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07.06.2021 | IT-Controlling | Interview | Online-Artikel

"Digitaler Reifegrad der Steuerabteilung liegt zurück"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurden:
Christian Stender

ist Partner im Bereich Tax Innovation & Technology der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Marko Gründig

ist Bereichsvorstand Tax bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. 

Die Entscheider in den Steuerabteilungen müssen ihr Rollenbild transformieren. Heute ist eine proaktive Steuerfunktion gefragt, die Chancen und Risiken inner- und außerhalb des Unternehmens aktiv erkennt und adäquat handelt, meinen Christian Stender und Marko Gründig. 

Springer Professional: Laut Ihrer aktuellen Studie wollen die Steuerabteilungen ihre Rolle als Businesspartner und Value Creator ausbauen. Wie stellen sich die Verantwortlichen ihre künftigen Aufgaben dabei konkret vor? Können Sie uns das an einem Beispiel erläutern?  

Christian Stender: Die Geschäftsmodelle verändern sich immer schneller. Nach den Ergebnissen unserer Studie, und das deckt sich auch mit den Erfahrungen aus unseren Kundengesprächen, wollen die Steuerverantwortlichen die Entwicklungen direkter begleiten, also die Seitenlinie verlassen und näher an das Kerngeschäft kommen. Ein aktuelles Beispiel sind die laufenden SAP S/4 HANA-Einführungen. Hier werden grundsätzliche Prozesse verändert, die auch Steuerthemen betreffen. Eine frühzeitige Einbindung der Steuerabteilung wäre vorteilhaft, wird aber nicht überall gelebt. 

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Wie digital ist die Steuerabteilung?

Ein Reifegradmodell zur prozessorientierten Bewertung des Digitalisierungsstandes

Die Digitale Transformation führt in vielen Unternehmensbereichen zu einer grundlegenden Veränderung von etablierten Arbeitsabläufen und stellt bestehende Betriebsmodelle zur Dienstleistungserbringung infrage. Unternehmenssteuerabteilungen sind von diesen Entwicklungen in besonderem Maße betroffen.

Woran hakt es?

Christian Stender: Um enger in strategische Entscheidungen eingebunden zu werden, muss sich die Wahrnehmung der Steuerabteilung im Unternehmen verbessern. Für die Unternehmensführung muss es normal sein, ihren Steuerleiter frühzeitig in Veränderungsprozesse einzubinden. So wird die Einhaltung von Compliance-Vorgaben erleichtert und eine optimale steuerliche Ausgestaltung zum Beispiel bei Prozessänderungen umgesetzt. Auch der zeitnahe Zugriff auf relevante transaktionale Daten ist notwendig, um auch steuerlich die Weichen frühzeitig korrekt stellen zu können. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund sich laufend verändernder regulatorischer Voraussetzungen. Als Beispiel seien hier die Entwicklungen rund um BEPS Pillar 1 und 2 genannt. Mit dem Zugriff auf die richtigen Daten können entsprechende Auswirkungen simuliert und entsprechend proaktiv gehandelt werden. Kurz: Bei frühzeitiger Einbindung kann die Steuerabteilung echten Mehrwert schaffen.  

Die von Ihnen befragten Entscheider gaben an, dass sie für wertschöpfendere Tätigkeiten neben mehr Personal und größeren Budgets auch einen Kulturwandel brauchen? Was heißt das genau?

Marko Gründig: Im Wesentlichen geht es dabei darum, wie die Steuerabteilung von einer in der Vergangenheit häufig reaktiv agierenden Stabsabteilung zu einer in die Geschäfts- und Entscheidungsprozesse eingebetteten Geschäftseinheit transformiert wird, die pragmatisch und lösungsorientiert an der Gestaltung von Geschäftsmodellen mitwirkt. 

Wie kann das funktionieren? 

Marko Gründig: Heute sind viele Steuerabteilungen noch nach fachlichen Disziplinen wie beispielsweise indirekte Steuern, Zölle, oder Transferpreise aufgestellt. Um dem Zielbild eines Value Creators und Business Partners gerecht zu werden, benötigt es Mitarbeiter mit tiefen Kenntnissen der operativen Geschäftsbereiche, die ganzheitlich denken und sich steuerfachliche Expertise bei Bedarf hinzuholen. Vernetztes Denken, fundierte Kenntnisse des Business Modells und natürlich die Nutzung von technologischen Lösungen, um Entscheidungen zu validieren, sind - neben weiterhin erforderlichen steuerlichen Fachkenntnissen - die Kernherausforderungen für die Mitarbeiter von Steuerabteilungen in der Zukunft.  

Die Studie zeigt, dass sich Manager in den Steuerabteilungen über den Nutzen von Cloud-Technologie, RPA oder Blockchain bewusst sind. Dennoch ist Microsoft Excel vielerorts noch immer das Tool der Wahl. Wie steht es also um den digitalen Reifegrad im Finance- und Tax-Bereich deutscher Unternehmen?

Christian Stender: Genau das war Gegenstand unserer Studie. Wir sehen: Der Reifegrad steigt zwar stetig an, liegt aber nach unseren Ergebnissen verglichen mit anderen Unternehmensbereichen noch zurück. Wo Steuerverantwortliche aber zum Beispiel in die Umstellung auf S/4Hana frühzeitig einbezogen werden, steigen die Chancen, Prozesse und Systeme neu zu definieren und im Ergebnis den digitalen Reifegrad deutlich zu erhöhen.  

Bei welchen digitalen Tools sind die Unternehmen am mutigsten und wo zögern sie? 

Christian Stender: Anders als noch vor wenigen Monaten sind vernetzte Cloud-Lösungen heute für viele Steuerverantwortliche kein No Go mehr, hier zeigt sich klar mehr Mut. Größere Zurückhaltung gibt es bei Technologien wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz oder Blockchain. Das liegt aber sicher auch an den derzeit noch begrenzten Anwendungsfällen und der kostenintensiven Umsetzung. Gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz sehen wir aktuell durchaus erste Lösungen, die gut funktionieren und die Finanz- und Steuerabteilungen wirklich entlasten könnten. 

Um die Digitalisierung im eigenen Bereich voranzutreiben, bedarf es für einen Großteil der Befragten einer umfassenden Digitalstrategie. Hier stecken viele Unternehmen aber noch in der Planungsphase auf dem Weg zu einer Strategie. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse?

Marko Gründig: Unter anderem in dem oben bereits angesprochen erforderlichen Kulturwandel. Das Bewusstsein und das Verständnis für die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen und Risiken und deren konkrete Auswirkungen für das Operating Model einer Steuerabteilung muss weiter wachsen. Grundvoraussetzung ist die Erarbeitung einer übergeordneten CFO-Strategie, bei der das Thema Steuern ein wesentlicher Eckpfeiler ist. Daraus kann dann eine auf die Anforderungen des Unternehmens ausgerichtete Digitalisierungsstrategie abgeleitet werden. Allerdings gilt auch hier: will man es richtig machen, ist das ein aufwändiger Prozess, der Zeit und Ressourcen erfordert.  

Die Studie zeigt auch, dass die Vorteile der Digitalisierung in der Steuerabteilung nicht überall gleich groß sind. Wo können sich die Unternehmen die meisten Pluspunkte versprechen?

Marko Gründig: Ein Mehrwert ist nahezu in jeder Steuerart erreichbar. Heute versprechen sich die Unternehmen den größten Nutzen von Entwicklungen in den transaktionalen Steuerbereichen, wie beispielsweise der Umsatzsteuer. Künftig werden nach unserer Einschätzung auch die direkten Steuern eine große Rolle spielen. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist, dass jeder Fortschritt in Sachen Digitalisierung in der Regel die Transparenz über die steuerliche Compliance insgesamt, also über alle Steuerarten hinweg, verbessert.  

Ohne entsprechender Expertise bei den Mitarbeitern funktioniert keine Digitalisierung. Wie sind die Unternehmen hier im Hinblick auf ihre Steuerabteilungen aufgestellt?

Marko Gründig: Uns fällt immer wieder auf - und das bestätigt auch unsere Studie - dass insbesondere große, internationale Konzerne hier schon gut aufgestellt sind, bereits fundiertes Know-how aufgebaut haben und über Expertise im Bereich Prozesse und Technologie verfügen. Gerade im Mittelstand sieht es aber häufig nicht ganz so positiv aus, hier herrscht klar Nachholbedarf. 

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