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24.02.2022 | Vergütung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Für New Pay gibt es keine Blaupause

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

5:30 Min. Lesedauer

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Starre Vergütungsmodelle passen nicht in eine Arbeitswelt, die auf Kooperation und Kollaboration setzt. New Pay gilt als Reaktion auf New Work. In der Praxis beschäftigen Unternehmen sich aber kaum damit. Auch Mitarbeitende scheuen die Selbstverantwortung fürs eigene Einkommen.

"Wer es ernst meint mit den neuen Formen der Arbeit, merkt schnell, dass klassische Vergütungsmodelle mit ihren Führungszulagen und Einzelkämpfer-Boni nicht mehr dazu passen", schreibt Claudia Obmann im "Handelsblatt" über den längst fälligen Abschied von der jährlichen Gehaltsverhandlung mit dem Chef. 

Der Gedanke, im New-Work-Zeitalter konsequent auf New-Pay umzusteigen, drängt sich schon aus Gründen der Lohnfairness auf. Wie zuverlässig lassen sich schließlich im agilen oder flexiblen Team mit wechselnden Rollen und Verantwortungen diejenigen ermitteln, die für wirtschaftliche Erfolge mit Spitzengehältern oder Boni gerechterweise belohnt werden sollten?

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New Work braucht den Willen zu New Pay

Aufgaben der modernen Arbeitswelt sind auf funktionierende Teams angewiesen, die es verstehen miteinander zu kooperieren und zu kollaborieren. Unternehmen, die sich weiterentwickeln und attraktiv für die begehrten Young Professionals bleiben wollen, haben verstanden, dass dafür traditionell-hierarchische Schranken fallen müssen. Dazu  gehören auch die Gehaltsmodelle. Gestaffelte und funktionsgebundene Vergütung verträgt sich nicht mit New Work. Moderne Vergütungssysteme wirken dagegen positiv auf Innovation und Wertschöpfung.

Erkannt haben das aktuell vor allem kleinere Unternehmen mit starkem Fokus auf eine sich selbstorganisierende Belegschaft. New-Pay-Ansätze werden hier vergleichsweise selbstverständlich angewandt. Der "New Pay Report 2021" des New Pay Collective in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim zeigt, warum es für Organisationen immer wichtiger wird, Mitarbeitende beim Gehalt mitbestimmen zu lassen und was es für beide Seiten zu lernen gibt. Er stützt sich dabei auf eine qualitative Befragung von zwölf Experten aus den DACH-Staaten sowie eine quantitative Online-Umfrage mit 418 Mitarbeitenden aus Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen. Die Unterschiede zwischen klassischer Vergütung und New Pay skizzieren die Studienautoren wie in folgender Tabelle zusammengefasst.

Klassische Vergütung

New Pay

Bemessungsgrundlagen für Verteilungsgerechtigkeit, subjektive Beurteilungselemente

Fairness: Verfahrens- & Verteilungsgerechtigkeit

Intransparenz & Geheimhaltung (Ausnahme: regulierte Systeme)

Transparenz: Transparente Prozesse oder Gehälter

Verantwortung für Gehaltshöhe & Leistungsbewertung liegt beim Management oder Experten (Steuerungs- & Kontrollinstrument)

Selbstverantwortung: Mitbestimmung bei Leistungsbewertung und Entgelt

Management & Experten treffen relevante Entscheidungen bei der Gestaltung des Vergütungssystems

Partizipation: Mitarbeitende sind an der Gestaltung des Vergütungssystems beteiligt

Standardisierte Prozesse (etwa Cafeteria-System)

Flexibilität: Beachtung individueller Bedürfnisse

Fokus auf individuelle Leistung, hierarchische Differenzierung

Wir-Denken: Fokus auf Team- & Gesamtleistung

Starre Prozesse (etwa rigide Regulierungen)

Permanent Beta: Lern- & Anpassungsfähigkeit

New Pay ist permanent Beta

Vergütung belohnt gewünschte Verhaltensweisen. Wird sie als fair wahrgenommen, entwickeln sich diese zu dominanten Verhaltensweisen, erklären die Studienautoren. New Pay mache sich das zunutze und setze beim Gestalten von neuen Gehaltsmodellen auf die sieben Dimensionen Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta. 

Im Gegensatz zur traditionellen Vergütung, die sich in Teilen ebenfalls an diesen Prinzipien orientiert, lässt sich New Pay von zwei grundsätzlichen Annahmen leiten: Vergütung ist Abbild der Unternehmenskultur muss zur gewünschten Kultur passen, um erfolgreich zu sein. Und New Pay beleuchtet die Wechselwirkungen in einer Organisation ganzheitlich.  Es führt die Bedarfe von Organisation und Mitarbeitenden zusammen. Die können sich wandeln und verändern. Vergütung befindet sich also im ständigen Anpassungsmodus. Wie reagieren darauf diejenigen, die in der Praxis von New Pay profitieren sollen? 

Selbstverantwortung ist die kritische New-Pay-Dimension

Jeder zweite Teilnehmer der quantitativen Umfrage  (53,3 Prozent) findet, dass sich die klassische Vergütung verändern muss. Fairness ist für 56,9 Prozent das wichtigste Prinzip bei der Gehaltsfindung. Aktiv daran mitwirken und an der Gestaltung der Vergütungskriterien teilhaben, wollen allerdings die wenigsten. Entsprechend ist die Dimension Partizipation nur für 22,8 Prozent relevant. 

Die Dimension Selbstverantwortung, die Möglichkeit das eigene Gehalt sowie das der anderen Beschäftigten mitbestimmen und mitgestalten zu können, rangiert mit nur 8,9 Prozent am Ende der Skala. Hier unterscheiden sich die Präferenzen je nach Führungsbefugnis. So lehnen die Befragten zwar nicht grundsätzlich ab, beim eigenen Gehalt mitbestimmen zu dürfen. Sie wollen sich allerdings nicht äußern, wenn es um das Gehalt von Kolleginnen und Kollegen geht. Personen mit Führungsverantwortung stehen dem weniger ablehnend gegenüber. Am liebsten ist allen Umfrageteilnehmern, wenn der Chef das Gehalt festlegt.

Wer sollte über Gehälter entscheiden?

  • 61,9 Prozent: die direkten Vorgesetzten
  • 30,2 Prozent die Personalabteilung
  • 28,7 Prozent: jeder Mitarbeitende selbst
  • 28,2 Prozent: das eigene Team
  • 21,8 Prozent: der Betriebsrat/Personalrat
  • 19,3 Prozent: Tarifpartner/Gewerkschaften

Für New Pay gibt es kaum Vorbilder

Gehaltsthemen sind für die meisten Befragten nach wie vor Tabuthemen, schlussfolgern die Studienexperten. Sie raten dazu, die Vorbehalte mutig aufzubrechen und etwa mit einem Freiwilligenteam an einem neuen Vergütungssystem zu arbeiten. Das, so schränken sie ein, müsse auch nicht alle Beschäftigten glücklich machen. Wichtig sei es, sich dem New-Pay-Zeitalter in kleinen Schritten zu nähern und zu akzeptieren, dass sich Vergütung in einem ständigen Veränderungsloop befindet. "Wer nach einer Blaupause für das ideale Vergütungssystem sucht, wird an dieser Stelle enttäuscht. Denn: Die Gestaltung des Vergütungssystems ist so einzigartig, wie die Kultur der Organisation selbst."

Bloß nicht gleich alles über Bord werfen und auch keine disruptiven Veränderungen erwarten, so lautet auch das Fazit von Springer-Autor Jürgen Weißenrieder in Bezug auf nachhaltiges Vergütungsmanagement. Vergütung müsse entkompliziert werden sowie zum Reifegrad der Unternehmenskultur passen. New Work brauche keine grundlegend neuen Instrumente, sondern eine Anpassung der vorhandenen Instrumente in Bezug auf: Änderungsgeschwindigkeit, Vielfalt der Regelungen, Partizipation der Beschäftigten in der Entstehung und Transparenz in der Vergütungsanwendung (Seite 316). Und wie schaffen es nun die Unternehmen, die guten Willens sind, ihr Mitarbeitenden zu mehr Verantwortungsübernahme und Selbstbestimmung in Sachen Vergütung zu bewegen? 

In kleinen Schritten dem New-Pay-Zeitalter entgegen

"Wir sind dabei, Neuland zu betreten, und müssen uns dessen auch bewusst sein", gesteht Weißenrieder Wissens- und Erfahrungslücken bei der Vergütung in agilen Zeiten ein. Noch praktizieren zu wenige Unternehmen die selbstbestimmte Vergütung, als dass andere davon lernen können. Allerdings lassen sich Erfahrungen aus anderen Bereichen der kooperativen Entscheidungsfindung verwerten. Daraus leitet der Autor ein Szenario ab, auf dessen Basis Beurteilungs- und Entgeltentscheidungen an Mitarbeiter und ihr Team delegiert werden können (Seite 290): 

  1. Festlegung eines Erhöhungsbudgets für das Team
  2. Entscheidungsvorbereitung beziehungsweise Datensammlung
  3. Selbsteinschätzung und Erhöhungsvorschlag
  4. Beratung der Informationen und Vorschläge
  5. Entscheidung über die Verteilung des Erhöhungsbudgets des Teams
  6. Mögliche Ergänzung des Entscheidungsprozesses

Diese Schritte könnten Kopfschütteln erzeugen, findet Weißenrieder. Dort aber, wo sie auf fruchtbaren Boden fallen, verhelfen sie der selbstbestimmten Entgeltfindung zu mehr Akzeptanz und verbessern gleichzeitig die unternehmerische Wertschöpfung. Selbstbestimmtes Entgelt muss also nicht unbedingt eine romantische Vorstellung bleiben.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

Haltung: Partizipation

Quelle:
Gesunde Führung

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Leitfaden

Quelle:
Ausbruch aus der Komplexitätsfalle

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