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17.08.2023 | Immobilienfinanzierung | Gastbeitrag | Online-Artikel

Finanzierung gewerblicher Immobilien wird zum Drahtseilakt

verfasst von: Filip Kurkowski

3:30 Min. Lesedauer

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Seit der Zinswende ist der Markt für gewerbliche Immobilien unter Druck geraten, was eine Neu- oder Anschlussfinanzierung erschwert oder gar unmöglich macht. Mezzaninekapital kann Finanzierungslücken schließen, will aber wohl durchdacht sein.

In den Jahren, als die Zinsen ins Bodenlose fielen und die Preise für gewerbliche Immobilien nur eine Richtung kannten, mussten die wenigsten Kreditgeber um die Rückzahlung ihrer Kredite bangen. Ob Projektfinanzierungen oder Bestandsimmobilien, neue Finanzierungen oder Refinanzierungen bestehender Darlehen waren kein Problem, weil aufgrund der kontinuierlichen Wertsteigerung stets ausreichend Beleihungsmasse vorhanden war. 

Die Zeiten haben sich aufgrund der Zinswende geändert und derzeit befindet sich der Markt in einer Phase der Neuorientierung und der Preisfindung. Verkäufer wollen möglichst keine Wertverluste realisieren, Käufer wollen aufgrund gestiegener Zinsen aber nicht ohne - teils erheblichen - Abschlag kaufen. Wenn Finanzierungen auslaufen, kann die gegenwärtige Situation zu Problemen führen, weil eine Neufinanzierung bisweilen gar nicht oder nur mit einem geringerem Volumen zu bekommen ist. Eigentümer oder Projektentwickler müssen also entweder frisches Eigenkapital einbringen oder über die Aufnahme hybrider Finanzierungen, etwa Mezzaninekapital, Finanzierungslücken schließen.

Abwertung der Immobilie wird zum Problem

Ähnliche Probleme stellen sich während der Laufzeit der Finanzierung, wenn Finanzkennzahlen, insbesondere der Beleihungsauslauf, also der Loan to Value, aufgrund einer Abwertung der Immobilie gebrochen werden und die Bank eine Teilrückführung des Darlehens oder, wenn sich der Kreditnehmer entsprechende Rechte im Kreditvertrag ausbedungen hat, die Hinterlegung von Barreserven verlangt. Auch dann werden zusätzliche Eigenmittel benötigt, die nicht immer frei verfügbar sind. 

Kreditinstitute reagieren unterschiedlich in solchen Szenarien. Manchmal werden Verzichtserklärungen, sogenannte Waiver, unter bestimmten Auflagen erteilt, manchmal bestehen die Institute auf eine Teilrückführung. In Einzelfällen kann es sogar zu einer Kreditkündigung kommen, wenn weitere Umstände hinzukommen und das Geldhaus sein Darlehen als ausfallgefährdet einstuft.

Debt Fonds als Finanzierungsalternative

Debt Fonds, die Mezzaninekapital zur Verfügung stellen, können in solchen Situationen Abhilfe schaffen. Dabei müssen insbesondere zwei Faktoren ineinander greifen: das Projekt muss zum Debt Fonds passen und die Mezzaninefinanzierung muss zur Bankfinanzierung passen. Jeder Debt Fonds hat bestimmte Anlagekriterien und ist spezialisiert auf bestimmte Investments. Aber auch diese sind restriktiver in der Vergabe von Krediten oder im Ankauf von Nachranganleihen geworden. Aufgrund der hohen Nachfrage, können sich Mezzaninekapitalgeber die Projekte derzeit aussuchen. 

Höhere Risiken lassen sich Finanzierungsgeber über entsprechend höhere Zinsen und gegebenenfalls weitere Komponenten, wie etwa Beteiligungen am Eigenkapital oder am Gewinn der Gesellschaft, sogenannte Equity Kicker, vergüten. Abhängig vom Risikoprofil können Zinsen auch deutlich über zehn Prozent pro Jahr liegen, was bei längeren Laufzeiten oder höherem Leverage zulasten der Rendite des Sponsors gehen kann. 

Prolongation oder Stillhalteabrede in Schieflagen

Wenn bestehende Finanzierungen in Schieflage geraten, müssen Sponsoren, Eigentümer und Fremdmittelgeber konstruktiv zusammenarbeiten, um ein Verwertungs- oder Insolvenzszenario zu vermeiden. Prolongationen oder Stillhalteabreden sind eine Möglichkeit, um ein Projekt zu stabilisieren. 

Hier greifen allerdings rechtliche Schranken, die die Schädigung anderer Gläubiger wie zum Beispiel Bauunternehmer oder Dienstleister, die auf die Zahlungsfähigkeit eines Immobilieneigentümers vertrauen, zu verhindern suchen. Wenn eine Prolongation oder eine Stillhaltevereinbarung nicht möglich ist, kann unter Umständen eine Umwandlung von Fremd- in Eigenmittel (Debt to Equity Swap) eine Überschuldung des Kreditnehmers vermeiden. Alternativ kann der Fremdmittelgeber durch die Verwertung von Anteilspfandrechten, Kontrolle über die immobilienhaltende Gesellschaft erlangen.

Sollten alle Stricke reißen und kein Investor bereit sein, frisches Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, kommt es zur Sicherheitenverwertung und damit einhergehend zur Insolvenz des oft als Einzweckgesellschaft strukturierten -Immobilieneigentümers. Die Immobilie wird dann durch den Insolvenzverwalter im Rahmen einer sogenannten kalten Zwangsverwaltung verwaltet und freihändig verkauft. 

Restrukturierungen sind oft komplex

Restrukturierungen werden komplizierter, je mehr Gläubiger am Tisch sitzen. Der vorrangig besicherte Gläubiger - oft eine Pfandbriefbank - wird möglicherweise die Krise aussitzen wollen, weil er sein Geld samt Zinsen und Verzugszinsen höchstwahrscheinlich früher oder später ohnehin zurückbekom-men wird. Ein nachrangig besicherter Gläubiger hat möglicherweise andere Interessen und will die Immobilie entweder veräußern, um eine weitere Verwässerung seiner Position zu vermeiden oder sie notfalls selbst übernehmen. Die ersten Fälle, in denen Nachranggläubiger bei in Schieflage geratenen Projekten Anteilspfandrechte verwerten und in die Rolle des Eigentümers treten, sind im Markt bereits bekannt. 

Die derzeitige Markphase ist ein Stresstest für gewerbliche Immobilienfinanzierungen und es wird sich zeigen, welche Marktteilnehmer das Szenario bestehen und gestärkt daraus hervorgehen.

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