Skip to main content

26.03.2019 | Sport Utility Vehicle | Fahrbericht + Test | Online-Artikel

Großer Schweden-Hybrid mit kleiner Reichweite

verfasst von: Patrick Schäfer, Sven Eisenkrämer

8 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Wie lassen sich Oberklasse-Ambitionen, ansprechende Fahrleistungen und Elektrifizierung in einem SUV unterbringen? In unserem Test mit dem Volvo XC90 T8 Twin Engine AWD haben wir es herausgefunden.

Volvo hat dem XC90 zum Modelljahr 2020 ein Facelift spendiert. Unser Testwagen war ein aktueller T8 Twin Engine mit Plug-In-Hybridantrieb. Das Design des schwedischen Oberklasse-SUV wirkt auch fünf Jahre nach der Vorstellung noch frisch. Die T-förmigen Tagfahrlichter mit der Bezeichnung "Thors Hammer" sind inzwischen ein Merkmal aller Volvo-Modelle. Mit einer eleganten Note streckt sich der imposante XC90 auf eine Länge von 4950 Millimeter, ist 2140 Millimeter breit und 1776 Millimeter hoch (variiert durch das höhenverstellbare Fahrwerk).

Im Interieur bietet das schwedische SUV eine angemessen luxuriöse Ausstattung. Der Einstieg gestaltet sich durch die hohen und unflexiblen Seitenwangen der zur R-Design-Ausstattung gehörenden Sportsitze zunächst unkomfortabel. Die grundsätzlich sorgfältige Verarbeitung ist an einigen Punkten etwas nachlässig, sichtbar etwa an der schlechten Passung der Lautsprecherabdeckungen der (optionalen) Bowers & Wilkins-Soundanlage. Besonders auffällig und billig wirkt die unverkleidete Kunststoffstrebe an der Mittelkonsole im Vergleich zur danebenliegenden Echtcarbon-Einlage.

Motor + Antriebstechnik

Der Plug-in-Hybridantrieb des T8 bietet eine Systemleistung von 288 Kilowatt (390 PS). 223 Kilowatt (303 PS) leistet der mit Turbo und Kompressor aufgeladene Vierzylinder-Ottomotor, 65 Kilowatt (87 PS) steuert der Elektromotor an der Hinterachse hinzu. Wobei das rein elektrische Fahren subjektiv die bessere Antriebsweise für das große SUV darstellt. Es bleibt angenehm ruhig im Innenraum, während der E-Motor mit 240 Newtonmetern Drehmoment für ausreichende Beschleunigung sorgt, solange man den Koloss artgerecht – also nicht wie einen Sportwagen – bewegt. 

Das kann man durchaus versuchen, wenn es nur geradeaus geht. Der Vierzylinder-Ottomotor ist dank zweifacher Aufladung 400 Newtonmeter stark und sorgt in Kombination mit dem elektrischen Boost für eine Beschleunigung in 5,8 Sekunden auf Tempo 100. Allerdings passt der angestrengte Klang des 2.0-l-Motors bei Leistungsanforderung nicht zu einem Oberklasse-SUV. Und bei forcierter Anfahrt drehen die von der Kraft überlasteten Reifen an der Vorderachse schnell durch. Vorsicht ist in Kurven angesagt, zu sportliches Fahren quittiert das schwere SUV mit untersteuerndem Rutschen aus der Spur. Einen guten Eindruck macht die Achtgang-Automatik von Aisin, die nur im kalten Zustand beim Einlegen der Fahrstufe manchmal ruppig reagiert. 

Mehrere Fahrmodi stehen zur Wahl: "Pure" ist die Eco-Variante, die möglichst bis 125 km/h nur elektrisch unterwegs sein soll, "Hybrid" ist für den Alltag gedacht und kombiniert Verbrenner und Elektromotor je nach Fahrsituation. "Power" zieht sich die volle Leistung aus beiden Antrieben und ist für etwas spaßige Abschnitte der Tour geeignet (verbraucht aber entsprechend viel Super und Strom). Ein AWD-Modus für permanenten Allradantrieb (vorne via Verbrenner, hinten via E-Motor) und ein eigener Offroad-Modus ergänzen das Auswahlmenü. Zusätzlich kann der Fahrer einen eigenen individuellen Modus zusammenstellen und dafür beispielsweise Ansprechverhalten der Antriebe und des Getriebes sowie die Fahrwerkseinstellung frei kombinieren. 

Batterie + Ladetechnik

Die 10,4 Kilowattstunden starke Lithium-Ionen-Batterie ist im Mitteltunnel integriert und versorgt den an der Hinterachse sitzenden elektrischen Antrieb mit Energie. Die maximale Reichweite bei rein elektrischer Fahrt ist mit 34 Kilometern angegeben, die aber in unserem Test nicht erreicht werden konnten. Die Rekuperation erfolgt merklich nur im über den Gangwählhebel zuschaltbaren Fahrmodus "B", im normalen Fahrmodus bleibt die Charge-Anzeige in der Nähe der Nulllinie. Die Ladebuchse befindet sich auf dem vorderen Kotflügel der Fahrerseite. Die Ladezeiten des Plug-in-Hybrids betragen an der Haushaltssteckdose zwischen vier und sieben Stunden (je nach tatsächlicher Leistung). An einer Typ-2-Ladesäule lassen sich die 10,4 kWh durch die per einphasiger Ladetechnik auf 3,7 kW beschränkte Ladeleistung in etwa 2,5 Stunden komplett aufladen. Ein echtes Schnelladen ist bei der verhältnismäßig kleinen Batterie nicht möglich.

Reichweite + Verbrauch

Die 2,5 Liter Kraftstoffverbrauch auf dem Datenblatt lesen sich gut, allein kam der XC90 im Springer-Professional-Test selbst unter idealen Bedingungen mit voller Batterie bei Fahrten vom hügeligen Rheinhessen in die hessische Hauptstadt und zurück selbst bei sehr vorsichtiger Fahrweise nicht unter 8,6 Liter Verbrauch, im normalen Alltag sind die Verbrauchszahlen eher zweistellig. Auch die 34 Kilometer rein elektrische Reichweite sind schwer zu erreichen. 

Fahrwerk + Sicherheit

Gefahren werden statt Fahren lautet das Motto im XC90. Das wird schon beim Starten deutlich, wenn das Fahrerdisplay eine ganze Palette von Fahrerassistenzsysteme auflistet (und das sind noch nicht alle): 

  • City Safety 
  • Pilot Assist
  • Lane Keeping Aid
  • Adaptive Cruise Control
  • Park Assistent
  • Road Sign Information
  • Cross Traffic Alert
  • Driver Alert
  • Blind Spot Information System
  • Rear Collision Warning

Der "Pilot Assist" für teilautomatisiertes Fahren unterstützt den Fahrer bei Längs- und Querführung bis zu einer Geschwindigkeit 140 km/h. Das funktioniert gut, allerdings ist das System sehr dominant ausgelegt und will die Fahraufgabe komplett übernehmen, was ein geteiltes Echo in unserer Redaktion hervorruft. Einerseits ist das "pilotierte Gefahrenwerden" vor allem auf der Autobahn-Langstrecke so entspannend, da der Fahrer eigentlich nur alle zehn Sekunden das Lenkrad kurz antippen müsste (das aber natürlich nicht darf: Hände ans Lenkrad!). Andererseits orientiert sich das System mit der nach vorne gerichteten Kamera sowie Radar oftmals stark an der Mittellinie, und der Fahrzeugführer ist dazu geneigt, gegenzulenken. Die auftretenden hohen Bedienkräfte, die gegen den Pilot Assist angewendet werden müssen, entlasten nicht. Besser also, man lässt das System seine eigene Linie fahren. Da man bei dieser Technik durchaus in Versuchung kommt, ihre Grenzen auszuloten, merkt man dann auf der Landstraße in engeren Kurven, wo sie liegen: Der Pilot Assist schaltet sich in einem zu engen Straßenradius gerne ohne jeden akustischen Hinweis einfach ab, lediglich das kleine grüne Lenkradsymbol wird grau. Hier ist stets höchste Wachsamkeit gefordert, sonst grüßt die Schutzplanke.1

Als besonders nützlich hat sich das Kamerasystem erwiesen: Dank der errechneten Vogelperspektive auf dem Display konnten wir den großen und breiten XC90 unbeschadet aus einem in den 80er Jahren errichteten Parkhaus manövrieren.

Dank Fahrwerk mit Doppelquerlenker-Aufhängung vorne und Integral-Achse mit Querblattfeder. Sänftenartig gleitet man auf dem adaptiven Luftfahrwerk Four-C dahin, bis die 20 Zoll großen Räder auf Straßenunebenheiten treffen. Das Fahrwerk meldet kurze Stößen knochentrocken zurück und ist auch bei höherem Tempo straff abgestimmt. Der XC90 zeigt sich in schnellen Kurven untersteuernd, mit etwas Vorsicht aber sicher.3 Der Offroad-Fahrmodus sorgt übrigens für eine durchaus akzeptable Geländegängigkeit des luxuriösen Groß-SUVs. 

Bedienung + Konnektivität

Die digitale Instrumentierung im Cockpit ist zwar 12,3 Zoll groß, aber nur in vier verschiedenen Einstellungen konfigurierbar. Das Infotainmentsystem "Volvo Sensus Connect" reduziert Knöpfe und Schalter, stattdessen kann ein neun Zoll großer Touchscreen wie ein Tablet bedient werden. Die Ablenkungsgefahr ist aber groß, denn die Symbole sind teilweise zu klein. Die Treffsicherheit leidet durch das harte Fahrwerk zusätzlich, so dass das Wischen, Scrollen und Tippen oftmals wiederholen muss. Zur Eingabe der Navigation empfehlen wir, an den Rand zu fahren beziehungsweise das Ziel vor der Fahrt einzugeben.

Zudem sollte der Volvo-Nutzer Zeit mitbringen, sich in die Menüführung einzuarbeiten, ist sie doch recht komplex. Einige direkt verwandte Funktionen sind jeweils an völlig anderer Stelle zu finden, einmal im Menü des per Lenkrad zu bedienenden Kombiinstruments, einmal im Menü des Touch-Displays. 

Bei der Konnektivität kann Volvo jedoch punkten. Die Vernetzung von Fahrzeug mit dem Smartphone über den Dienst Volvo On Call und gleichnamiger App bietet allerlei nützlicher Funktionen. Von der Überwachung und Steuerung des Ladezustands der Hybrid-Batterie über Ver- und Entriegelung und die Integration des Smartphone-Kalenders mit direkter Routenführung im Navi zum nächsten Termin – On Call funktioniert beispielhaft gut, einfach und übersichtlich.

Kosten + Nutzen

Ab 81.600 Euro steht der T8 Twin Engine in der Preisliste, unser Modell im R-Design kam als Siebensitzer auf 99.350 Euro, einige, aber noch nicht alle möglichen Extras inklusive. Viel Geld für viel Auto. Für die Stadt ist das Auto eigentlich zu groß, fürs Gelände zu luxuriös. Mehr als die halbe Jugendfußballmannschaft lässt sich kutschieren, aber dann fehlt der Platz für die Sporttaschen. Mit eingeklappten Zusatzsitzen ist der Gepäckraum dafür gewaltig. 

Kritik + Fazit

Sein großer Vorteil ist zugleich ein Schwachpunkt. Der XC90 Twin Engine war eines der ersten Luxus-SUV, mit dem man bis zu einer Geschwindigkeit von 125 km/h auch rein elektrisch fahren konnte. Das fast lautlose Gleiten macht die Fahrt im großen SUV so erhaben und gediegen. Leider ist sie streng limitiert, denn die 2,4 Tonnen Gewicht schmälern die Reichweite erheblich. Ein schmaler Grat, der kaum lösbar scheint, denn mehr Akkupacks würden den XC90 nur noch schwerer machen. Selbst im Hybridmodus ist der Riese kein Kostverächter und verbraucht trotz Elektrifizierung meist mehr als 10 Liter Super. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Fahrwerk, das einfach zu unkomfortabel abgestimmt wurde. Für den XC90 spricht dagegen das gelungene Design, die komplette Ausstattung sowie das Raumangebot. Extra-Punkte fährt der Volvo mit den umfassenden Assistenz- und Sicherheitspaketen ein sowie mit der Konnektivität. Mit dem XC90 kann Volvo den deutschen Herstellern der Groß-SUVs durchaus die Stirn bieten.

Hinweise: 
(1) Das Assistenzsystem Pilot Assist ist laut Hersteller ausdrücklich nicht für Landstraßenfahrten konzipiert. Der Fahrer muss auch aus rechtlicher Sicht jederzeit per Griff ans Lenkrad die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. In einer früheren Version dieses Beitrags fehlte der Hinweis, dass der Test des Pilot-Assist-Systems laut Hersteller nicht auf der Landstraße verwendet werden sollte. 
(2) In einer früheren Version dieses Beitrags war versehentlich von einem verbauten Borgwarner-Allradantrieb die Rede. Dieser Antrieb kommt jedoch nur in den rein mit Verbrennungsmorotern ausgestatteten Modellen zum Einsatz. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

17.01.2019 | Sport Utility Vehicle | Fahrbericht + Test | Online-Artikel

Im Test: Der neue Audi Q8 50 TDI

    Premium Partner