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13.06.2019 | Finanzbranche | Interview | Online-Artikel

"Frankfurt bietet ein exzellentes Umfeld"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Domenik H. Wendt

ist Professor für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht und Europarecht an der Frankfurt University of Applied Sciences und Direktor des Instituts für Vertragsgestaltung und Konfliktlösung (IVK).

Autor Domenik H. Wendt erläutert im Interview mit Springer Professional, wie die Folgen des Brexit für die Finanzmärkte aussehen, was Banken in Europa und Großbritannien künftig beachten müssen und wie sich die Entwicklungen auf den Standort Deutschland auswirken. 

Springer Professional: Können Sie die größten Probleme kurz skizzieren, die der Finanzbranche durch einen harten Brexit drohen?

Wendt: Zum einen: Bei der aktuell noch hohen Bedeutung des Vereinigten Königreichs Großbritannien für den Finanzmarkt stellt ein harter Brexit die handelnden Finanzmarktakteure vor große Herausforderungen. Etwa im Bereich des Clearings baut man auf die Leistungsfähigkeit des Standorts London. Mit einem harten Brexit wird das Vereinigte Königreich aus Sicht der Europäischen Union zu einem Drittstaat. Damit entstehen Grenzen, wo derzeit keine sind. Das wird zu massiven Einschränkungen der Handlungsfreiheiten führen. Zum anderen: Der europäische Finanzmarkt ist ein stark regulierter Markt. Akteure, die auf diesem Markt tätig sind, benötigen langfristige regulatorische Sicherheit. Ein harter Brexit bedeutet das Gegenteil. Im Ergebnis wird ein harter Brexit daher zumindest in Teilen zu einer Neuordnung des Finanzmarktes führen.

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Brexit und der Finanzmarkt

Die rechtlichen Auswirkungen auf grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen

Der sogenannte Brexit ist einer der wohl größten Einschnitte in der Geschichte der Europäischen Union. Für die im Finanzmarkt der EU agierenden Akteure stellt sich zunehmend die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach dem Brexit grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen erbracht oder in Anspruch genommen werden können. 


Nach dem Austritt würde sekundäres Recht – wie etwa EU-Richtlinien oder der Richterspruch des EuGH – im Vereinigten Königreich nicht mehr unmittelbar gelten. Welche Auswirkungen hat das auf das Geschäft deutscher Institute in Großbritannien und umgekehrt auf britische Banken in der EU?

Das ist richtig. EU-Richtlinien und Entscheidungen des EuGH gelten im Falle eines harten Brexit nicht mehr unmittelbar, wenngleich die in den nationalen Gesetzen umgesetzten Richtlinienvorgaben natürlich ebendort noch weiter zu finden sind – bis das nationale Gesetz geändert wird. Meines Erachtens ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass die im Finanzmarktrecht in hohem Maße in Form von EU-Verordnungen zu findenden delegierten Rechtsakte beziehungsweise technischen Standards, die EU-Richtlinien ergänzen, ebenfalls nicht mehr gelten. Selbst wenn das nationale Finanzmarktrecht im Vereinigten Königreich Großbritannien also zumindest eine Zeit lang noch eine dem EU-Richtlinienrecht vergleichbare Textur hat, wird es mit Wegfall der delegierten Rechtsakte und technischen Standards löchrig. Hierfür bedarf es dann nationaler Lösungen. Deutsche Institute, die im Vereinigten Königreich aktiv sind, müssen damit zum einen die europäischen Vorgaben befolgen und zum anderen die nationalen Rechtsentwicklungen vor Ort im Blick behalten. Für britische Banken in der Europäischen Union gilt dasselbe, nur umgekehrt.

Welche Vorteile bringt der Europäische Pass den britischen Geldhäusern und welche Voraussetzungen müssen sie hierfür mitbringen?

Der Europäische Pass ist kurz gesagt eine Genehmigung, auf Grund derer Finanzakteure in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums grenzüberschreitend Finanzprodukte vertreiben können. Diese Genehmigung kann bei der zuständigen Behörde des Herkunft-Mitgliedstaates beantragt werden. Der Vorteil: Wird sie erteilt, bedarf es keiner weiteren Genehmigung der nationalen Behörden in anderen Mitgliedstaaten mehr. Voraussetzung für die Genehmigung ist, dass die geltende Rechtslage eingehalten wird. Die Genehmigung kann zudem nur von einer Behörde eines Mitgliedstaats erteilt werden. Für Unternehmen in Drittstaaten bleibt noch die Möglichkeit, eine Äquivalenzentscheidung zu erwirken. Hierfür ist allerdings ein Gleichlauf der regulatorischen Anforderungen im Drittstaat und der Europäischen Union erforderlich.

Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Marktakteure an den Finanzplätzen in London, Frankfurt oder Paris bereits auf die kommenden Veränderungen eingestellt?

Meiner Beobachtung nach orientieren sich viele wichtige Marktakteure, die bislang aus gutem Grund ihren Standort in London gewählt hatten, unter dem Eindruck der Brexit-Verhandlungen um. Das ist meines Erachtens schon aus dem Gesichtspunkt des Risikomanagements angezeigt. Dem Standort Frankfurt am Main kommt das natürlich zu Gute. Die Stadt bietet Finanzmarktakteuren ein exzellentes Umfeld. Auch der Standort Paris wird aufgewertet, nicht nur, weil die Europäische Bankenaufsicht EBA nicht in London bleiben konnte

Wo sehen Sie langfristig Baustellen, mit denen sich Banken und Finanzdienstleister nach dem Brexit weiterhin beschäftigen müssen?

Hier möchte ich zwei Punkte hervorheben: Zum einen zeigt der Brexit, wie wichtig ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union ist. Aus meiner Sicht ist eine starke Europäische Union ein wichtiger Schlüssel für Fortschritt in nahezu allen Bereichen. Dass damit auch eine immer stärkere, auch regulatorische Vernetzung und Harmonisierung einhergeht, stellt Akteure am Finanzmarkt nicht selten vor Herausforderungen. Ich bin aber überzeugt, es lohnt sich, diese Herausforderungen anzunehmen und dafür zu streiten, dass andere es auch tun. Zum anderen wird sich die gesamte Finanzbranche vor allem mit den Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, die durch den technischen Fortschritt entstehen. Mein Eindruck ist, dass wir es hier mit bemerkenswerten Entwicklungen zu tun haben. Diese Entwicklungen werden nicht nur Prozesse verändern, die im Zusammenhang mit Produkten stehen. Sie werden sich auch ganz maßgeblich auf die Arbeitswelt der Zukunft auswirken. Und das wird spannend.

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