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19.04.2024 | Verwaltungsfinanzen | Im Fokus | Online-Artikel

EU-Verbindlichkeiten erhöhen Deutschlands Schuldenberg

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3 Min. Lesedauer

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Um 3,3 Prozent kletterten die Schulden der öffentlichen Hand im vergangenen Jahr. Doch dem ZEW Mannheim fehlen in der Destatis-Statistik die Lasten, die der Corona-Wiederaufbauplan "Next Generation EU" mit sich bringt und kritisiert diese als fiskalisch intransparent.

Ende März teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) ein Plus bei der öffentlichen Verschuldung für das Jahr 2023 von 3,3 Prozent oder 77,4 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr mit. Damit standen Ende Dezember Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherung und Extrahaushalte bei Kreditinstituten und anderen privaten Unternehmen aus dem In- und Ausland mit insgesamt 2.445,4 Milliarden Euro in der Kreide. In die Statistik fließen seit dem zweiten Quartal 2023 auch die Schulden aller Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein. Ohne diesen Posten beliefe sich der Anstieg laut Destatis auf 2,9 Prozent. Das wären neun Milliarden Euro weniger. 

Auf diese offiziellen Verbindlichkeiten der Bundesrepublik kommt allerdings noch ein ganzer Batzen Schulden oben drauf, wie eine Anfang April veröffentlichte Studie zeigt, die das ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, kurz ZEW Mannheim, mit Unterstützung der Strube-Stiftung durchgeführt hat. Der zufolge fließen Programme wie der 750 Milliarden Euro umfassende Corona-Wiederaufbauplan "Next Generation EU" (NGEU) nicht anteilig in die nationale Datenerhebung ein, erklären die Studienautoren. Dabei mache dieser "verdeckte" Posten "bald schon etwa zehn Prozent der deutschen Staatsschuld aus". 

EU-Verschuldung setzt falsche ökonomische Anreize

"Die EU-Verschuldung ist politisch attraktiv. Ökonomisch setzt sie jedoch falsche Anreize, insbesondere für hoch verschuldete Mitgliedstaaten. Es ist dringend notwendig, dass sie auf die Staatsschulden der Mitgliedstaaten zugerechnet wird. Damit würde man die aktuelle fiskalische Intransparenz überwinden", betont Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.

Deutschland müsse zur Tilgung der Zuschüsse und Programme im Rahmen dieses Projektes nach voller Auszahlung aller Mittel rund 109 Milliarden Euro beitragen. Bis zur Rückzahlung aller NGEU-Kredite im Jahr 2058 kommen noch Garantien in Höhe von 134 Milliarden Euro hinzu. Noch dazu zählt die Studie deutsche Anteile an europäischen Krediten an Nicht-EU-Staaten in Höhe von weiteren 18 Milliarden Euro.

Schulden engen fiskalischen Spielraum ein

"Für Deutschland beläuft sich die Summe aus indirekten Rückzahlverpflichtungen bei Vollauszahlung nach Plan auf 262 Milliarden Euro. Das entspricht fast sechs Prozent des deutschen BIPs. Das ist eine stolze Summe, die den fiskalischen Spielraum Deutschland weiter einengt", urteilt Heinemann.

Der Corona-Wiederaufbauplan beinhaltet Zuschüsse an Mitgliedstaaten und EU-Ausgaben in Höhe von 390 Milliarden Euro sowie Darlehen im Umfang von 360  Milliarden Euro. "Die Tilgung erfolgt für die Kreditkomponente durch Rückzahlungen der kreditnehmenden Mitgliedstaaten und für die Zuschusskomponente aus dem EU-Haushalt. Für die Tilgung ist der Zeitraum 2028 bis 2058 vorgesehen", führte Heinemann 2021 in der Zeitschrift "List Forum" aus. 

Next Generation EU brachte Paradigmenwandel

Von Beobachtern wurde Next Generation EU, auf das sich der Europäische Rat im Juli 2020 nach langen Verhandlungen einigte, vielfach als Paradigmenwandel in der europäischen Fiskalpolitik wahrgenommen. "Während die Details des finalen Programms größtenteils von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, schmiedeten Angela Merkel und Emmanuel Macron einen Kompromiss zwischen den sogenannten Sparsamen Vier - Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden - und den südeuropäischen Staaten, die auf stärkere EU-Unterstützung drangen", formulieren es die Springer-Experten Max Heermann, Dirk Leuffen, Fabian Tigges und Pascal Mounchid. 

Die ehemalige Kanzlerin habe den Wiederaufbauplan seinerzeit mit dem "Risiko eines Auseinanderbrechens der Europäischen Union, dem wirtschaftlichen Eigeninteresse Deutschlands an einer prosperierenden Europäischen Union sowie einer Deservingness-Logik" gerechtfertigt. Aus dieser Perspektive erscheine NGEU als "notwendiges Übel", um Europa in einer nie dagewesenen Krise zusammenzuhalten. "Der temporäre Charakter des Wiederaufbauplans sichert dabei eine einfache Rückkehr zum prä-pandemischen Status Quo europäischer Fiskalpolitik, sobald die Krise erfolgreich überstanden ist", beschreiben die vier Experten im Buch "Das Ende der Merkel-Jahre" die politischen Hintergründe der Entscheidung.

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