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08.08.2023 | Bankstrategie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Banken kreuzen im konjunkturellen Gegenwind

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Die bisherigen Krisen haben Banken und Sparkassen gut verkraftet. Doch nun bläst ihnen ein kalter Wind entgegen: Das Finanzierungsgeschäft stottert, die Insolvenzzahlen steigen und die Inflation treibt die Kosten. Zahlreiche Risiken machen Prognosen für 2023 unsicher.

In Deutschland waren Ende 2022 laut Bankstellenstatistik der Deutschen Bundesbank 1.458 Kreditinstitute mit insgesamt 20.446 Zweigstellen aktiv. Auch wenn die Zahl der Geldhäuser und ihre Präsenzen seit der Finanzkrise deutlich gesunken ist, bleibt die Wettbewerbssituation hierzulande im Vergleich mit anderen Regionen schwierig. In den vergangen Jahren haben die Institute daher vor allem an der Kostenschraube gedreht, um profitabler zu werden. Dabei hatten sie mit Filialabbau und Stellenstreichungen allerdings häufig nur mäßigen Erfolg. 

Bessere Performance dank Fusionen

Für eine Reihe regionaler Häuser war daher die Fusion das Mittel der Wahl. "Besonders ausgeprägt ist der Rückgang im genossenschaftlichen Sektor. Das zahlenmäßig größte Segment des deutschen Bankenmarkts wirkt somit als Haupttreiber der Abwärtsbewegung", bemerkt hierzu Frank Nagel, Leiter Financial Advisory bei der Unternehmensberatung Deloitte, in der Zeitschrift "Bankmagazin" vom November 2022. 

Unlängst gaben mit der PSD Bank Kiel und der PSD Bank Nord zwei genossenschaftliche Direktbanken den Schulterschluss bekannt. Insgesamt verschwanden 2022 mehr als 30 Institute dieser Bankengruppe durch einen Zusammenschluss. Die Zahl der Sparkassen reduzierte sich im selben Zeitraum laut der Rangliste des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) immerhin um elf auf 361 Häuser. 

Zinswende bringt Ergebnis-Boom

Einen positiven Effekt hatte die von der EZB im Sommer 2022 eingeläutete Zinswende. Sie führte zunächst zu einem "regelrechten Zinsergebnis-Boom", wie Ingo Frommen, Senior Investment Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) im "Financial Blickpunkt Bankenmarkt Deutschland" von Ende Juli schreibt. Ihm verdanken viele Institute wesentlich höhere Margen, wie es im Global Banking Annual Review der Unternehmensberatung McKinsey & Company von Dezember 2022 heißt. 

"Im langfristigen historischen Durchschnitt konnten Geldhäuser von einer Wende des Zinszyklus profitieren und ihre Eigenkapitalrendite um rund zwei Prozent steigern", erläuterte Walter Sinn, Deutschlandchef von Bain & Company, im Bankmagazin-Beitrag "Die Zinswende ist ein Lichtblick" (Ausgabe 9 | 2022).

So umschifften die Banken und Sparkassen auch die bisherigen Krisen wie die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg, die rasant steigende Inflation sowie Turbulenzen im US-Bankensektor. Da bislang die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, nicht zuletzt dank staatlicher Hilfen, überschaubar blieb, verharrt die Risikovorsorge auf moderatem Niveau, wie Frommen erläutert. 

Konjunktureller Gegenwind wird stärker

Doch nun dreht sich das Bild: Laut LBBW sind die Aussichten für das zweite Halbjahr allerdings durchwachsen. Stützend dürfte die rückläufige Inflation wirken. Die Preise für Energie hätten sich bereits auf den Vorstufen deutlich verringert und auch bei den Konsumenten komme eine "gewisse Entlastung" an.

"Ungeachtet dessen ist die Inflation zur Jahresmitte mit 6,4 Prozent deutlich zu hoch. Das gilt auch für den Euroraum. Dort ist die Inflation im Juni mit 5,5 Prozent zwar geringer, aber auch dies dürfte die EZB dazu veranlassen, ihre Leitzinsen noch etwas zu straffen und sie dann für einige Zeit auf dem erreichten Niveau zu belassen", erläutert Analyst Frommen. Dieser restriktive Impuls werde im laufenden und im kommenden Jahr für konjunkturellen Gegenwind sorgen.

Baufinanzierung stottert

Auch wenn sich Eigenheime zuletzt leicht verbilligt haben, lasten gestiegene Zinsen und weiterhin hohe Preise für Wohnungen und Häuser vor allem in den Ballungsräumen und Metropolen auf dem Baufinanzierungsgeschäft mit Privatkunden, stellen Ökonomen von BVR Research in der aktuellen Ausgabe von "Volkswirtschaft kompakt" fest. Deutlich rückläufiger sind hingegen die Preise für Gewerbeimmobilien. Das gilt dem Immobilienpreisindex des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) zufolge vor allem für Büros und Einzelhandelsobjekte. 

"Das Kreditbuch für Baufinanzierungen Private ist unseres Erachtens stabil", konstatiert LBBW-Experte Frommen. "Problematischer als die Kreditqualität sehen wir die fehlenden Erträge aus dem Neugeschäft. Im Jahresvergleich halbierten sich zuletzt die Neugeschäftsvolumen nach Angaben der Bundesbank." Die acht Prozent gewerbliche Immobilienfinanzierungen im Gesamtkreditbestand deutscher Banken sind dem Analysten zufolge akzeptabel. Dabei halten die Institute mit 275 Milliarden Euro etwa 20 Prozent des gesamten EU-Bilanzbestandes. "Die Beleihungsgrenze, die Loan to Value (LtV), beurteilen wir als konservativ. Bei 62 Prozent der Kredite liegt die LtV bei unter 60 Prozent - einer der besten Werte unter den EU-Banken."

Allerdings haben die Institute mittlerweile im Hinblick auf steigende Risiken ihre Kriterien für die Kreditvergabe angezogen. Das gilt laut aktuellem Bank Lending Survey nicht nur für private Baufinanzierungen, sondern auch im Hinblick auf Unternehmensdarlehen und Konsumentenkredite. Der Deutschen Bundesbank zufolge werden die strengeren Anforderungen in allen drei Kreditsegmenten mit einer gesunkenen Risikotoleranz und mit einem erhöhten Kreditrisiko begründet.  

Risiken prägen Prognosen für 2023 

Die Risiken für deutsche Banken haben allerdings vor dem Hintergrund der verhaltenen konjunkturellen Aussichten und der geopolitischen Unsicherheiten deutlich zugenommen. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt stetig, das Preisniveau Immobilien belastet zunehmend die gewerbliche Immobilienfinanzierung, die Baufinanzierung Privater leidet unter dem Wegbrechen der Nachfrage, die Inflation treibt den Verwaltungsaufwand und der dynamische Anstieg der Zinsergebnisse seit der Zinswende könnte den Höhepunkt bereits überschritten haben", fasst Frommen zusammen. 

Die Banken seien deshalb im Hinblick auf die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr stark verunsichert. "Alle Kennzahlen deuten auf gute und verbesserte Jahresergebnisse 2023 hin", erläutert LBBW-Analyst Frommen. Doch die deutlich erkennbaren Risken könnten sich auch abrupt realisieren. 

Banken betreiben mehr Kreditvorsorge

Bislang liegt der Bestand notleidender Kredite der von der European Banking Authority (EBA) beaufsichtigten Institute zum 31. März 2023 um zehn Basispunkte über dem Vorjahreswert bei 1,1 Prozent. Der EU-Durchschnitt beträgt 1,8 Prozent. "Damit scheint die aggregierte Asset-Qualität bisher weder durch die Covid-19-Pandemie noch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges belastet. Die auf einzelnen Kreditmärkten bestehenden Risiken, wie zum Beispiel Einzelhandels- und Büroimmobilien, energieintensiv produzierende Unternehmen und Leveraged Loans, dürften unseres Erachtens beherrschbar sein", heißt es weiter. Auch übermäßige Risiken aus der Kreditvergabe für Wohnimmobilien seien nicht ersichtlich.

Dennoch deuteten jüngsten Bankdaten darauf hin, dass die Geldhäuser wieder verstärkt Kreditrisikovorsorge betreiben - im Vergleich zum langfristigen Mittel aber auf moderatem Niveau. "Wir gehen allerdings davon aus, dass im Jahresverlauf 2023 die Kreditrisikovorsorge weiter steigen wird und auch im Jahr 2024 höher ausfallen wird." Dabei beurteilt die Landesbank die Funding-Situation deutscher Häuser als weiterhin als stabil. 

Licht am Horizont

Die Banken verfügten über hohe Liquiditätspuffer, einen guten Kapitalmarktzugang und einen ausgewogenen Refinanzierungsmix - auch durch innovative ESG-Anleihen. Die Anforderungen an die Liquiditätsausstattung der deutschen Banken seien laut EBA-Daten voll erfüllt. Ein Vergleich zu den Liquiditätsproblemen der zuletzt in die Krise gekommenen US-Regionalbanken und der Credit Suisse zeige große Unterschiede, "die Deutschlands Banken erheblich sicherer erscheinen lassen".

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