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23.05.2018 | Fahrzeugsicherheit | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der lange Kampf um Vision Zero

verfasst von: Patrick Schäfer

5 Min. Lesedauer

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Die "Vision Zero" gilt als eine der letzten Utopien. Erstmals wurde das Ziel eines Straßenverkehrs ohne Tote und Schwerverletzte in Schweden formuliert: Kann moderne Technik diesen Anspruch einlösen?

Obgleich die Zahl der Verkehrstoten seit den 90er Jahren gesunken ist: Das Ziel von Vision Zero mit null Toten ist immer noch in weiter Ferne. Der Begriff der Vision Zero taucht bereits 1995 auf. Als geistiger Urheber gilt Claes Tingvall, damaliger Direktor für Verkehrssicherheit im schwedischen Zentralamt für Straßenwesen. Er formulierte das Ziel von Null Toten im Straßenverkehr, dass 1997 als Programm für Verkehrssicherheit ins schwedische Gesetz aufgenommen wurde. 

In Deutschland verfolgt die Initiative "Vision Zero" seit 2007 das Ziel von "Null Verkehrstoten". Ins Leben gerufen wurde sie von Dr. Walter Eichendorf, dem damaligen Präsidenten des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Auch die EU-Kommission verfolgt die Strategie und möchte bis zum Jahr 2050 auf Europas Straßen die Zahl der Verkehrstoten auf nahe Null bringen. Bei derzeit rund 26.000 Verkehrstoten jährlich ist also noch viel zu tun (Stand: 2015). Ebenso bekennt sich die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag zum Ziel der "Vision Zero". Dabei bleibt festzuhalten, dass dieses Ziel nicht nur auf die Getöteten Personen abzielt, sondern auch die Anzahl der Schwerverletzten im Visier hat.

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Vision Zero – eine Aufgabe nur für die Ingenieure?

Vision Zero ist also inzwischen ein politisch erklärtes Ziel europaweit – und es wurde in großen Teilen an die Ingenieure übergeben. Autonomes Fahren soll uns in Zukunft die Unversehrtheit des menschlichen Lebens garantieren. Künstlicher Intelligenz werden entsprechende Algorithmen programmiert. Die Technik soll den Menschen vor dem Missbrauch der Technik schützen, denn bei über 90 Prozent der Unfälle ist menschliches Versagen die Unfallursache. "Wir halten mit unserer 'Vision Zero' konsequent Kurs auf das autonome Fahren, weil dies langfristig dazu beitragen kann, die Zahl der Unfälle deutlich zu senken", erklärt beispielsweise ZF-CEO Dr. Konstantin Sauer. Er präsentierte auf der CES 2018 das "Dream Car" mit KI-fähiger Steuerbox ZF ProAI. Sie soll dem automatisierten Fahrzeug einen Lernprozess abseits der Straße via Simulation ermöglichen und so immer besser mit komplexen Verkehrssituationen umgehen lernen.

Auch Professor Dr.-Ing. Rodolfo Schöneburg, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik (FVT) und Centerleiter Sicherheit bei Daimler, sieht in der Automatisierung des Verkehrs einen Schlüssel, um die Zahl der Verkehrstoten deutlich zu senken. Auch wenn er die Fehlerquelle Mensch als Hauptursache für Unfälle im Straßenverkehr gilt, bleibt er kritisch, wenn es um die Überantwortung der Aufgabe Vision Zero an die Technik geht. 

Dennoch wäre es falsch, den Schluss zu ziehen, man müsse nur den Menschen durch eine Maschine ersetzen, um den Verkehr sicherer zu machen", gibt Schöneburg in seinem Artikel Verkehrssicherheit und Potenziale von Fahrerassistenzsystemen im Handbuch Fahrassistenzsysteme zu bedenken. 

Ist Vision Zero überhaupt realistisch?

Die Konzentration auf das automatisierte Fahren im Hinblick auf die Verkehrssicherheit offenbart die (aktuellen) Grenzen der Technik, die (noch) nicht fehlerfrei arbeitet. Das haben diverse Unfälle mit automatisierten Fahrzeugen gezeigt, zuletzt der tödliche Unfall mit einem autonom fahrenden Auto von Uber. Inzwischen ist von einem Software-Fehler die Rede, doch das ist nicht der einzige Schwachpunkt. Auch die komplexe Sensorik kann ausfallen. Viel Aufwand ist nötig, um die Technik instandzuhalten. Verschmutzte, verkratzte oder verstellte Sensoren und Kameras werden nach einem Parkrempler oder bei schlechten Witterungsbedingungen selbst zu einem Sicherheitsproblem.

Wie hilfreich ist Vision Zero, wenn uns auch die Technik scheinbar nicht bei der Erreichung des utopischen Zieles helfen kann? "Die Legende vom unfallfreien Straßenverkehr der Zukunft sollte man aufgeben. Es wird ihn nicht geben. Vision Zero ist ein Ziel, aber eben auch eine Vision. Ganz erreichen wird man sie nie", schreibt Christiane Köllner fatalistisch in ihrem Kommentar "Vision Zero ist nur eine Vision" Gerade mit Blick auf einen noch Jahrzehnte bestehenden Mischverkehr mit konventionellen Fahrern, teilautomatisierten und autonomen Fahrzeugen bei einer komplexen Verkehrsstruktur mit Lkw, Pkw, Motorrädern, Fahrrädern und Fußgängern erscheint diese Einschätzung durchaus realistisch. Doch sie verkennt, dass die Vision (!) Zero absichtlich utopisch definiert wurde, um alle gesellschaftlichen Kräfte im Kampf gegen die vermeintlich unvermeidlichen Verkehrsunfälle zu bündeln. "Wir müssen ein radikales und neues, gewünschtes zukünftiges Szenario definieren", schreibt Tingvall in seinem Beitrag "The Zero Vision – A Road Transport System Free from Serious Health Losses" im Buch Transportation, Traffic Safety and Health. Vision Zero ist sozusagen der Antrieb, der die verschiedenen Bemühungen um die Reduzierung der Verkehrstoten voranbringt.

Um Vision Zero wirklich erreichen zu können, reicht es nicht, nur auf die technische Umsetzung des automatisierten oder autonomen Fahrens zu setzen. Vielmehr ist eine Zusammenarbeit aller am Verkehrsgeschehen beteiligten Seiten vonnöten: "Alle Beteiligten – Politiker, Straßenplaner, Fahrzeughersteller, Fahrzeugführer – müssen dazu beitragen, denn alle tragen Verantwortung; eine geteilte Verantwortung", erläutert Gaide in seinem Artikel "Muss Die Null Stehen?" den ethisch-politischen Anspruch hinter Vision Zero. 

Eine weiter verbesserte, auf die Sicherheit angepasste Verkehrsinfrastruktur ist dabei ebenso wichtig wie neueste Sicherheitstechnik in Fahrzeugen, moderne Fahrerassistenzsysteme und das Zusammenwirken mit anderen Verkehrsteilnehmern. Die Car-to-X-Kommunikation wird dabei eine wichtige, wenn nicht zentrale Rolle spielen. Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung könnte die langgehegte Vision Tingvalls ermöglichen. Der lange Kampf um Vision Zero könnte so zu einem Ende kommen. Mit der kompletten Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer untereinander und mit der Infrastruktur rückt der Anspruch von null Toten in greifbare Nähe. Ein Baustein und Beispiel dafür ist Notrufsystem E-Call, das nun EU-weit verpflichtend wird. 

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