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09.08.2023 | Venture Capital | Schwerpunkt | Online-Artikel

Start-ups fehlt das nötige Risikokapital

verfasst von: Sylvia Meier, Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Eine Gemengelage unterschiedlicher Krisen sorgt weltweit für Verunsicherung. Auch Venture-Capital-Investitionen sind davon betroffen, wie aktuelle Studien belegen. Dabei knausern die Geldgeber selbst bei den bislang beliebten Start-ups aus der Tech-Branche. 

Für junge Firmen ist der Zugang zu klassischen Kapitalquellen oft verwehrt: Banken fehlen belastbare Daten wie zum Beispiel Jahresabschlüsse und andere Erfahrungswerte aus der Vergangenheit. Ist das Unternehmen neu am Markt, muss es sich außerdem dort erst behaupten. Dabei sind die internen Strukturen meist noch nicht stabil und Kreditsicherheiten gibt es nur wenige oder gar keine. Eine Investition in ein solches Start-up ist daher mit einer Reihe von Risiken verbunden. Im schlimmsten Fall ist das Kapital komplett verloren, wenn ein Unternehmen scheitert.

Obwohl die Anzahl der Insolvenzen in Deutschland seit 2017 um gut 30 Prozent zurück gegangen ist, ist die Zahl der Insolvenzen bei jungen Unternehmen seit 2021 um gut 25 Prozent gestiegen. Start-Ups sind aus unterschiedlichen Gründen noch einmal besonders gefährdet. Aktuell gehen Analysten davon aus, dass bis Ende 2023 die Hälfte aller Start-Ups vom Markt verschwinden werden", schreibt Springer-Autor Quirin Graf Adelmann v. A.

Viele Start-ups setzen auf Venture Capital

Unter Start-ups und insbesondere bei technologieorientierten Newcomern ist daher Venture Capital (VC) sehr beliebt. Das Risikokapital ist eine wichtige Finanzierungsform für Unternehmen mit besonderen Risiken. Für sein finanzielles Engagement erhält der Geldgeber weitaus mehr Informationen, Kontroll- und Mitsprachrechte als bei dies bei gewöhnlichen Beteiligung üblich ist. Dafür stellt der Investeor neben dem Kapital häufig auch betriebswirtschaftliches Know-how zur Verfügung.

Allerdings stellt die Inflation die globale Wirtschaft derzeit auf eine harte Probe. Auch auf dem VC-Markt ist die Vorsicht der Akteure spürbar. Die Analyse "Venture Pulse Q2/2023" der Beratungsgesellschaft KPMG zeigt, dass deutlich weniger investiert wird.

Geopolitische Unsicherheiten, eine hohe Inflation und die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen in vielen Ländern haben den globalen Risikokapitalmarkt in der ersten Jahreshälfte verunsichert. Die Investoren sind nach wie vor sehr vorsichtig, prüfen potenzielle Deals noch genauer und legen bei ihren Investitionen ein besonderes Augenmerk auf die Rentabilität und Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle von Start-ups", erläutert Ashkan Kalantary, Deal-Advisory- und M&A-Experte bei KPMG, die aktuelle Entwicklung. 

Es fließt weniger Risikokapital

Die Analyse legt offen, dass die globalen VC-Investitionen von Januar bis Juni 2022 noch bei 331,1 Milliarden Dollar lagen. Im ersten Halbjahr 2023 sanken diese um 50 Prozent auf nur noch 163,6 Milliarden Dollar (rund 149,22 Milliarden Euro). Betrachtet man die Ergebnisse für die Vergleichszeiträume in Bezug auf Europa, so wird hier der Einbruch beim frischen Kapital besonders deutlich: Mit 27,9 Milliarden Dollar (rund 25,45 Milliarden Euro) wurden 61 Prozent weniger investiert.

In Deutschland gingen die Investitionen um 53 Prozent auf 3,95 Milliarden Dollar oder umgerechnet 3,6 Milliarden Euro zurück. Berlin zeigte sich über viele Jahre als Hochburg für Venture Capital. Doch auch in der deutschen Hauptstadt ist das Wagniskapital um 65 Prozent gesunken und lag lediglich bei 1,82 Milliarden Dollar (rund 1,66 Milliarden Euro).

Nur wenige große Deals

Nicht nur die Anzahl der Deals ging deutlich zurück. Auch beim Volumen macht sich die vorsichtigere Herangehensweise bemerkbar. Laut der Analyse gab es nur wenige große Transaktionen. Hierzu gehören beispielsweise Kapitalerhöhungen

  • in Höhe von 6,8 Milliarden US-Dollar durch den US-Online-Bezahldienst Stripe,
  • in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar durch den in Singapur ansässigen Online-Händler Shein sowie
  • in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar durch das von Microsoft unterstützte KI-Start-up Inflection in Kalifornien.

Start-ups und Fintechs kämpfen um Finanzierungen

Neue, innovative Unternehmen sind zwar aufgrund des technologischen Wandels von großer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Doch Fintechs und andere Start-ups geraten aufgrund der aktuellen Entwicklung deutlich unter Druck, wenn es um die Beschaffung von frischen Finanzmitteln geht. 

So zeigt die KPMG-Studie Pulse of Fintech Q1/2023, dass die Investitionen in Jungunternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr drastisch eingebrochen sind. Die globalen VC-Investitionen in Fintechs betrugen von Januar bis Juni 2022 knapp 108 Milliarden Dollar. Im ersten Halbjahr 2023 lag diese Summe bei nicht mal der Hälfte (52,4 Milliarden Dollar).

Software & Analytics bei VC-Gebern beliebt

Der EY Start-up Barometer Juli 2023 kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis für deutsche Start-ups: Die Analysten errechneten für das erste Halbjahr 2023 eine Investitionssumme von 3,1 Milliarden Euro und damit noch etwas weniger als die Experten von KPMG. Und auch sie stellten einen Rückgang bei der Zahl größerer Abschlüsse fest. Während in der ersten Jahreshälfte 2022 noch 15 Deals im Wert von mehr als 100 Millionen Euro abgewickelt wurden, waren es von Januar bis Juni 2023 gerade noch fünf Transaktionen in vergleichbarem Umfang. 

Die meisten Risikokapitalinvestitionen zählten die EY-Fachleute für den Bereich Software & Analytics mit insgesamt 769 Millionen Euro. Dem folgt die Energy-Brnache mit Investitionen in Höhe von 677 Millionen Euro und auf Rang drei der E-Commerce-Sektor mit Kapital in Höhe von 395 Millionen Euro.

Aussagekräftigen Daten und ESG helfen

Dass der VC-Markt auf die aktuelle Wirtschaftslage so sensibel reagiert, macht die Finanzierungssituation für Unternehmensgründer deutlich schwieriger. Umso wichtiger sind aussagekräftige Daten. Dabei muss zunächst ein Controlling-System ohne historische Informationen entwickelt und von den kaufmännisch meist unerfahrenen Gründern betrieben werden. Jörn Littkemann, Christian Geyer und Sabrina Jung raten im Buch "Innovationen in der Wirtschaft" zu einem einfachen und verständlichen System. "Mit fortschreitendem Entwicklungsstand des Start-ups und einem umfangreicheren Datenbestand kann das Controllingsystem auch komplexere Formen annehmen."

Zudem offenbaren die Studien von KPMG und EY, das Jungunternehmen mit Sustainability-Bezug bei den Finanzierungsrunden bessere Chancen haben. Dass dieses Segment eine zunehmend wichtige Rolle bei den Wagniskapitalgebern spielt, hat im Juni auch die Förderbank KfW festgestellt. "Unter allen Technologiefeldern werden Climate-Tech-Unternehmen seitens der Investoren derzeit die größten Wachstumschancen zugesprochen", schreiben die Volkswirte von KfW Research. Allerdings sei die Sparte als Marktbereich aus Investorensicht auch mit überdurchschnittlich hohen Risiken behaftet. 

Um künftig das große Wachstumspotenzial in diesem Technologiefeld nutzen zu können, werden vor allem ökonomische Aspekte, wie eine steigende Kundennachfrage, entscheidend sein. "Diese wiederum werden wesentlich durch verlässliche klimapolitische Leitplanken geprägt, die zudem Planungssicherheit für Investoren schaffen und mit der Klimatransformation einhergehende Risiken senken."

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Quelle:
Venture Capital

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