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15.03.2016 | Marketingstrategie | Kolumne | Online-Artikel

Warum der Edeka-Spot eben doch KEIN Erfolg ist

verfasst von: Heino Hilbig

4 Min. Lesedauer

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Tabus brechen. Anregungen zu einem sozialen Brennpunkt geben. Den Tod als Werbemittel nutzen. Ist das Aufgabe des Marketings?

Nichts wurde im Marketing Ende vergangenen Jahres mehr gefeiert, aber auch kontrovers diskutiert, wie der Edeka Spot „Weihnachten“ (#heimkommen), den die Agentur des Lebensmittelhändlers in den sozialen Netzwerken veröffentlichte. 

Der Tod als Marketingidee

Nach einem überaus erfolgreichen ersten Spot (Supergeil) musste also etwas noch Aufregenderes her. Realisiert wurde die Geschichte eines alten Mannes der mangels Interesse seiner Familie Weihnachten immer nur allein feierte, bis er auf die Idee verfällt, seinen eigenen Tod zu inserieren. „Was hätte ich denn machen sollen?“ lässt Edeka den Protagonisten am Ende sagen. 

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Die Kriterien des Erfolgs

Egal, wie man zu dem Spot steht – ansehen musste man ihn schon, um sich eine Meinung bilden zu können. Das schlug sich schnell in extrem hohen Aufrufen nieder: Alleine auf Youtube wurde das Filmchen bislang 47 Millionen Mal angeklickt – drei mal mehr als sein Vorgänger Supergeil. Nachdem dann auch noch zwei Auszeichnungen beim Deutschen Werbefilmpreis heraussprangen, war klar: Das war ein supergeiles Erfolgsprojekt für Edeka.
Aber stimmt das wirklich? Um das zu beurteilen, wären drei Fragen zu beantworten:

1. Was kann dieser Spot bewirken? 

Marketing hat unbestreitbar die Aufgabe, wie jede andere Unternehmensfunktion natürlich auch, den Erfolg und damit das Überleben des Unternehmens zu sichern. Radikal gesprochen geht es also darum, Umsatz und Gewinn zu generieren. Ebenso unbestreitbar ist es das Geschäftsmodell von Edeka, Verbrauchern in fest etablierten Supermärkten Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu verkaufen.  Zu den Erfolgsfaktoren eines Supermarktes wiederum gehören:

  • Das persönliche Wohlfühlgefühl des Kunden im Laden, welches im Wesentlichen durch Ladenbau und Licht geschaffen wird. Gefällt mir der Edeka-Markt nicht, gehe ich nach nebenan zum (schöneren) Rewe.
  • Die Verfügbarkeit der vom Kunden präferierten Marken und Produkte. Wenn mein Lieblingsmüsli und die linksdrehende Biowurst bei Edeka nicht verfügbar ist, Spar nebenan beides aber führt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich dauerhaft Spar-Kunde werde, eher höher.
  • Und schließlich die räumliche Nähe. Bei mir zuhause gibt es in fußläufiger Umgebung zwei hervorragende Märkte anderer Marken sowie eine Filiale der Abrecht-Brüder. Um zu einem Edeka zu kommen, müsste ich mich ins Auto setzen und den kostenpflichtigen Parkplatz des dortigen Einkaufszentrums ansteuern. Werde ich das, angesichts der näherliegenden Konkurrenz, tun? Meistens eher nicht.

Zurück zum Video: Keine dieser drei Erfolgsfaktoren bedient der Spot. Er verändert weder das Einkaufsklima der Märkte noch macht er die angebotenen Waren attraktiver oder rückt die Märkte an die richtigen Stellen. Er trägt also nachweislich nichts zum Unternehmenserfolg im engen Sinne bei.

2. Sind fast 50 Millionen Klicks an sich ein Erfolg?

Auch wenn sich die verantwortlichen Marketeers von Edeka und der Agentur gegenseitig auf die Schulter klopfen: Eine Zahl wie die der Besucher eines Videos an sich sagt absolut nichts über Erfolg aus – so wenig wie eine Anzeigenstrecke im Stern schon deshalb erfolgreich wäre, weil viele Menschen sie gesehen haben. Das beste Beispiel hierfür ist die „größte jemals in Deutschland geschaltete Außenwerbungskampagne“ 2007 von Toyota zur Einführung des Auris: Nahezu jede Plakatwand und jedes Citylight war in der Aktionszeit von Toyota belegt, aber das Fahrzeug verkaufte sich nachweislich nicht besser als jedes andere neu eingeführte Kfz in der Klasse. Reine Klickzahlen auf YouTube sind – für sich allein betrachtet – also auch kein echter Unternehmenserfolg.

3. Imagegewinn durch CSR!

Wer so argumentiert, muss sich fragen lassen, ob das ein Spot ist, mit dem Edeka gesellschaftliche Verantwortung übernimmt.  Davon könnte man höchstens sprechen, wenn Edeka von Anfang an kommuniziert hätte, für jeden Klick zum Beispiel einen Euro für ein soziales Projekt zu zahlen – davon aber habe ich bislang nichts gelesen. Zudem wurde der Spot ausdrücklich gemacht, um Edeka ins Gespräch zu bringen, ist also das Ergebnis rein wirtschaftlicher Interessen. Wer immer jetzt anderes da hineininterpretiert, gibt damit nur zu dass die Frage nach einem messbaren Erfolg sich eben nicht positiv beantworten lässt. Von einem Unternehmenserfolg durch einen CSR-Image-Gewinn kann also auch nicht gesprochen werden.

Kreativ, aber wirkungslos

Und so wird auch dieses Video irgendwann im Archiv der kreativen und ausgezeichneten, aber bestenfalls wirkungslosen Marketingmaßnahmen landen. So wie die provozierenden Fotoanzeigen von Benetton, die fliegenden Qashqais von Nissan oder die sogar marktanteilsvernichtenden Comic-Kamele der gleichnamigen Zigarettenmarke.

"Kreativ" heißt eben nicht „erfolgreich“ – denn zwischen diesen beiden Eigenschaften gibt es keinen nachweisbaren kausalen Zusammenhang!  Wann lernen wir als Branche das endlich? 

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