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21.06.2018 | M&A-Management | Interview | Online-Artikel

"Der beste Deal kann sich zum Flop entwickeln"

verfasst von: Thorsten Garber

5 Min. Lesedauer

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Wie Übernahmen von Unternehmen gelingen, erklärt M&A-Experte Florian Bauer im Exklusiv-Interview. Denn der Professor für strategisches Management an der Lancaster University Management School erlebt viel zu oft, wie die Integration zugekaufter Kandidaten scheitert.

Springer Professional: Herr Professor Bauer, Sie beobachten seit Jahren einen Wandel in der Logik von Akquisitionen. Wie ist das zu erklären und wie wirkt sich das auf die Auswahl und auf den Ablauf aus?

Florian Bauer: Zunächst mal muss man festhalten, dass skalengetriebene Akquisitionen einfacher, weil horizontal umzusetzen sind. Das heißt: Der Zukauf ähnelt dem eigenen Unternehmen. Damit ist das neue Unternehmen schneller zu integrieren. Ein Zukauf von Technologien oder Märkten bedeutet womöglich, eine ganz andere Geschäftslogik hinzuzukaufen. Doch werden nach solchen Käufen einfach die eigenen Prozesse übergestülpt, scheitern Übernahmen regelmäßig.

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Was sich inwieweit auswirkt?

Indem etwa Kompetenzträger der neuen Technologiefirma das Unternehmen verlassen. Ich rate äußerst behutsam an solche Zukäufe heranzugehen. Es handelt sich für die übernehmenden Unternehmen oft um neue Welten, in die sie vordringen. Nehmen wir nur eine erste neue Übernahme in Brasilien. Das ist dann ein völlig fremder Markt. Da gilt es sich gut vorzubereiten, viele Gespräche zu führen und die Integration gemeinsam zu planen. Wenn man wirklich auch neue Werte schaffen will. 

Sonst passiert was?

Wer die Integration nicht vernünftig angeht, zahlt letztlich den doppelten Preis. Ich erinnere mich an einen krassen Fall in Skandinavien. Erst lief alles gut, man verstand sich bestens auf beiden Seiten, dann aber sparte das Management an allen Maßnahmen auf menschlicher Seite. Die Gräben beider Lager klafften immer weiter auseinander. Bei einer gemeinsamen Weihnachtsfeier eskalierte dann die Situation: Es kam zu einer Massenschlägerei. 

Sie sagen aber schon selbst, dass dies ein ziemlich krasser Fall ist.

Ja, aber Vorsicht! Experimente zeigen, dass sich unterschiedliche Gruppen in solchen Krisensituationen extrem fiese Dinge antun können! Das gilt auch für Trennungen in Umbruchphasen von Unternehmen. Gemeinsame Interessen bündeln sich gerne in getrennten Gruppen. Meist zum Schaden einer anderen Gruppe. Nach einer Übernahme mit Marketingabteilungen in beiden Lagern ist Ärger vorprogrammiert, den niemand benötigt. Das sollte man vor Integrationen genau bedenken. Oder schnell einen der beiden Marketingleiter entlassen. 

Solche harten Schnitte klingen eher nach Auseinander-Dividieren.

Nein, es geht darum das Commitment für die Akquisition zu erhalten. Eigentlich sind Mitarbeiter oft froh, selbst wenn ihr Unternehmen übernommen wird. Sie hoffen auf die Stärke des übernehmenden Zukäufers.

Geht es nur um den Zukauf von Know-how angesichts des weltweiten Anstiegs innovationsgetriebener Deals?

Ja, absolut! Dies erfordert allerdings auch ein anderes Handeln. Man muss sensibel mit dem übernommenen Unternehmen umgehen. Denn Innovation lässt sich nicht einfach zukaufen, sondern wird von den Menschen im neuen Unternehmen erzeugt. Eine rein strukturelle Integration zerstört diesen Wert, weil nur eine Hülle bleibt, wenn die Innovatoren innerlich kündigen oder ihre Firma verlassen.

Ihre Empfehlung, um einseitige Fehler zu vermeiden?

Unternehmen sollten beidhändig agieren, also bei M&A einerseits auf effiziente Prozesse setzen, aber andererseits das explorative Ausprobieren pflegen. Dabei die Balance zu halten ist ganz wichtig. Man könnte auch anders formulieren: Fest führen und lockerlassen. 

Inwieweit kann ein M&A-Prozess zur gelungenen Unternehmenssanierungen beitragen?

Wenn der Käufer einen guten strategischen Plan für die Übernahme hat, wird er in den meisten Fällen nach dem Kauf auch Ressourcen für die Gesundung zur Verfügung stellen. In dem erwähnten Fall in Skandinavien handelte es sich beim übernommenen Unternehmen um einen Sanierungsfall. Anfangs war deshalb die Stimmung auch ausgezeichnet, denn beide Seiten machten sich große Hoffnungen auf die Gesundung und gemeinsame Erfolge. Nur schlug diese Stimmung halt irgendwann jäh um. Aber ich bleibe dabei: M&A kann zum Gelingen von Sanierung weiterhelfen.  

In Unternehmenskrisen wie in Insolvenzen dürfte die Investorensuche schwieriger sein. Warum setzen Beteiligte dennoch oft auf Exit-Strategien mit Veräußerung?

Nicht doch, ganz im Gegenteil: Unternehmen in Krisen sind interessant für potenzielle Käufer. Man könnte sie als "strategisches Schnäppchen" betrachten. Derzeit bewegen sich die Preise sogar auf hohem Niveau.   

Wo gelingen reihenweise Zukäufe?

Der dänische Logistikkonzern DSV ist offensichtlich sehr erfolgreich, weil er bei Übernahmen auch zügig seine Systeme und seine Strukturen überträgt – übrigens auch in unseren Regionen. Ebenso kauft und integriert die schwedische, auf Schließsysteme spezialisierte Assa-Abloy-Gruppe gut und schnell. Und beim Modekonzern Louis Vuitton bekommen die Mitarbeiter der übernommenen Unternehmen oft gar nicht mit, dass sie vom französischen Luxusgüter-Unternehmen aufgekauft wurden, weil die neuen Marken meist nahezu eigenständig bleiben, denn die Zukäufe verfügen in der Regel in urbanen Top-Lagen über gute Läden, die gut laufen.  

Gibt es keine verlässlichen Faktoren für gewollt geglückte M&A-Prozesse?

Genau, das würde ich so unterschreiben. Dafür ist die Kombination von Erfolgsfaktoren einfach zu entscheidend. Was in einem Fall den Erfolg bringt, führt im anderen Fall zu Katastrophe. Das kann dann ein fundamentales Scheitern sein. Zu einfache Logik muss man vor M&A-Prozessen überdenken. Schließlich geht es um gravierende Veränderungen und um starke Transformation. Ein Zukauf allein reicht nicht.   

Gibt es denn nicht zumindest einen roten Faden für planbaren M&A-Erfolg oder einen Ansatz für den strategischen Fit?

Doch, wenn sich die Unternehmensführung vorher fragt: Was bewirkt der Kauf für unser Geschäftsmodell? Und wie gehe ich mit diesem Wert um? Bei aller Effizienz für den M&A-Erfolg und bei tollsten Marktzugängen bleibt am Ende doch vor allem entscheidend, wie ein Zukauf mein Geschäftsmodell stärkt. Bei solchen Veränderungen ist der exploratorische Anfangsgedanke der Treiber, im nächsten Schritt für die gelungene Umsetzung dann die richtige Hands-on-Mentalität erforderlich. 

Ein noch ausführlicheres Interview mit dem M&A-Experten Florian Bauer können Sie in "return | Ausgabe 03/2018" lesen.

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