Für den Bauer Verlag endete ein Clickbait um Fernsehmoderator Günther Jauch jetzt mit einer saftigen Geldstrafe. Eine beliebte Methode des Online-Journalismus gerät ins Wanken. Gleichzeitig sind Medienhäuser auf Klicks angewiesen. Doch es ist ein Spiel mit dem Feuer.
Klicks sind im digitalen Zeitalter viel wert. Aus diesem Grund wird versucht, sie um jeden Preis zu generieren.
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Prominente Persönlichkeiten müssen regelmäßig Schlagzeilen der Boulevardpresse über sich ergehen lassen. Wenn es sich um gezielte Falschmeldungen handelt, sind der Pressefreiheit allerdings Grenzen gesetzt. Das macht nun der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Bestätigung eines Gerichtsurteils deutlich (Urt. v. 21.01.2021, Az. I ZR 120/19), wonach der Bauer Verlag dazu verurteilt wird, eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 20.000 Euro an den Fernsehmoderator Günther Jauch zu zahlen. Das Ursprungsurteil wurde in Vorinstanzen vom Landesgericht Köln verhängt (LG Köln, Urt. vom 25. Juli 2018, Az. 28 O 74/18) und vom OLG bestätigt (Urt. v. 28.05.2019, Az. 15 U 160/18).
Ausgangspunkt war ein Facebook-Posting der zum Unternehmen gehörenden Programmzeitschrift TV Movie, in dem unter anderem ein Foto von Jauch unter der reißerischen Meldung "Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen Krebserkrankung zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht" veröffentlicht wurde.
Mit Klick auf den hinterlegten Link wurden die Leser auf das Internetangebot von TV Movie weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die Erkrankung des Publizisten Roger Willemsen berichtet wurde. Informationen über Jauch tauchten jedoch in dem Beitrag nicht auf. Sein prominentes Gesicht diente also lediglich dazu, die Attraktivität des Medieninhalts in Kombination mit der Überschrift zu steigern und damit Leser anzuwerben. Auch Schauspieler Sascha Hehn, bekannt als Kapitän in der ZDF-Serie "Traumschiff", klagte erfolgreich gegen die unerlaubte Nutzung eines seiner Fotos durch die "Bild am Sonntag", die damit ein Urlaubsgewinnspiel beworben hatte. "Clickbait", also "Klickköder", wird diese Form der journalistischen Arbeit genannt.
Clickbait hat viele Gesichter
Das Phänomen ist mittlerweile weit verbreitet: Mit Blick auf verschiedene Untersuchungen ist davon auszugehen, dass abhängig von Medienunternehmen und Thema 14 bis 60 Prozent aller Online-Artikel auf Clickbaiting setzen, fasst Fabian Mayer im Buchkapitel "Wie viel wissen Sie wirklich über Clickbait? – 7 überraschende Fakten, von denen Sie so noch nie gehört haben!" zusammen. Folgende Gestaltungsformen haben sich etabliert, wie der Springer-Autor auf Seite 71 darstellt:
Mittel | Erscheinung |
Übertreibung | Falsche Versprechungen durch die Überschrift |
Teaser | Auslassung von Inhalten |
Provokation | Nutzung unangemessener oder vulgärer Begriffe |
Formatierung | Übertriebener Einsatz von Großschreibung oder Satzzeichen |
Metapher | Bildliche Beschreibung von anzüglichen, verstörenden und unglaublichen Dingen |
Weiterleitung (Forward Referencing) | Der angekündigte Inhalt befindet sich nicht auf der Zielseite, weitere Klicks sind notwendig |
Ambiguität | Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten |
Irreführung | Faktisch falsche Überschrift |
Quelle: | Appel, M.: Die Psychologie des Postfaktischen: Über Fake News, "Lügenpresse", Clickbait & Co., S. 71 |
Wissenslücken machen neugierig
Der Überfluss an Inhalten, die im World Wide Web die Aufmerksamkeit der Nutzer erlangen wollen, zwingt Unternehmen, ihren Content mit allen Mitteln in Szene zu setzen. Trotzdem ist Clickbaiting kein Produkt der Internetwirtschaft. Im Grunde genommen macht die Boulevardpresse seit jeher von der Praxis Gebrauch, betont Mayer. Gleichzeitig besteht eine gewisse Nachfrage auf Leserseite: Obwohl User damit rechnen, dass ihre Erwartungen an reißerisch angepriesene Inhalte enttäuscht werden könnten, klicken sie dennoch.
Verantwortlich dafür ist zum einen das Bedürfnis, eine vermeintliche Wissenslücke zu schließen. Daneben wirken emotional aufgeladene Meldungen interessanter als nüchtern aufbereitete. "Sinngemäß betrachtet man bei Clickbait den Weg als das Ziel, die Erwartung einer Belohnung kann manchmal auch genauso schön sein wie die Belohnung selbst. Der Artikel muss also nicht liefern, um ein gutes Gefühl beim Klicken zu erzeugen", erklärt Mayer (Seite 75).
Auf den Ruf kommt es an
Generell erweise sich ein ausschließliches negatives Urteil über Klickköder als einseitig, meint Mayer: "Der unterhaltende Charakter von Clickbait entsteht schließlich genau durch das bewusste Vorenthalten von Informationen und die dadurch erzeugte Neugier. Und nicht immer sind Listicles unvollständig, werden Fragen nicht beantwortet oder führt das Forward Referencing ins Leere. Ob Clickbait die Erwartungen erfüllt, nur Halbwahrheiten liefert oder schlicht Neugier gezielt manipuliert, entspricht nicht zuletzt der subjektiven Fiktion einer jeden einzelnen Person" (Seite 67).
In jedem Fall sind Unternehmen gut beraten, ihren Ruf nicht dem Generieren von Klicks zu opfern. Stattdessen sollte es das oberste Ziel bleiben, Nutzern einen echten Mehrwert zu bieten. Denn auch wenn Klickköder Werbeeinnahmen erzielen, die der Finanzierung der journalistischen Arbeit dienen, so garantieren begeisterte Leser nachhaltigeren Erfolg. Das darf auch weiterhin unter Zuhilfenahme prominenter Gesichter geschehen, sofern dabei die Grenzen der Rechtssprechung beachtet werden.