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22.10.2020 | Unternehmensstrategie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Aus der Corona-Krise hin zum zukunftsfesten Maschinenbau

verfasst von: Thomas Siebel

4 Min. Lesedauer

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Wie wird die Maschinenbauindustrie nach der Corona-Krise zukunftsfest? Optimierte Lieferketten, grüne Technologien und digitale Geschäftsmodelle spielen eine Schlüsselrolle.

Zuerst blieben Lieferungen aus, dann brach die Nachfrage ein: Der Maschinenbau hat besonders in den Monaten April und Mai einen dramatischen Einbruch erlitten. Die produktive Leistung sank innerhalb von vier Monaten um 25 Prozent, auf das gesamte erste Halbjahr gerechnet verringerten sich die Maschinenproduktion und der -export um jeweils knapp 15 Prozent. Die gestörten Lieferketten haben dabei Schwächen in der globalen Wertschöpfung offenbart, die bislang vor allem einem Zweck diente: der Kostenoptimierung.

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Maschinenbau — Strategische Herausforderungen prae, propter et post Corona

Fachleute wie etwa Monika Wohlmann von der FOM Hochschule in Düsseldorf sahen bereits früh Tendenzen hin zu einer verstärkten Deglobalisierung, insbesondere im Bereich der lebenswichtigen Güter. Auch Andreas Gützlaff vom Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen beschreibt im Interview einen zunehmenden Trend hin zur Local-to-Local-Production, den Begriff Deglobalisierung hält er aber für irreführend. Unternehmen blieben auch weiterhin international tätig; sie würden nur zunehmend auf mehrere Lieferanten setzen, was lokales Sourcing mit einschließe. Von besonderer Bedeutung werde künftig aber der Einsatz digitaler Technologien sein, um komplexe globale Produktionsnetzwerke transparent zu machen und kurzfristig auf Veränderungen reagieren zu können.

Renationalisierung schadet Maschinenbauindustrie

Dass eine Renationalisierung der Zulieferketten sogar kontraproduktiv sein kann, legen die VDMA-Volkswirte Ralph Wiechers, Thomas Steinwachs und Johannes Gernandt in ihrem Aufsatz Maschinenbau – Strategische Herausforderungen prae, propter et post Corona im Wirtschaftsdienst 9/20 dar. Einerseits erkennen die Experten die Schwächen der globalen Wertschöpfung an: Wenn Unternehmen sich nur auf jene Güter konzentrierten, die sie besonders günstig produzieren können, dann könne dies zu vollständigen regionalen Spezialisierungen führen, mit der Folge, dass Unternehmen bestimmte Güter aus Kostengründen letztlich nur noch aus einem einzigen Land oder von einem einzigen Hersteller bezögen – mit entsprechenden Ausfallrisiken. Anderseits handele es sich beim Maschinenbau in Deutschland um eine ebensolche intensiv spezialisierte Industrie. Mit 1,3 Millionen Erwerbstätigen sei der nach China und der USA weltweit drittgrößte Maschinenproduzent wie kaum eine andere Industrie auf funktionierende und offene internationale Märkte angewiesen. Eine weltweite Renationalisierung würde den Maschinenbau in Deutschland empfindlich treffen.

Die Corona-Krise liefert den Autoren zufolge jedoch den wichtigen Impuls, die globale Wertschöpfung krisenfest zu machen. Wichtig sei dabei die Abkehr vom Single-Sourcing-Prinzip hin zu breiteren, regional diversifizierten Liefernetzwerken, auch wenn dies in Form zahlreicher Verträge oder den Verzicht auf Sonderkonditionen seinen Preis habe werde. Neben Just-in-Time-Lösungen sollten Unternehmen auch die Verfügbarkeit von Just-in-Case-Lieferungen strategisch mit einbeziehen.

10-Billionen-Euro-Markt für grüne Technologien

Eine nicht minder wichtige Bedeutung für eine zukunftsfeste Maschinenbauindustrie sehen die Autoren jedoch auch in der klimafreundlichen Ausrichtung und in der umfassenden Digitalisierung. Maschinenhersteller spielen als Enabler von grünen Technologien eine Schlüsselrolle, wie der VDMA kürzlich in einer gemeinsamen Studie mit der Boston Consulting Group herausgefunden hat. In der Industrie ließen sich die Emissionen um bis 86 Prozent senken. Der Umstieg auf grüne Technologien verspreche ein jährliches Marktpotenzial von 300 Milliarden Euro. Das entspreche bis zu 15 Prozent des derzeitigen Gesamtumsatzes aller Maschinenhersteller weltweit. Bis 2050 summiere sich das Potenzial auf etwa 10 Billionen Euro.

Ein ebenfalls hohes Marktpotenzial sehen die Autoren in der digitalen Durchdringung der Wertschöpfungskette, etwa durch digitale Plattformen, virtuelle Inbetriebnahmen oder prädiktive Wartungslösungen. Zugleich bemängeln sie, dass Maschinenbauunternehmen gegenüber anderen Branchen vergleichsweise zurückhaltend bei der Einführung digitaler Technologien sind. In der Automobilindustrie ergeben infolge des Mobilitätswandels den Autoren zufolge neben Risiken auch neue Chancen für die Wertschöpfung, etwa im Bereich neuer Elemente für den veränderten Antriebsstrang oder den Brennstoffzellenantrieb.

Der Strukturwandel birgt auch Risiken

Die Autoren schränken jedoch ein, dass der erfolgreiche Wandel in der Maschinenbauindustrie auch an Voraussetzungen geknüpft ist. So hänge es letztlich auch an der Bereitschaft der Kunden, für Lösungen mit geringerer Energieintensität zunächst mehr Geld zu bezahlen. Zudem müssten Risiken digitaler Geschäftsmodelle wie Datendiebstahl oder Datenerpressung minimiert werden, auch durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingen und die wirkungsvolle Ahndung von Verstößen.

Dass eine Industrie gestärkt aus einer Krise herauskommen kann, legen die Autoren Hartmut Frey, Engelbert Westkämper, Dieter Beste in einem Beitrag des Buchs Globalisierung nach der Corona-Krise am Beispiel der deutschen Fertigungsindustrie in der Bankenkrise der Jahre 2008 und 2009 dar. Die Branche habe ihre personellen und kapazitiven Kompetenzen über die Krise im Wesentlichen halten und mit der wiedereinsetzenden Nachfrage  schnell reaktivieren können. Dabei waren die Unternehmen insbesondere dort erfolgreich, wo sie neue Technologien implementierten, die bereits an der Schwelle zur Anwendung standen, oder wo sie interne Prozesse im Sinne der Lean Production rationalisierten. Während der Corona-Krise ist nach Ansicht der Autoren die digitale Kommunikation die Technologie der Stunde. Sie werde der industriellen Produktion einen massiven Impuls geben, der sowohl die Wertschöpfung als auch Geschäfts- und Unternehmensmodellen nachhaltig verändere.

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