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18.04.2023 | Risikosteuerung | Kolumne | Online-Artikel

Sicher geglaubte Anleihen werden zum Portfolio-Gift

verfasst von: Udo Kersting

3:30 Min. Lesedauer

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Die Zinswende hat die Hoffnung vieler Banken auf wachsende Margen keimen lassen. Doch der Fall der Silicon Valley Bank (SVB) hat die Risiken offenbart, die mit einem rasanten Zinsanstieg einhergehen und am Ende sogar eine Credit Suisse stürzen lassen. Gefragt ist eine anpassungsfähige Risikosteuerung. 

Die Unsicherheiten an den Finanzmärkten sind in den vergangenen Wochen rapide angestiegen. Noch zum Jahresstart machte sich im europäischen Bankensektor vorsichtiger Optimismus breit - es galt als ausgemachte Regel im Finanzwesen: Mit steigenden Leitzinsen erholen sich die arg strapazierten Margen von Banken, da in der Differenz von Kredit- und Einlagenzinsen von Geldhäusern mehr Spielraum besteht. Nach Jahren der Nullzinspolitik sollten Banken nun wieder mehr Luft zum Atmen erhalten und Anleger vom Zinsniveau profitieren.

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Zinswende trifft einige Institute unvorbereitet

Doch die anfängliche Erleichterung wich schnell, inzwischen wird klar: die Zinswende trifft einige Institute an anderer Stelle gänzlich unvorbereitet. Die steigenden Zinsen machten es für Start-ups schwieriger, Zugang zu neuen Finanzmitteln beziehungsweise Refinanzierungen zu erhalten. Als es zu verstärkten Einlagenabflüssen bei der SVB kam, setzte sich eine gefährliche Spirale in Gang. Ein nicht unerheblicher Teil der Einlagen war in Staatsanleihen investiert, deren Wert aufgrund der Hauruck-Politik der US-Notenbank Federal Reserve Bank (FED) in den letzten Monaten gefallen waren. 

Steigende Zinsen führten zu einer deutlichen Abwertung der bereits verbuchten Anleihepapiere. Mit dem Abzug der Einlagen wurde es für das Institut erforderlich, diese Papiere zu günstigeren Kursen zu veräußern. Hohe Verluste waren absehbar, in den (sozialen) Medien wurde die Skepsis größer bis schließlich ein echter Bank Run und sich bedingende Effekte das Geldhaus gänzlich zum Einsturz brachten. 

Anleihen können zum Fallstrick werden

Klar ist heute, dass die Zinsänderungsrisiken offenbar bei dem Asset Liability Management stark unterschätzt wurden, besonders im Zuge der Fristentransformations-Steuerung. Fixed-Income-Papiere erleben im neuen Zinsumfeld eine deutliche Abwertung und können bei Unruhe im System zu einem gefährlichen Fallstrick werden - wenn wie zuletzt gesehen, ein Bank Run droht und Liquidität erforderlich ist, wanken selbst große Institute. 

Mit Umsetzung der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist zusätzlich Unruhe in den Finanzmarkt gekommen. Der Vertrauensverlust durch die Benachteiligung der CoCo-Bond Investoren und die Angst vor möglichen Folgewirkungen sind enorm. Credit Spreads weiten sich in Zeiten erhöhten Stresses im System aus, Papiere werden von jetzt auf gleich illiquide. Diese Risiken waren für die Strategen diverser Player schon in der letzten Finanzkrise ein blinder Fleck, nun erleben wir dramatisch, dass die Risiken mangelnder Transparenz und Risikovorsorge bei Geldhäusern in Europa und Nordamerika zurückkehren.  

Ansteckungsgefahr nicht unterschätzen

Auch wenn die auslösenden Faktoren für die Schieflagen in beiden Banken idiosynkratischer Natur erscheinen, ist die Ansteckungsgefahr mittlerweile nicht mehr zu unterschätzen. Verstärkungseffekte, wie die fragile Wirtschaftslage und die rekordverdächtige Geschwindigkeit der Zinserhöhungen in mehreren Währungsräumen, sorgen derzeit für die Wahrscheinlichkeitserhöhung einer Ausbreitung. 

Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass Panik durch soziale Medien noch weiter angefacht werden kann - stärker noch als zu Zeiten der letzten Krise. Der Bank Run findet längst auch digital statt: Schockwellen via Twitter und Co. können schnell an den Märkten Realität werden. Das verengt auch das Handlungsfenster für Entscheider in den Geldhäusern, allerdings auch für staatliche Aufsichtsbehörden, die zuletzt wieder auf Plan treten mussten. 

anpassungsfähige Risikosteuerung

Die jüngsten Ereignisse rufen ins Bewusstsein, wie wichtig eine tiefgründige und anpassungsfähige Risikosteuerung ist. Aufgrund der immer komplexeren Zusammenhänge sowie die Häufung diverser durchschlagender exogener Faktoren hat die fundierte quantitative Auswertung der Risikodynamik sowie Bewertungsverfahren innerhalb der Finanzindustrie stark an Bedeutung gewonnen. 

Das exponentielle Wachstum an relevanten Daten, kombiniert mit skalierbaren analytischen Verfahren werden in den nächsten Jahren stärker denn je zu einem Hauptdifferenzierungsmerkmal innerhalb der Industrie. Die Transparenz über Wertpapiere und vorhandene Risiken muss noch stärker priorisiert werden. Kaum zu leugnende Lücken im System könnten mittelfristig auch Aufsichtsbehörden auf den Plan rufen, hier engere Vorgaben zu setzen. 

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