Die Bundesregierung plant, noch in diesem Jahr eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg zu bringen. Die Einnahmen sollen vor allem in die Grundrente fließen. Doch die Vorschläge zur so genannten Börsensteuer stoßen auf teilweise heftige Kritik.
Bereits seit Jahren erwägt die Politik, eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland einzuführen. Diese würde bestimmte Kapitalmarktgeschäfte mit einer Abgabe belegen und damit künftig Spekulationen an der Börse eindämmen. Nun hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Diskussion um die sogenannte Börsensteuer wieder angefacht. Noch vor dem Jahreswechsel hat er den an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten einen finalen Vorschlag für einen Richtlinientext vorgelegt.
Die Verstärkte Zusammenarbeit ist eine europapolitische Initiative zur verstärkten gemeinsamen Integration einzelner Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Bildung eines thematischen Kerneuropas. Mindestens neun EU-Mitgliedstaaten müssen dabei an einem Strang ziehen. Andere Mitgliedstaaten können später beitreten. Deutschland steht mit dem aktuellen Vorhaben mit Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien in Verhandlung.
Finanztransaktionssteuer soll 0,2 Prozent betragen
Der Steuersatz soll bei 0,2 Prozent liegen. Besteuert werden soll dabei der Aktienerwerb von gelisteten Unternehmen, die ihren Hauptsitz im Inland haben sowie im Inland und im Ausland ausgegebene Hinterlegungsscheine, die mit Aktien dieser Unternehmen unterlegt sind.
Das Bundesfinanzministerium weist jedoch darauf hin, dass nur Papiere von solchen Unternehmen einbezogen werden, deren Marktkapitalisierung bei über einer Milliarde Euro liegt. Kleinsparer sollen durch die Finanztransaktionssteuer aber nicht belastet werden. Die Abgabe soll vor allem institutionelle Anleger treffen.
Finanzminister Scholz zeigt sich optimistisch
Dabei sind die Pläne nicht neu: Bereits im Koalitionsvertrag wurde festgelegt: "Die Einführung einer substanziellen Finanztransaktionssteuer wollen wir zum Abschluss bringen." Die Bundesregierung stellt darauf ab, dass diese Steuer im europäischen Kontext eingeführt werden soll. In einigen anderen Ländern Europas, wie beispielsweise Frankreich und Italien, gibt es eine vergleichbare Abgabe bereits.
Die ökonomische Bedeutung dieser sogenannten Börsensteuer wäre nach den aktuellen Entwürfen enorm, denn mit diesen Einnahmen soll in Deutschland die Grundrente finanziert werden. Scholz zeigt sich hinsichtlich der Pläne optimistisch: "Wir sind bei der Finanztransaktionssteuer in den letzten Wochen gut vorangekommen. Jetzt können wir den Sack bald zumachen." Das sehen jedoch andere Stimmen ganz anders. Vor allem die Beschränkung der Steuer auf den Aktienhandel stößt auf Kritik.
Kritiker bemängeln reine Aktiensteuer
Experten fürchten, dass die Steuer entgegen den eigentlichen Zielen der Bundesregierung vor allem den kleinen Sparer belasten wird. Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investor warnte beispielsweise im Blog des Bankenverbands, dass die Steuer durch ihre vielen Ausnahmetatbestände eben doch Privatanleger treffe, die mit Aktien Vermögen aufbauen wollen, um beispielsweise für das Alter vorzusorgen.
Anhand einer Modellrechnung erläutert der Experte die mögliche Belastung und erklärt, dass viele Anleger auf Aktienfonds bauen. Diese Fonds werden von Fondsmanagern regelmäßig verändert. Naumer stellt fest: "Was wir brauchen, ist eine konzertierte Anstrengung um den Vermögensaufbau für breite Bevölkerungskreise zu unterstützen und keinen zusätzlichen Sand im Getriebe. Und schon gar keine Aktionen, die wie die Börsensteuer Aktien als Anlageform gegenüber Anleihen und Derivaten diskriminieren würden."
Doch Kritik kommt nicht nur aus der Bankenbranche. Auch aus den eigenen Reihen erhalten die Pläne des Bundesfinanzministers Gegenwind. Das Handelsblatt zitiert aus dem Gutachten des Beirats des Finanzministeriums: "Insgesamt ist festzuhalten, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Aktiengeschäfte aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll ist." Ein vernichtendes Urteil. Zudem bezweifeln die Experten die Verfassungsmäßigkeit der Abgabe.
Österreich lehnt die aktuellen Pläne ab
Auch bei den Verhandlungen mit anderen EU-Ländern stößt Scholz auf teils heftigen Widerstand. In seinem Kommentar "Scholz-Vorschlag ist Totgeburt" prophezeite Stephan Schulmeister bereits: "Länder wie Österreich oder Belgien fordern seit langem eine umfassende FTS, werden also den Scholz-Vorschlag ablehnen." Sollte Schulmeisters Einschätzung zutreffen, wird das Konzept von Scholz scheitern. Diese Prognose scheint sich nun zu bewahrheiten.
Der österreichische Finanzminister Gernot Blümel kritisiert aktuell massiv, dass nicht alle Finanzgeschäfte besteuert werden. "Damit würden die Realwirtschaft und Kleinanleger bestraft und indirekt die Spekulanten belohnt", meinte der Finanzminister aus Österreich gegenüber dem Tagesspiegel. Und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz äußerte gegenüber der Presse am 3. Februar 2020 sogar: "Wir werden jedenfalls alles tun, um das zu verhindern."
Bundeskanzlerin Angela Merkel bemerkte, dass die Finanztransaktionssteuer "eine sehr schwierige Kiste" sei. Sollte der Vorschlag von Scholz nicht geändert werden, droht Österreich mit dem Ausstieg aus der Gruppe der Mitgliedsländer, die die Abgabe einführen will. Bei einer Finanztransaktionssteuer, die dagegen noch mehr Börsengeschäfte umfasst, würde wiederum Frankreich voraussichtlich nicht mitspielen.
Börsensteuer vor ungewisser Zukunft
Scholz steht nun mit seinen Plänen unter Druck. Noch lässt sich der Bundesfinanzminister aber nicht beirren. Wie Medien berichten, schuf er bereits entsprechende Planstellen für die Finanztransaktionssteuer im Ministerium. Ob die Abgabe allerdings tatsächlich kommen wird, erscheint momentan mehr als fraglich. Viele Experten aus Politik, Medien und Bankenbranche unterstützen die aktuellen Pläne nicht. Die Bundesregierung rechnet jedoch bereits mit dem Steueraufkommen, um die Grundrente zu finanzieren. Die weiteren Verhandlungen rund um den Aktienhandel bleiben also spannend.
Auch die Finanzmarktsituation aufgrund des Brexits wird hierbei nicht zu unterschätzen zu sein. Schließlich ist der Finanzstandort London in der EU von großer Bedeutung und viele Fragen bezüglich der weiteren Handelsbeziehungen sind noch ungeklärt.