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25.06.2018 | Unternehmensprozesse | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der Weg zum agilen Prozessmanagement

verfasst von: Simon Schröbel

5 Min. Lesedauer

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Auf die Frage, wie sich Unternehmen ihrem immer schnelllebigerem Umfeld anpassen können, sind agile Methoden immer häufiger die Antwort. Doch bei der Einführung müssen Führungskräfte mit Widerstand rechnen, schreibt Gastautor Simon Schröbel.

Auf veränderte Marktanforderungen agile Antworten geben zu können – diesem Ansatz folgt auch das agile Prozessmanagement. Seine potenziellen Vorteile gegenüber der klassischen Variante liegen in der höheren Geschwindigkeit bei Prozessdesign und -implementierung. Aber bei der Realisierung von agilem Prozessmanagement müssen Unternehmen auf interne Widerstände gefasst sein. Es gilt, dem Beharrungsvermögen der eigenen Organisation zu begegnen, das agile Prozessmanagement auch als Change-Projekt zu verstehen und die typischen Fehler bei der Einführung agiler Methoden von Anfang an zu vermeiden.

Empfehlung der Redaktion

01.04.2013

Agiles Prozessmanagement mittels Subjektorientierung

Ein einheitliches Prozessmodell als Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Business-Process-Management- (BPM- )Aktivitäten und die intensive Einbeziehung relevanter Stakeholder in den organisationalen Entwicklungsprozess werden vermehrt als positive Faktoren für Agilität diskutiert.


Change provoziert Widerstand

Wenn Organisationen ein agiles Prozessmanagement einführen, zeigen sich immer gewisse Widerstände gegen die Veränderung, gerade in einem Unternehmen, das keine oder nur wenig Erfahrungen mit agilen Methoden hat. Ein agiles Vorgehen wirkt sich auf interne Strukturen und Vorgänge aus, etwa auf die Kommunikation und Zusammenarbeit im Unternehmen, auf Meetingkultur und Berichterstattung. Die meisten Widerstände lassen sich in drei Kategorien gruppieren:

  • Kommunikation
  • Organisation
  • Unternehmenskultur

Veränderte Kommunikation

Zu den gängigen kommunikativen Mitteln im agilen Kontext zählen Daily Stand-ups, regelmäßige Sprint Reviews und Retrospektiven. Diese festen Kommunikationsstrukturen schließen Missverständnisse leider nicht aus – oft bleibt die Kommunikation innerhalb der agilen Teams und mit der Organisation aufgrund bestehender Rapportstrukturen ungenügend. Tatsächlich erfordern agile Methoden eine entsprechende Kommunikationsstruktur innerhalb der Organisation – was häufig vernachlässigt wird. Ein anderes Problem ist, dass der agile Ansatz nur mangelhaft vermittelt wird und die Kommunikation mit den relevanten Stakeholdern in der Organisation unzureichend bleibt.

Change in der Organisation

Die Kommunikationsstruktur einer Unternehmung ist in der Regel eng mit ihrer Organisationsstruktur verknüpft. Silogetriebene und stark hierarchisch geprägte Organisationen tun sich zu Beginn besonders schwer. Denn agiles Prozessmanagement kann bedeuten, dass ein Abteilungsleiter regelmäßig mit Mitarbeitern aus der Linie im Rahmen von Sprints zusammenarbeiten muss. Vielleicht wird sogar ein Fachexperte Arbeitspakete an Vorgesetzte delegieren, die sie dann bis zum nächsten Meeting abzuarbeiten haben. In hierarchischen Organisationen ist solch eine Arbeitsweise so ungewohnt, dass sie bei Managern wie Mitarbeitern für Unbehagen sorgt. Zudem gilt es, Process Owner, Prozessexperten und Prozessmodellierer zu ernennen und mit der Befugnis auszustatten, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen – jenseits der alten Hierarchiestruktur. Gerade an dieser Stelle ist die explizite Unterstützung durch das Top-Management unerlässlich. Hier kann es helfen, einen Chief Process Officer zu benennen und einen Lenkungsausschuss zu berufen.

Eine neue Unternehmenskultur

Neben der Organisationsstruktur hat auch die Unternehmenskultur großen Einfluss auf den möglichen Widerstand. Die Unternehmenskultur wird schon darin sichtbar, wie Kollegen und Kolleginnen miteinander umgehen. Auch in dem Mindset der Organisation tritt sie zutage. Wird schon in Teams gearbeitet oder eher isoliert? Gibt es eine etablierte Fehlerkultur? Ist Mikromanagement an der Tagesordnung, oder steht die Eigenverantwortung der Mitarbeiter im Vordergrund?

Typische Fehler von Anfang an vermeiden

Starke Hierarchien, silogetriebene Strukturen, keine etablierte Fehlerkultur und wenig Eigenverantwortung der Mitarbeiter sind immer Indikatoren dafür, dass noch wenig Offenheit besteht. In solchen Unternehmen ist es wichtig, durch methodische Unterstützung zuerst die Grundlagen für ein agiles Vorgehen zu schaffen. Anhand von Pilotprozessen im Unternehmen mit bestimmten Mitarbeitern und ausgewählten Prozessen lässt sich das agile Prozessmanagement zunächst testen. Learnings aus dieser Pilotphase werden berücksichtigt und eingearbeitet, sodass das praktisch erprobte und verbesserte Vorgehen mit der Organisation geteilt werden kann. Basierend auf ersten Erfolgen lassen sich dann nach und nach weitere Prozesse hinzuziehen. Dieses inkrementelle Vorgehen darf – der Adaptionsgeschwindigkeit der Organisation entsprechend – auch Stück für Stück beschleunigt werden.

Akzeptanz für agiles Prozessmanagement

Sehr wichtig ist es, etwaige Widerstände in der Organisation zu jedem Zeitpunkt ernst zu nehmen und ihnen proaktiv entgegenzuwirken. Die Unterstützung durch die Managementebene ist dafür unerlässlich. Die Erfahrung zeigt aber auch: Je traditioneller die Unternehmenskultur, desto sinnvoller kann es sein, einen externen Berater hinzuzuziehen, der die Veränderung hin zu einem agilen Prozessmanagement anschiebt. Als unbelastete, neutrale Instanz wirkt er ausgleichend und vermittelt die Vorteile des agilen Prozessmanagements in der Organisation, ohne vordergründiger Eigeninteressen verdächtig zu sein. Es gibt viele gute Gründe dafür, agile Prinzipien auf die Entwicklung von Prozessen anzuwenden. Damit agiles Prozessmanagement seine Vorteile aber ausspielen kann, muss es im Unternehmen zuerst akzeptiert werden. 


Agiles Prozessmanagement beim Energieversorger

Ein Beispiel dafür, was agiles Prozessmanagement bewirkt, liefert ein Projekt bei einem deutschen Energieversorgungsunternehmen. In einem ersten Schritt wurde dort zur Bestandsaufnahme eine Prozesslandkarte erstellt, aus der beispielgebende Pilotprozesse ausgewählt wurden. Einer davon war der Abrechnungsprozess, zu dem es von Kunden bisweilen auch negatives Feedback gegeben hatte. Der agilen Scrum-Methodik entsprechend wurde der Prozess wie ein Produkt definiert, mitsamt Backlog der abzuarbeitenden funktionalen Anforderungen. Ebenso wurden ein interner Process Owner bestimmt und ein Designteam zusammengestellt. Weil das Projekt neben dem operativen Geschäft durchgeführt werden musste, legte man die Dauer der Sprints auf drei Wochen fest. Nach einiger Zeit war der Minimal Viable Process erstellt und konnte ausgerollt werden. Daran schlossen sich weitere Sprints an, um den Prozess weiter zu verfeinern. Das Resultat: Das Redesign hat die Fehlerquote bei der Abrechnung halbiert.

Auch wenn das Unternehmen – wie die meisten Energieversorger – von Haus aus kein agiles Mindset mitbrachte, hat das Ergebnis überzeugt. In doppelter Hinsicht: Das Designteam konnte den als Pilotprojekt dienenden Prozess deutlich verbessern, und das agile Prozessmanagement hat seinen Wert bewiesen. Positives Feedback der Stakeholder gab es auch zum iterativen Vorgehen: Nach jedem dreiwöchigen Sprint lag jeweils ein neues, funktionales Prozessergebnis vor. Die inkrementelle, bedarfsgerechte Verbesserung war nicht nur ein methodisches Versprechen des agilen Prozessmanagements, sondern Wirklichkeit.

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