im Gegenzug zeigen die Ergebnisse, dass ein Defizit an Futures Literacy vorhanden ist und ein Bedarf besteht, Knowhow und Strategien für die Zukunft zu erarbeiten. Das wichtigste Future Skill ist auch im geographischen Kontext – laut der Umfragen – die Kommunikationskompetenz. Vorschläge, wie positive Entwicklungen befeuert werden können, runden das Kapitel ab, wobei das Durchführen von Studienprojekten (analog zu dem hier beschriebenen) und die Verzahnung der Themen Wandel der Arbeitswelt, Zukunftsforschung, Ethik und Future Skills im Zentrum stehen.

Angelika Neudecker, Julia Bäck, Lukas Biskup, Julian Bohnenkamp, Christian Gutsmann, Veronika Kukota, Lars Makarowsky, Steven Müller, Luis Roshoff, Marc Timon Saß, Katharina Topp, Julian Trampel

Teil VII

Frontmatter
20. Hybridität, Code, Netzwerk
Konturen eines neuen Raumkonzepts für die Geographiedidaktik?

Am Beispiel des globalen Phänomens Pokémon Go, einem 2016 weltweit erschienenen und nach wie vor sehr erfolgreichen Augmented-Reality-Videospiel, widmet sich dieses Kapitel räumlichen Implikationen gegenwärtiger Entwicklungen der digitalen Durchdringung von Alltag und Lebenswelt in ihrer vermittlungspraktischen Relevanz. Unter Rückgriff auf verschiedene Ansätze aus (Medien-)Geographie und Techniksoziologie legen wir in drei Suchbewegungen Merkmale digitalbezogener Räumlichkeit frei, die den konzeptionellen Rahmen der vier Raumkonzepte berühren und zugleich überschreiten: Hybridität, Code und Netzwerk. Wir verstehen diese Merkmale als Konturen eines neuen Raumkonzepts für die Geographiedidaktik, den wir als Raum als Prozess transduzierter Hybrid-Beziehungen, kurz: transduzierter Raum, bezeichnen. Abschließend formulieren wir einen Vorschlag, wie dieses Raumkonzept als Aktualisierung bestehender Perspektiven auf Raum für die geographiedidaktische Diskussion fruchtbar werden könnte.

Fabian Pettig, Inga Gryl
21. Urbane Kulturen der Digitalität als Bildungsanlass
Ein geographiedidaktisches Seminarkonzept zum Thema „Smart City“

Im Rahmen dieses Kapitels wird das Konzept der Smart City als Beispiel einer digital durchdrungenen Lebenswelt präsentiert und im Spiegel von (digitalen) Raumtheorien reflektiert. Der Fokus des Kapitels liegt dabei auf der Herausarbeitung von Bildungsanlässen, die anhand von fünf Bausteinen für eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung in der schulischen oder universitären Bildungspraxis konkretisiert werden.

Stephanie Mittrach, Christian Dorsch, Andreas Eberth
22. Raumkonstruktionen in sozialen Medien
Empirische Befunde zur Digitalisierung räumlicher Lebenswelten von Jugendlichen

Soziale Medien sind für Jugendliche alltägliche Begleiter, in denen sie ihre Erfahrungen mit anderen teilen und vice versa. Hierbei wird auch über konkrete Orte und Räume kommuniziert. Vor diesem Hintergrund adressiert das Kapitel folgende Frage: Welche Wahrnehmungsmuster und Rezeptionsprozesse auf Raum entstehen bei Jugendlichen vor dem Hintergrund der veränderten räumlichen Bedeutungszuweisung in den sozialen Medien? Mittels einer Interviewstudie wird sichtbar, dass Räume kuratiert und in einer bestimmten Ästhetik dargestellt werden, womit Orte neue Bedeutungszuschreibungen erhalten, die nur durch das Zusammenspiel von Software und Nutzer*innen generiert werden können. Gleichwohl werden aber auch räumliche Ungleichheiten in sozialen Medien fortgeschrieben und segmentierte Raumbilder erzeugt. Diese Befunde verdeutlichen, dass soziale Medien sich anbieten, um im Geographieunterricht in das Thema Raumkonstruktionen einzuführen und zugleich eine Reflexion des eigenen ortsbezogenen Handelns anzuleiten.

Christina Reithmeier, Detlef Kanwischer

Teil VIII

Frontmatter
23. „Kunden wie du kauften auch …“
Identitätskonstruktionen durch Algorithmen

Die Mechanismen der Digitalität beeinflussen unser Handeln, unsere Bindungen und Identifikationen – nicht zuletzt auch in Bezug auf als Räume wahrgenommene Lebenswelten. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den daraus folgenden Konsequenzen für das Individuum. Die Theorie der raumbezogenen Identität (Weichhart, 1990) dient dabei als Ausgangspunkt und wird auf die Bedingungen der Digitalität übertragen. Anhand von Beispielen wird aufgezeigt, wie wahrgenommene Räume Teil unserer Identität werden können, was wir beispielsweise durch Verwendung ortsbezogener Hashtags zum Ausdruck bringen. Durch Algorithmen werden Beiträge in den sozialen Medien in neue Zusammenhänge gebracht. Die dabei transportierten Identitätsanregungen haben das Potenzial, unsere Identität zu beeinflussen. Abschließend werden Ansätze aus der Geographiedidaktik präsentiert, die zu einem reflexiven Umgang mit den Identitätskonstruktionen beitragen können.

Christian Dorsch
24. Algorithmisches Lernen im Sachunterricht
Kompetenter Umgang mit Daten am Beispiel von digitalen Geomedien

Digitale (Geo-)Medien sind im Alltag omnipräsent und beeinflussen zunehmend Verhaltensmuster und Sozialisationsprozesse sowie Kommunikation und Freizeitverhalten. So werden bereits Kinder in ihrem Alltag beispielsweise mit geographisch ausgerichteten App-Anwendungen auf Tablets oder Smartphones – teilweise mit location-based-services – sowie von klein auf durch das Navigationsgerät im Auto der Eltern mit digitalen Karten und den damit einhergehenden Nutzungsmöglichkeiten sowie Servicediensten konfrontiert. Ausgehend von dem Lebensweltbezug im Sachunterricht (GDSU, 2013) und der Allgegenwärtigkeit dieser standortbezogenen Geoinformationsaustauschsysteme, erfordert das Mediale Lernen in der Grundschule eine entsprechende sachunterrichtliche Auseinandersetzung im Sinne der grundlegenden und kritischen Einschätzung digitaler (Geo-)Medien; insbesondere mit Bezug auf digitale Artefakte und Daten, die bei der Nutzung produziert werden. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangsbedingungen beschäftigt sich dieses Kapitel mit den Auswirkungen algorithmischer Steuerung im Alltag und den Möglichkeiten für eine sachunterrichtliche Auseinandersetzung im Rahmen des Lernens mit und vor allem über Medien an einem Beispiel der Nutzung digitaler Geomedien.

Markus Peschel, Sarah Bach, Isabel Seibert
25. „Meine Identität ist viele“
Identitätskonstruktion(en), Selbstverortungen und Fremdzuschreibungen von Jugendlichen in digitalen Kulturen

Anhand des Konzeptes und ausgewählter Ergebnisse eines universitär-schulischen Forschungsprojektes werden in diesem Kapitel fachdidaktische und schulpraktische Anknüpfungspunkte zur Bearbeitung des Themenfeldes jugendlicher Identitätskonstruktionen in der Migrationsgesellschaft im Kontext von Digitalisierung und Nutzung sozialer Medien diskutiert. Die Forschungsergebnisse, die auf einer umfassenden Fragebogenerhebung unter Wiener Jugendlichen sowie Gruppendiskussionen und Workshops mit den am Projekt beteiligten Schüler*innen beruhen, zeigen die Bedeutung sozialer Medien in den Identitätsbildungsprozessen von Jugendlichen. Teil einer Gruppe in sozialen Medien zu sein ist für viele identitätsstiftend. Soziale Medien werden als Sammelbecken Gleichgesinnter interpretiert, unabhängig davon, ob man die Gruppenmitglieder persönlich kennt oder nicht. Die Reflexion der eigenen Medienhandlungen verdeutlichte die intensive Verwobenheit des eigenen Tagesablaufs mit beinahe permanenter Mediennutzung, wobei die eigene mediale Involviertheit von den Schüler*innen durchwegs unterschätzt wurde.

Christiane Hintermann, Herbert Pichler

Teil IX

Frontmatter
26. „Come in: We’re open“
Zur Theorie und Praxis offener Bildungsressourcen in der geographischen Bildung

Die Diskussion über Open Educational Resources (OER) hatte ihren Ausgangspunkt Ende der 1990er-Jahre im Zuge der Open-Access- und Open-Source-Bewegungen und war von Anfang an mit der Diskussion um die Entwicklung von Open Educational Practices (OEP) verknüpft. Die theoretischen und praktischen Konzeptionalisierungen von OER und OEP, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt haben, sind sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von der Entwicklung von freien Bildungsmaterialien über den Aufbau von förderlichen Rahmenbedingungen des Lernens bis hin zu einer Erweiterung individueller und kollektiver Handlungs- und Erfahrungsspielräume im Lerngeschehen. Dieses Kapitel führt in die Debatte um OER und OEP ein, die als Gegenentwurf zu bislang institutionell und technisch geschlossenen Lernumgebungen für eine sich anbahnende neue Lernkultur offener und individuell adaptierbarer Lernressourcen und Lernarrangements stehen.

Detlef Kanwischer, Uwe Schulze
27. Von Bildungsquellen, Wissensströmen und Datenfluten
Open Educational Resources (OER) in der digitalen geographischen Vermittlungspraxis an Schule und Hochschule

Die digitale Wissensgesellschaft erfordert einen reflektierten Umgang mit zahlreichen Informationen und Angeboten. Offene Lehr-Lern-Gemeinschaften können als erster Schritt verstanden werden, mit resultierenden Herausforderungen umzugehen. So nimmt dieses Kapitel aus einer stärkenorientierten Perspektive drei in der geographi(edidakti)schen Vermittlung etablierte OER in den Blick.Das Kapitel entwickelt zunächst eine bildungsphilosophische Perspektive auf OER und bereitet die Begriffe open, educational und resource als Ausgangspunkte für eine kriteriengeleitete Analyse auf. Diese einführenden Reflexionen aufgreifend werden mit GeoPortal, LehrRaum Geographie und DOING GEO & ETHICS drei Beispiele für OER der Geographie(didaktik) vorgestellt, die im Sinne der vorab entwickelten Kriterien jeweils besondere Stärken aufweisen. Anhand der Betrachtung der Beispiele werden im abschließenden Kapitel Merkmalsausprägungen der Kriterien für die Beurteilung geographiebezogener OER aufgezeigt.

Isabelle Kollar, Jochen Laub, Eva Nöthen
28. Gestaltung geomedialer Lernumgebungen mittels offener Bildungsressourcen (OER)
Leitgedanken aus dem Verbundprojekt DiGeo

Als Ausschnitt aus dem BMBF-geförderten Verbundprojekt DiGeo, das sich mit der anwendungsbezogenen Beforschung eines Fachkonzeptes zum Einsatz digitaler Geomedien in der geographischen Lehrkräftebildung beschäftigt, zeigt dieses Kapitel die wesentliche Anforderungen für die Gestaltung von OER-basierten Lernumgebungen auf. Neben konzeptionellen Aspekten der Entwicklung des DiGeo-Fachkonzepts sowie der gleichnamigen OER-Umgebung mit insgesamt 30 Lerneinheiten zum mündigen Umgang mit digitalen Geomedien werden dabei insbesondere Fragen zur fachlichen Qualität offener Bildungsmaterialien adressiert. Exemplarisch für die Logik und Gelingensbedingungen von OER, im Sinne des Teilens von fachlichen Bildungsmaterialien als gemeinschaftliches Tun an der „digitalen Sache“, werden die Grundzüge eines Anforderungskatalogs als Baustein eines fachspezifischen Qualitätsmodells für die fachliche, pädagogisch/didaktische und technische Entwicklung und Nachnutzung von OER vorgestellt.

Uwe Schulze

Teil X

Frontmatter
29. Die Professionalisierung von Lehrkräften für eine geographische Bildung in digitalen Kulturen
Ausgewählte Ansätze der Professionalisierungsforschung in ihrer fachdidaktischen Bedeutung

Der Basiskommentar entfaltet ausgehend von Überlegungen zur Digitalisierung in geographischen Bildungskontexten das Thema der Professionalisierung von Lehrkräften, indem konzeptionelle Ansätze der Professionalisierungsforschung in ihrer fachdidaktischen Relevanz vorgestellt und diskutiert werden. Anhand strukturtheoretischer, kompetenzorientierter und berufsbiographischer Ansätze wird ausgeführt, dass es für die Professionalisierung von Lehrer*innen unter den Bedingungen der Digitalität zentral ist, ein umfassendes Bewusstsein über Digitalisierung in fachlichen Bildungskontexten zu entwickeln. Dabei ist wichtig, die eigenen Entscheidungen im pädagogischen Handeln zu reflektieren, bspw. vor dem Hintergrund von Antinomien, Kompetenzmodellen oder auch berufsbiographischen Erfahrungen. Es braucht zudem eine explizit fachdidaktische Perspektive auf Digitalisierung in der Lehrer*innenbildung, die beispielsweise über den Spatial-Citizenship-Ansatz eingebracht werden kann.

Nicole Raschke
30. Verwendung digitaler Medien zur sprachbewussten Professionalisierung von angehenden Geographielehrkräften
Eine Potenzialanalyse am Beispiel der Methode animation live speaking

Digitale Bildung und eine digitale Kultur an den Schulen bergen gerade im Geographieunterricht große Chancen, den vielfältigen Anforderungen eines sprachbewussten Unterrichts gerecht zu werden. Lehrpersonen wie auch die Schüler*innen finden heutzutage eine Vielzahl an Filmen, Videos, Dokumentationen etc. zu geographisch-relevanten Themen im Internet. Diese Medien können im Geographieunterricht genutzt werden, um mit Hilfe der hier vorgestellten Methode animation live speaking sowohl fachliche, methodische als auch fachsprachliche Kompetenzen zu fördern. In dem Artikel wird eine Methode vorgestellt, um Potenzial für die (fach-)sprachliche Förderung im Geographieunterricht unter Einbezug digitaler Geomedien (hier: Animationsclips) abzurufen und angehende Lehrkräfte und deren methodisches Repertoire stärker zu einem vielfältig differenzierenden, sprachbewussten Geographieunterricht zu befähigen.

Michael Morawski, Miriam Kuckuck
31. Professionalisierung angehender Geographielehrkräfte durch den Einsatz von virtueller Realität
Beispiele aus zwei universitären geographiedidaktischen Lehrveranstaltungen

Virtuelle Realität schafft die Möglichkeit, bei der Betrachtung computergenerierter dreidimensionaler Raumdarstellungen den Eindruck zu erleben, selbst Teil dieser Raumdarstellung zu sein. Daraus resultieren geographiedidaktische Potenziale, etwa hinsichtlich der kritischen Reflexion des Verhältnisses von Realität, Virtualität und Medialität, aber auch in Bezug auf die geographische Analyse von virtuellen Räumen mit und ohne konkrete räumliche Bezüge in der Realität. Bisher existieren kaum Konzeptionen für Lehr-Lernumgebungen, auf die in der Unterrichtspraxis zurückgegriffen werden kann. Am Beispiel unterschiedlicher Seminarangebote an zwei Hochschulen wird aufgezeigt, wie zukünftige Lehrkräfte digitalitätsbezogene Kompetenzen erwerben können, die es ihnen ermöglichen, sowohl bestehende VR-Lernumgebungen kritisch hinsichtlich ihrer didaktischen Potenziale und Grenzen zu analysieren als auch eigene zielführende Konzeptionen zu entwickeln, einzusetzen und zu evaluieren.

Stephanie Mittrach, Daniel Wirth, Christiane Meyer, Ulrike Ohl
32. Geographische Bildung in digitalen Kulturen
Lehrer*innenperspektiven auf die Digitalisierung von (geographischer) Bildung

Im Zuge der Coronakrise musste Bildung gezwungenermaßen und in sehr kurzer Zeit auf mehrheitlich digitale Zugänge umgestellt werden. Im Zentrum stand dabei weniger Bildung für digitale Kulturen entlang theoretischer Grundlegungen, als vielmehr der möglichst reibungslose Transfer bestehenden Unterrichts in die Sphäre des „Distance Learning“. Während diese beiden Zugänge jeweils ihre Positiva aufweisen, so ergibt sich doch die Frage, inwiefern der spezielle Anlass auch genutzt werden soll und kann, Bildung in digitalen Kulturen voranzutreiben und neu zu konzeptualisieren.Das vorliegende Kapitel versucht einen Beitrag zur Klärung dieser Frage zu leisten, indem die Ergebnisse einer Panel-Untersuchung mit Lehrpersonen des Fachs Geographie und wirtschaftliche Bildung dargestellt werden, die Chancen und Herausforderungen für die Lehrer*innenprofessionalisierung im Zuge der pandemiebedingten Digitalisierung von Lehr-Lernprozessen in den Blick nimmt. Die Ergebnisse zeigen Problemfelder sowie Chancen und Perspektiven für eine geographische Bildung in einer digitalen Welt auf und verweisen auf vielfältige Entwicklungs- und Forschungsbereiche in der Lehrer*innenaus- und -fortbildung sowie Unterrichtspraxis.

Anna Oberrauch, Thomas Jekel, Claudia Breitfuss-Horner
Metadaten
Titel
Geographische Bildung in digitalen Kulturen
herausgegeben von
Fabian Pettig
Inga Gryl
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-66486-5
Print ISBN
978-3-662-66485-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66486-5