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19.12.2023 | Immobilienfonds | Gastbeitrag | Online-Artikel

Wohnbaukrise und Regulatorik fordern institutionelle Investoren

verfasst von: Dr. Tobias Sander

4 Min. Lesedauer

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Institutionelle Investoren spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Wohnbaukrise - einem Sturm aus Zinswende, hohen Baukosten und strengen Bauvorschriften inmitten anhaltender Zuwanderung. Aufsichtsrechtliche Verschärfungen können diese Aufgabe noch erschweren.

Laut Ifo-Institut berichteten im Oktober 2023 22 Prozent der Baufirmen über Projektstornierungen. Das stellt eine weitere deutliche Verschlechterung gegenüber dem belasteten Vorjahr dar. Die Prognosen deuten auf eine anhaltende negative Entwicklung hin. Der Bund plant, bis 2026 den Bau von Sozialwohnungen mit 14,5 Milliarden Euro zu unterstützen. Das Bündnis "Soziales Wohnen" fordert jedoch ein Sondervermögen von mindestens 50 Milliarden Euro zur Finanzierung von 700.000 fehlenden Wohnungen. Durch ein kürzliches Verfassungsgerichtsurteil und Finanzierungslücken im Bundeshaushalt erscheint die Realisierung solcher Forderungen unwahrscheinlich.

In einigen Bundesländern, wie Berlin, wird die Enteignung von Wohnungsunternehmen diskutiert. Solche radikalen Vorschläge haben zwar wenig Traktion, spiegeln jedoch die wachsende Besorgnis über die Wohnsituation und die Erschwinglichkeit von Wohnraum wider und zeigen die Ideenlosigkeit der Politik, wirksame Maßnahmen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten umzusetzen. 

978-3-658-40879-4 - Immobilien Asset Management

Entwicklung von Immobilienfonds

Inmitten dieser Krise zeigt die Scope-Studie "Offene Immobilienfonds - Ratings & Marktstudie 2023" eine zwiespältige Entwicklung deutscher Immobilienfonds. Trotz begrenzter Mittelabflüsse und moderater Kündigungen erreichte die durchschnittliche Jahresrendite 2022 nur 2,5 Prozent - vor dem Hintergrund von Leitzins und Inflation eine effektive Negativrendite trotz exponierter Risiken. Fonds, die Privatanleger ansprechen, verdanken ihre stabile Entwicklung der zurückhaltenden Reaktion dieser Anlegergruppe. Fonds, die sich auf institutionelle Investoren konzentrieren, mussten hingegen erhebliche koordinative Anstrengungen unternehmen. 

Ein markantes Beispiel hierfür ist der Fall einiger Sparkassen, die ihre Beteiligungen an einem Fonds zurückziehen wollten, dessen Anbieter ebenfalls Mitglied der S-Finanzgruppe ist. Angesichts der Transaktionsstarre hätte der Ausstieg einzelner Investoren zu einem Bewertungsverfall des Fondsvermögens und damit zu weiteren Abflüssen führen können. Dies konnte durch das vermittelnde Eingreifen des Regionalverbandes verhindert werden, der die Sparkassen überzeugte, von einer Rücknahme ihrer Investitionen abzusehen. Ähnliche Vorkommnisse wurden auch aus anderen Regionen sowie aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe gemeldet.

Ab dem Jahr 2025 gelten für Banken die revidierten Eigenmittelanforderungen der CRR III, welche bedeutende Änderungen der Risikoeinstufung von Immobilienfonds mit sich bringen:

Novellierung des Aufsichtsrechts

Das Engagement in Fonds, die Immobilien mittelbar in Objektgesellschaften halten, wird künftig als Beteiligungsrisiko klassifiziert mit einem Risikogewicht von 250 Prozent statt bisher 100 Prozent. Ab 2026 soll das Risikogewicht jährlich linear um 30 Prozentpunkte ansteigen, bis der Zielwert von 250 Prozent erreicht ist (Phase-in). Ausnahmen sind für noch nicht näher spezifizierte Tatbestände möglich - vermutlich etwa für staatlich geförderte Beteiligungen.

Beteiligungspositionen, die auf kurzfristigen Wiederverkauf ausgerichtet sind oder in Form von Risikokapital für weniger als drei Jahren eingegangen werden, erhalten sogar ein Ziel-Risikogewicht von 400 Prozent (Phase-in ab 2026 mit 60 Prozentpunkten pro Jahr). So wird es für Banken unattraktiver, sich an Fonds zu beteiligen, die sich auf Projektentwicklungen wie den Wohnungsneubau konzentrieren. 

Immobilienfonds greifen neben Kapitaleinlagen oftmals auf nachrangige Gesellschafterdarlehen ihrer institutionellen Investoren zurück, da sie flexibler und kostengünstiger sein können. Auch solche nachrangigen Schuldtitel sollen ein erhöhtes Risikogewicht von 150 Prozent erhalten. 

Nachfolgend eine grafische Zusammenfassung der Änderungen: 

Reaktionsmöglichkeiten für Fondsanbieter 

Fondsanbieter können durch interne Anpassungen die Auswirkungen der CRR III mildern. Möglichkeiten umfassen die Vermeidung von Nachrangigkeit bei Gesellschafterdarlehen und die Übertragung von Immobilien aus den Objektgesellschaften in das Sondervermögen des Fonds. Soll eine Strukturierung in Objektgesellschaft bestehen bleiben, können direkte Eigenkapitalbeteiligungen durch Gesellschafterdarlehen ersetzt werden, deren Risikogewicht im Zielbild mit 100 bis 150 Prozent deutlich günstiger ist als die 250 Prozent für Beteiligungsrisiken.

Die meisten Fonds haben bereits Simulationsanalysen durchgeführt, um die Auswirkungen der CRR III zu bewerten und Optimierungsstrategien zu entwickeln. Ohne spezifische Anpassungen zeigen diese Simulationen, dass die effektiven Risikogewichte für typische Fondsstrukturen um bis zu 50 Prozent ansteigen. Durch gezielte Optimierungsstrategien lässt sich dieser Anstieg in der Regel auf 25 Prozent reduzieren. Es ist jedoch zu beachten, dass bei einigen Fonds kaum Spielraum für Optimierungen besteht, während bei anderen der Anstieg sogar auf zehn bis 15 Prozent begrenzt werden kann.

Fazit: Es wird klar, dass institutionelle Investoren sich auf zusätzliche Belastungen durch neue regulatorische Anforderungen einstellen müssen, während sie sich bereits in einer Krisensituation befinden. Dies spiegelt sichtbar ungelöste ordnungspolitische Zielkonflikte wider, die teilweise aus dem Spannungsfeld zwischen nationalen Interessen und der Zuständigkeit supranationaler Gesetzgebung entstehen. 

Obwohl individuelle Anpassungsstrategien in vielen Fällen umsetzbar sind und die Übergangsregelungen ausreichend Zeit für Anpassungen lassen, sind die erforderlichen Maßnahmen in ihrer Umsetzung hochkomplex und werden erheblichen administrativen Aufwand erfordern.

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