Stadtwerke haben gegenüber den großen Energieversorgern auf dem Weg der Energiewende mehrere Vorteile. "Mini-/Mikro-KWK ermöglichen eine radikale Dezentralisierung, die jedoch nicht notwendigerweise mit der Nutzung von erneuerbaren Energien verknüpft sein muss. Im Gegensatz zu den Contracting-Konzepten werden die Nutzer aktiver in den Prozess mit einbezogen. Durch die Verknüpfung von Strom- und Wärmelieferung werden insbesondere Stadtwerke gegenüber den großen Energieversorgern begünstigt", beschreiben einen dieser Vorteile die Springer-Autoren Katrin Alle, Ulrike Fettke, Gerhard Fuchs und Nele Hinderer in ihrem Buchkapitel Lokale Innovationsimpulse und die Transformation des deutschen Energiesystems auf Seite 20.
Die Stadtwerke haben innerhalb des deutschen Energieversorgungssystems eine Sonderstellung. Zwar agieren sie als Erzeuger und Netzbetreiber wie die vier großen Energiekonzerne EnBW, RWE, EON und Vattenfall.
Dezentrale DNA
Andererseits sind sie mit ihrem Know-how und ihrer Infrastruktur immer regional gebunden und können sich auf einen großen Rückhalt bei ihren Kunden verlassen. Ein Indiz dafür sind die nach wie vor niedrigen Zahlen an wechselwilligen Strom- oder Gaskunden. Stadtwerke haben also schon eine dezentrale DNA in sich.
Neben der technologiebezogenen Kraft-Wärme-Kopplung, einer Domäne der Stadtwerke, wird auch der Prozess der Digitalisierung die Dezentralität der Energieversorgung beschleunigen. Denn die wird zwangsläufig kommen, wenn bis 2050 das Gros der Stromversorgung und ein großer Teil der Wärmeversorgung erneuerbar sein sollen. Denn alle erneuerbaren Quellen sind dezentral in ihrer Erzeugung. Gewinnen wird in diesem Wettkampf also der, dem es gelingt, kleine, dezentrale Erzeuger in sein Energienetz einzubinden. Mit ihrer regionalen Verankerung und dem Endkundengeschäft sind sie kleinteilige Strukturen gewohnt. Unterstützt werden sie übrigens dabei von der Europäischen Union. Deren Energiestrategie sieht eine größere Unabhängigkeit von Energieimporten vor. Dies ist nur mit dezentral erzeugten erneuerbaren Energien zu leisten.
Weg zum digitalen Energiedienstleister
Diese Entwicklung wird die Stadtwerke umwandeln – von Versorgern hin zu digitalen Energiedienstleistern. Sie werden mit den heutigen Stadtwerken kaum mehr etwas zu tun haben – oder sie existieren nicht mehr. Stadtwerke werden mittelständisch geprägte digitale Energiedienstleister sein. Sie können und werden die vielen kleine Erzeuger in ihrer Netzarbeit virtuell bündeln und komplett oder in Teilen am Markt platzieren. Speicherkapazitäten, die noch gebaut werden müssen, werden diesen Prozess flankieren.
Aufgrund ihrer regionalen Verankerung werden sie viel mehr Services anbieten können als nur rund um das Thema Energie. Erste Schritte in die Richtung sind bereits zu beobachten. Dazu gehören etwa Smart-Home-Anwendungen, die von Stadtwerken angeboten und betreut werden, oder aber Mobilitätspakete wie Car Sharing oder Fahrradverleih. Alles, was die Digitalisierung mit den Kundendaten ermöglicht, lässt sich also für neue Geschäftsfelder auch weitab der Energieversorgung nutzen.
"Die Dezentralisierung der Energiewende findet vor Ort statt, in den Versorgungsgebieten der Stadtwerke. Es ist also bestimmt spannend zu sehen, wie sie auf die neuen Herausforderungen reagieren und ihre Geschäftsmodelle verändern", fasst Springer-Autor Josef Gochermann in seinem Buchkapitel Stadtwerke und regionale Energieversorger auf Seite 191 diesen Prozess zusammen.