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12.10.2020 | Vertriebsmanagement | Interview | Online-Artikel

"Der Vertrieb ist das erste Glied der Wertschöpfungskette"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurden:
Dirk Thiemann

ist Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Vertriebskompetenz (DIV) GmbH & Co. KG in Radolfzell.

Rainer Skazel

ist Geschäftsführender Gesellschafter des DIV-Instituts in Radolfzell.

Für viele Unternehmen ist der Vertrieb noch eher eine Blackbox. Wie sie Potenziale besser ausschöpfen und Vertriebsteams dabei mitnehmen, erklären Dirk Thiemann und Rainer Skazel im Interview mit Springer Professional. 

Springer Professional: Herr Thiemann, Top Sales Companies suchen ständig nach Verbesserungsmöglichkeiten, messen konsequent ihre Vertriebserfolge und loten Vertriebspotenziale aus – soweit das Ideal. Wie nahe kommen ihm deutsche Vertriebe?

Dirk Thiemann: Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder gesehen, dass deutsche Unternehmen besonders im Vertrieb ihre Potenziale vernachlässigen. Es werden in allen anderen Unternehmensbereichen Audits zur Prozessoptimierung gemacht. Der Vertrieb ist aber meist eine Blackbox. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass deutsche Unternehmen oftmals nur 70 Prozent ihrer Vertriebschancen nutzen.

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Der Vertrieb ist die Schlüsselkompetenz für den Unternehmenserfolg. Es gibt 16 Dimensionen und Leistungsfaktoren, die darüber entscheiden, ob ein Unternehmen vertrieblich erfolgreich wird oder nicht.

Herr Skazel, in Ihrem gemeinsamen Buch wird stellenweise ein recht schwarzes Bild des deutschen Vertriebs gezeichnet. Da ist von inkompetenten Verkäufern und von Vertriebsführungskräften die Rede, die ihre Hausaufgabe, zukunftsfähige Vertriebsstrategien zu erarbeiten, nicht erledigen. Fehlt es an Kompetenz und Ressourcen, am Willen oder der Struktur der Organisationen?

Rainer Skazel: Der klassische Verkäufer oder Außendienstmitarbeiter ist kein Ausbildungsberuf und so sind viele Menschen aus anderen Berufsgruppen, zum Beispiel aus dem Handwerk oder dem Bankensektor in die Bauzulieferbranche oder die Finanzdienstleistung eingestiegen. Eine verkäuferische Grundausbildung findet nur in den wenigsten Unternehmen statt. Vielmehr steht die Produktschulung und fachliche Ausbildung im Vordergrund. Dementsprechend fehlt es häufig auch an einer Ausbildung der Führungskräfte. Ein hoher Prozentsatz von ihnen antwortet auf die Frage, warum sie denn zur Führungskraft berufen wurden, mit dem Klassiker: "Ich war der beste Verkäufer im Unternehmen". Es fehlt vielmals nicht am Willen, eher an der Professionalität, angefangen bei der Personalauswahl bis hin zur Entwicklung der Mitarbeiter zu Top-Performern.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Gründe, warum Vertriebsleistungen von Verkäufern unzureichend sind und wie können sie besser werden?

Dirk Thiemann: Die meisten Verkäufer sind schlichtweg von ihrer Verkaufskompetenz her nicht gut genug ausgebildet. Dazu kommt, dass ihre Fertigkeiten nicht optimal zur Anforderung der Organisation passen. Oftmals ist auch die Führung nicht eng genug dran. 

Wie können Vertriebe diese Situation verbessern?

Durch folgende drei Maßnahmen können Unternehmen den Umsatzturbo einstellen: Der entscheidende Erfolgsfaktor ist die ganzheitliche Analyse der Vertriebsorganisation mit der Verknüpfung der maßgeblichen Erfolgsfaktoren von Mitarbeitern und der Führung. Dann gilt es, das Recruiting zu verbessern und die Mannschaft strategisch zu entwickeln.

Unternehmen fehlt es trotz Digitalisierung häufig noch an einer konsequent ausgerichteten kunden- und vertriebsorientierten Unternehmenskultur – wie sollte sie aussehen?

Rainer Skazel: Im kompletten Unternehmen sollte Vertriebs- und Kundenorientierung gelebt werden. Der Vertrieb ist das erste Glied der Wertschöpfungskette und ohne Kunden stehen auch im Innendienst oder der Produktion die Räder still. Dementsprechend ist diese Orientierung ein Teil der Unternehmenskultur. Speziell in technisch orientierten Unternehmen hat der Vertrieb oft einen schweren Stand. Aufträge müssen nicht nur an den Kunden sondern teilweise auch nach innen verkauft werden. Das bringt ein hohes Frustrationspotenzial mit sich. Sicher gilt der Spruch "Der Kunde ist König" heute nicht mehr. Jedoch sollte im Sinne der Kundenorientierung zumindest die Regel "Der Kunde hat Vorfahrt" gelten. Zu einer notwendigen Vertriebs- und Kundenstrategie sollte sich nicht nur der Vertrieb, sondern das ganze Unternehmen verpflichten.

Mit dem Vertriebsaudit, das Sie im Deutschen Institut für Vertriebskompetenz entwickelt haben, können Unternehmen ihre eigene Vertriebsorganisation auf Herz und Nieren prüfen. Wie funktioniert das Audit und wie profitiert der Vertrieb?

Dirk Thiemann: Mit dem Performanceaudit werden Potenziale im Vertrieb sichtbar gemacht. Die Basis dafür ist eine Management- und Mitarbeiterbefragung und eine systematische 360-Grad-Einschätzung von Kompetenzen, Potenzialen, Strukturen und Rahmenbedingungen des Vertriebs im Hinblick auf den strategischen Unternehmenserfolg. Das Online-gestützte Verfahren analysiert 16 erfolgsrelevante Vertriebsdimensionen. Die Auswertung der Analyse erfolgt über eine 360-Grad-Betrachtung und zeigt im Ergebnis über ein Ampelsystem sofortige Handlungsfelder auf. Auf dieser Basis kann das Unternehmen seine ungenutzten Potenziale heben und den Umsatz signifikant steigern.   

Entscheidend im Vertrieb sind die richtigen Personalressourcen und anpassungsfähige, flexibel und empathische Verkäufer, wie Sie im Buch betonen. Was sollten Unternehmen hier bei der strategischen Personalentwicklung beachten, damit die richtigen Verkäufer an Bord kommen?

Rainer Skazel: Das Wort „richtig“ in Ihrer Fragestellung ist das entscheidende. Grundsätzlich, und das betonen HR-Professionals des Öfteren, ist die beste Personalentwicklung der richtigen Mitarbeiter am richtigen Ort, und zwar bereits beim Recruiting. Voraussetzung dafür, und natürlich auch bei der Personalentwicklung im Vertrieb ist, dass die Unternehmen eine genaue Vorstellung davon haben, welche Mitarbeiter mit welchen Kompetenzen benötigt werden, um die Herausforderung der Stelle zu meistern. Eine strategisch gewünschte Verdoppelung der Neukunden erfordert ein anderes Kompetenzprofil wie zum Beispiel der Ausbau des Bestandskundenumsatzes. Um dieses Bild klar zu bekommen, ist ein Benchmarkprozess mit klarer Kompetenzdefinition unumgänglich. In den seltensten Fällen verfügt ein Unternehmen im Vertrieb über ein Benchmarkprofil. Vielmehr sind klassische Aufgaben- und Stellenbeschreibungen an der Tagesordnung.

Was sind die Top-Drei-Zukunftskompetenzen für Verkäufer, die Sie derzeit noch vermissen? 

Dirk Thiemann: Aus dem Zwischenbericht unserer Vertriebskompetenzstudie wissen wir, dass es die wichtigsten Kompetenzen von Verkäufern sind, erfolgreich zu verkaufen, engagiert zu sein und Beziehungen zu gestalten. Diese Fähigkeiten werden auch in einer weiter zunehmenden Digitalisierung im Vertrieb in Zukunft wichtig sein.

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