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20.12.2023 | Mitarbeiterbindung | Gastbeitrag | Online-Artikel

Finanzbranche muss Personalmarketing neu aufstellen

verfasst von: Reiner Huthmacher

4:30 Min. Lesedauer

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Der "War for Talents" ist für die Finanzbranche eine enorme Herausforderung. Bei Banken und Versicherern rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einem Personalschwund von bis zu 30 Prozent. Gefragt sind deshalb neue HR-Strategien. 

Demografische Veränderungen und damit auch der Fachkräftemangel werfen in Deutschland und international schon seit Langem ihre Schatten. Qualifizierte Fachkräfte - die sogenannten High Potentials - werden zu einer immer knapperen Ressource. Zum Schlüsselbegriff der Debatte darüber wurde der Begriff des "War for Talents", den der McKinsey-Berater Steven Hankin bereits 1997 im Rahmen einer Studie prägte. Etwas später, im Jahr 2001, publizierte er zusammen mit drei weiteren HR-Experten ein umfangreicheres Buch zum Thema. 

Seitdem hat der War for Talents erheblich an Brisanz gewonnen. Das gezielte Recruiting der besten Köpfe und vor allem eine nachhaltige Mitarbeiterbindung sind für Unternehmen heute entscheidende Faktoren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Die Bedingungen dafür haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend verändert - der Arbeitsmarkt hat sich im Kern zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Die Finanz- und Versicherungsbranche ist davon nicht ausgenommen. 

Demografischer Wandel trifft Finanzbranche hart

Banken und Versicherungsunternehmer trifft der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren besonders hart. Laut einer Studie des Branchenportals bankinghub.de und der Unternehmensberatung Zeb haben die Mitarbeiter von Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Versicherungen derzeit ein Durchschnittsalter von über 47 Jahren. Aufgrund des demografischen Wandels und des Renteneintritts der Babyboomer wird die Branche bis 2030 voraussichtlich 30 Prozent ihrer Mitarbeiter verlieren. Durch die Altersstruktur der Belegschaften wird dieser Trend zusätzlich beschleunigt. 

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Für die Branche hat diese Entwicklung potenziell dramatische Folgen: Sie verliert hierdurch nicht nur in quantitativer Hinsicht Arbeitskräfte, sondern auch das Know-how der ausscheidenden Mitarbeiter. Zudem haben Banken und Versicherungen heute neue Anforderungen an ihre Mitarbeiter. Auch bei Finanzdienstleistern schreitet die Digitalisierung in rasantem Tempo fort. Benötigt werden in immer stärkerem Umfang Fachkräfte mit IT- und MINT-Qualifikationen sowie digitalen Kompetenzen - also Mitarbeiter, die auf dem Arbeitsmarkt ein besonders rares Gut sind. 

Generationswechsel und hohe Fluktuation

Zum Fachkräftemangel bei Banken und Versicherungen trägt auch die steigende Mitarbeiterfluktuation bei diesen Unternehmen bei. Noch vor wenigen Jahren wurden die ursprünglich sehr niedrigen Fluktuationsraten in der Branche von Führungskräften und HR-Experten zum Teil als Hindernis für notwendige Veränderungen wahrgenommen. Heute liegt der Anteil an Arbeitnehmerkündigungen branchenweit bei etwa vier Prozent. Aktiv nach einer neuen Stelle suchten 2021 rund 14 Prozent der Mitarbeiter von Banken und Versicherungen - gegenüber nur vier Prozent im Jahr 2018. 

In Bezug auf diesen Trend wirkt sich auch der Generationswechsel in den Belegschaften aus. Junge Mitarbeiter haben andere Ansprüche an ihren Arbeitgeber als frühere Generationen. Werden diese nicht erfüllt, entscheiden sie sich sehr schnell für einen Stellenwechsel - auch mit dem Wissen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt hervorragende Chancen haben. Statistiken weisen aus, dass in den ersten acht Berufsjahren rund zehn Prozent der Mitarbeiter von Banken und Versicherungen mindestens einmal ihren Arbeitgeber wechseln. 

Arbeitgebermarke neu definieren

Nahezu alle Unternehmen in der Branche stehen heute vor der Herausforderung, sich als Arbeitgebermarke neu zu definieren und ihr Personalmarketing konsequent auf die von ihnen anvisierten Zielgruppen auszurichten. Auch in Zukunft werden hier junge High Potentials stark im Fokus stehen, was auf sie abgestimmte Strategien im Recruiting, in der Personalentwicklung und auch im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses sowie von Benefit-Systemen erfordert. 

Ebenso muss die Finanzbranche ihre Zielgruppendefinitionen überdenken - wichtig sind künftig nicht nur Bankkaufleute und akademische Finanzexperten, sondern auch Mitarbeiter, die in der Lage sind, digitale Serviceleistungen zu gestalten. 

Gehalt ist nicht der entscheidende Faktor

Das erreichen die Unternehmen nicht nur über ein effizientes Recruiting, sondern sie brauchen aus Sicht der Mitarbeiter eine bedarfsgerechte Personalentwicklung und vor allem eine starke Mitarbeiterbindung. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Ein marktfähiges Gehalt wirkt Studien zufolge aber nur als Hygienefaktor. 

Deutlich wichtigere Kriterien für eine langfristige Bindung an den Arbeitgeber sind Führungskultur, Wertschätzung, Kollaborationsprozesse, flache Hierarchien und die Teamorientierung eines Arbeitgebers. Ebenso wichtig ist ein optimales Matching zwischen den Anforderungen von Funktionen und den eingebrachten Mitarbeiterkompetenzen. Denn, wer sich in seiner Arbeit unterfordert fühlt, wird in absehbarer Zeit nach einer anderen Stelle suchen. 

Die aktuelle Avantgarde Experts Arbeitszufriedenheitsstudie aus dem Jahr 2022 fördert hier wenig Erfreuliches zutage: Dieser zufolge fühlen sich 41 Prozent aller Mitarbeiter und 47 Prozent der Befragten in der Altersgruppe bis 34 Jahre durch ihre Arbeitsaufgaben unterfordert. 

Mit komplexer Strategie Mitarbeiter binden

Auf die Mitarbeiterbindung wirken sich zahlreiche Komponenten aus. Banken und Versicherungen müssen dafür ebenso wie alle anderen Unternehmen komplexe Strategien entwickeln. Relevant sind dafür unter anderem die folgenden Bereiche: 

  • Unternehmenskultur und Führung
  • Flexible Arbeitsformen und Work-Life-Balance
  • Performance-Management, das auf die tatsächlichen Arbeitsformen von Mitarbeitern abgestimmt ist und dann beispielsweise nicht nur auf individuelle Performance, sondern auf Teamleistungen abstellt
  • Incentives, die motivationssteigernd wirken und gleichzeitig den Zusammenhalt unter den Mitarbeitern stärken
  • Lebensphasenorientierte HR-Angebote, die zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen differenzieren
  • Transparente und attraktive Perspektiven für junge Mitarbeiter, um hohen Fluktuationsraten den Boden zu entziehen

Unternehmen, die in diesen Handlungsfeldern bei potenziellen Bewerbern und ihren bestehenden Mitarbeitern punkten, positionieren sich in umfassender Form als attraktiver Arbeitgeber - mit positiven Konsequenzen für ihr Recruiting sowie für Mitarbeitermotivation und -bindung.

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