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14.08.2017 | Nachhaltigkeit | Interview | Online-Artikel

"Marienkäfer und Florfliegen halten Schädlinge in Schach"

verfasst von: Nico Andritschke

3:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Anne-Kathrin Kuhlemann

ist Mitarbeiterin bei Top Farmers GmbH und verantwortlich für den Bereich Bildung.

Urbane Landwirtschaft wird schon seit knapp 100 Jahren betrieben. Anne-Kathrin Kuhlemann erklärt, wie moderne Anlagen funktionieren und warum das Konzept für eine zukunftsfähige Landwirtschaft steht.

Springer Professional: Warum gewinnt dieses Thema aktuell an Bedeutung und wie wurde das Konzept über die Jahre weiter entwickelt?

Anne-Kathrin Kuhlemann: Es haben noch nie so viele Menschen in Städten gelebt. Die Entfernung zwischen Konsument und Produzent hat sich vervielfacht, Gemüse und Obst wird oft grün geerntet und beim Transport mit Gasen zum Reifen gebracht. Dadurch fehlen viele Vitamine und Geschmacksstoffe im Vergleich zu sonnengereifter Ware. In dieser Situation wächst das Bedürfnis nach Regionalität und Frische dank kurzer Transportwege.
Im Vergleich zu den frühen Kleingärten oder den Community-Projekten der 1960er/1970er Jahre geht es heute vermehrt um den Aufbau von wirtschaftlich tragfähigen Konzepten, die als Unternehmen am Markt bestand haben können. Und natürlich ist heute mehr Technologie mit im Spiel.

Empfehlung der Redaktion

2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

Welche Landwirtschaft braucht die Stadt? Aspekte der Entwicklung einer sozial-ökologischen Stadtlandschaft

Mit unterschiedlichen Zugängen zum Thema urbane Landwirtschaft und Stadtentwicklung ist der Versuch unternommen worden, die Überlagerung und enge Verflechtung in der Nutzung des Freiraums durch die landwirtschaftliche Produktion mit der Bedeutung des Freiraums für die Stadtgesellschaft zusammenzuführen. 

Urbane Landwirtschaft wird als Teil einer zukunftsfähigen Ernährungswirtschaft gesehen. Was macht diese zukunftsfähiger gegenüber der klassischen  Landwirtschaft?

Transportwege und Frische sind der eine Teil, das hatte ich bereits erwähnt. Pflanzen in der Stadt tragen aber auch positiv zum Stadtklima bei. Insgesamt ist daher der ökologische Fußabdruck häufig um ein Vielfaches geringer als bei herkömmlichen Anbauweisen. Und das vor allem, wenn die Potenziale der Stadt, wie zum Beispiel die Abwärme der Gebäude oder das Regenwasser, das sich auf versiegelten Flächen sammelt, als Ressourcen genutzt werden.

Sie betreiben Aqua-Terra-Ponik-Anlagen, das heißt einen geschlossenen Fisch-Pflanzen-Kreislauf zur Produktion von Gemüse wie Tomaten, Gurken, Paprika und eben Fisch. Wie funktioniert der Kreislauf und welche Vorteile sind damit verbunden?

Wir führen sämtliche Nährstoffe im Kreislauf. Die Ausscheidungen der Fische werden durch Bakterien in Dünger umgewandelt. Das Wasser fließt dann zum Gemüse und zu den Südfrüchten, die die Nährstoffe verwerten. Das Wasser wird so gereinigt und zurück zu den Fischen gepumpt. Wir verzichten gänzlich auf künstlichen Dünger. Die Fische und Pflanzen wachsen ohne Hormone, Pestizide oder Antibiotika auf. Stattdessen kommen Nützlinge zum Einsatz: Marienkäfer und Florfliegen halten die Schädlinge in Schach, Regenwürmer sorgen mit natürlichen Enzymen für die Gesundheit des gesamten Systems.
Im Vergleich zu herkömmlicher Landwirtschaft können wir 80 Prozent der Fläche, 80 Prozent des Wassers und 85 Prozent des Kohlendioxids einsparen.

Smart Factory steht für die Digitalisierung und effizientere Produktion der Industrie. Auch bei ihnen im Gewächshaus sollen smarte Lösungen zum Beispiel zur Wachstumskontrolle der Pflanzen Einzug halten. Wie darf man sich das vorstellen?

Wir nutzen Robotik dazu, Menschen bei der Arbeit zu unterstützen. Sensoren und Kameras stellen rund um die Uhr fest, wie es dem System geht – nicht nur einmal täglich beim Kontrollgang. Durch die enorme Anzahl Daten, die erhoben und ausgewertet wird, kann präventiv gehandelt werden, zum Beispiel weil bestimmte Wetterlagen mit einer bestimmten jahreszeitlichen Sonneneinstrahlung zwei Wochen später zu einer schnelleren Ernte führen. Ganz praktisch heißt das natürlich, dass die Anlage per Handy gesteuert wird. Bei Problemen löst sofort ein Alarm aus, damit man sofort eingreifen kann.

Ihre Firma war für den Bundespreis ecodesign 2016 nominiert. Aktuell sind sie auf der IGA in Berlin vertreten. Das Interesse an ihrem Know-how ist groß. Wie soll sich ihr Unternehmen perspektivisch entwickeln?

Unser vegetarisches Fischfutter soll zum Jahresende einsatzbereit sein. Es besteht zu 100 Prozent aus heimischen Zutaten, das macht uns unabhängig von den Preisen für Fischmehl und wir importieren auch keinen Regenwald in Form von Soja.
Außerdem wollen wir wachsen! Nächstes Jahr gehen weitere Anlagen in Berlin und anderen Städten an den Start. Dafür stellen wir uns finanziell breiter auf und starten bald eine Crowdinvesting-Kampagne, wo ein Teil der Zinsen in Naturalien bezahlt werden – natürlich als Gutscheine, damit Kunden flexibel sind, um mal Fisch mitzunehmen, mal Salate, oder auch Exotisches wie Ceylonspinat oder Taro. Wir arbeiten außerdem an neuen "Fresh Convenience" Produkten, um es unseren Kunden noch einfacher zu machen. Man darf da ruhig gespannt den Shop auf stadtfarm.de im Auge behalten.

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