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2012 | Buch

Angewandte Politikforschung

herausgegeben von: Dr. Manuela Glaab, Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Politische Akteure sind auf kompetente Politikberatung angewiesen. Was ist der Stand der angewandten Politikforschung in Deutschland? Welche Forschungsstränge und konkreten Praxisanwendungen lassen sich aufzeigen? Welchen Beitrag kann wissenschaftliche Politikberatung zur Rationalität von politischen Entscheidungen leisten? Der Konzeptband versammelt theoretische und konzeptionelle Grundlagen, stellt Strukturen, Akteure, Ressourcen vor und bietet außerdem empirische Analysen und Anwendungsbeispiele. Angewandte Politikforschung erhält so Konturen einer eigenständigen politikwissenschaftlichen Forschungsperspektive.

Beiträge von Manuela Glaab, Karl-Rudolf Korte, Andreas Blätte, Warnfried Dettling, Manuel Fröhlich, Heinz-Jürgen Axt, Josef Janning, Jürgen Turek, Markus Hoffmann, Marion Steinkamp, Tassilo Wanner, Daniel von Hoyer, Otto Schmuck, Melanie Piepenschneider, Thomas Leif, Jürgen Gros, Andreas Kießling, Peter Frey, Michael Garthe, Christian Jung, Matthias Belafi, Franco Algieri, Janis A. Emmanouilidis, Florian Baumann, Reinhardt Rummel, Michael Bauer, Almut Möller, Uwe Wagschal, Gerd Langguth, Lars Colschen, Andreas Meusch, Martin Brusis, Olaf Hillenbrand, Peter Thiery, Silvia Simbeck, Susanne Ulrich, Florian Wenzel, Eva Feldmann-Wojtachnia, Barbara Tham, Britta Schellenberg, Michael Weigl​.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Theoretische Grundlagen, Methoden und Zugänge

Frontmatter
Angewandte Politikforschung – Konzeption und Forschungstradition

Politische Akteure sind in ihrem täglichen Handeln und Entscheiden auf kompetente Beratung angewiesen. Es verwundert daher, dass die offensichtliche Verknüpfung von Politik, Wissenschaft und Politikberatung von der Politikwissenschaft in Deutschland lange Zeit wenig zur Kenntnis genommen wurde. Während in den USA der Politikberatung schon immer ein hoher Stellenwert im wissenschaftlichen Diskurs beigemessen wird und als Beratungskultur auch Teil öffentlicher Debatten ist, steckt diese Diskussion in Deutschland noch in den Anfängen. In den 1990er Jahren – auch durch die Regierungszeit des Bundeskanzlers Gerhard Schröder – verstärkte sich jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck eines neuen Politikstils mit einem wachsenden Einfluss politischer Berater und Ideengeber von außen: „Die Berater sind los!“ titelte

Die Zeit

damals in überraschter Rhetorik (Hofmann

1998

). Auch im politikwissenschaftlichen Feld hat sich seitdem das Interesse an Politikberatung, angewandter Politikforschung und deren Möglichkeiten zumindest intensiviert. Das Schlagwort von der „Beraterrepublik“ verweist letztlich auf zweierlei: Einerseits nimmt der Beratungsbedarf der Politik in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in anderen modernen Demokratien auf Grund immer komplexer werdender Probleme und multipler Interdependenzen zu. Politikberater sind nicht nur in formalen wie informellen Beratungsrunden von Parlament und Regierung, sondern auch in den Medien vielfach präsent. Andererseits macht das Schlagwort auf Kontroversen aufmerksam, die um die Leistungsfähigkeit und Legitimität von Politikberatung geführt werden. Ablesbar ist der Stellenwert der Politikberatung auch an einer größeren Zahl wissenschaftlicher Publikationen (z. B. Cassel

2001

; Falk u. a.

2006

; Bröchler/Schützeichel

2008

; Weingart/ Lentsch

2008

) wie auch praxisorientierter Veröffentlichungen (z. B. Althaus/Meier

2004

; Busch-Janser u. a.

2007

) sowie der Begründung eines Fachmagazins (Zeitschrift für Politikberatung 2008ff.) zum Thema.

Manuela Glaab, Karl-Rudolf Korte
Der Reformdiskurs in der universitären Vermittlung angewandter Politikforschung – Thesen zu Kontextualisierung und Reorientierung

Die Entstehung der Sozialwissenschaften im 19. Jahrhundert war mit dem Anspruch verbunden, politische Entscheidungen informieren und verbessern zu können. Schon bei Auguste Comte wird dieser Anspruch artikuliert, er findet sich nicht weniger bei Emile Durkheim und Max Weber. Im 20. Jahrhundert haben sich die Sozialwissenschaften allerdings den Ruf erworben, durch Ausdifferenzierung, einer Beschäftigung mit zunehmend kleineren Ausschnitten der sozialen und politischen Welt sowie durch methodologische Verfeinerung zunehmend weniger praxisrelevant geworden zu sein. Der Vorwurf trifft die Politikwissenschaft nicht weniger als die Soziologie – und sicherlich empfindlicher, weil die Beschäftigung mit Politik stets auf politisches Handeln bezogen ist.

Andreas Blätte
Angewandte Politikforschung – Idee und Wirklichkeit

Wir betrachten unsere Ernennung zu Fellows des Centrums für angewandte Politikforschung als eine Ehre und als eine Auszeichnung, und dies vor allem deshalb, weil wir von einer ausgezeichneten Institution geehrt werden, die ziemlich einzigartig in der wissenschaftlichen und in der politischen Landschaft Deutschlands dasteht, einzigartig nicht nur, was die Größe, sondern vor allem auch, was das Renommee, das Selbstverständnis und die öffentliche Wirkung angeht. Das Centrum für angewandte Politikforschung steht für eine ganz bestimmte und unverwechselbare Idee und Praxis.

Warnfried Dettling
Angewandte Politikforschung avant la lettre – Aktuelle Betrachtungen anhand zweier Friedenspläne aus dem achtzehnten Jahrhundert

In der Einleitung seiner 1972 erschienenen Dissertation über „Die Englandpolitik Gustav Stresemanns“ schrieb Werner Weidenfeld mit Blick auf die von ihm damals beobachtete Vielstimmigkeit unterschiedlicher theoretischer Ansätze in der Politikwissenschaft: „Es steht hier außer Zweifel, dass der ursprüngliche Wert theoretischen Bemühens sich dann in sein Gegenteil verkehrt, wenn nicht mit äußerster Sorgfalt die Möglichkeiten der

Anwendbarkeit

und die Grenzen des Erkenntniswertes einzelner theoretischer Konstruktionen beachtet werden“ (Weidenfeld

1972

: 14; Hervorhebung d.V.). Dieser Einschätzung liegt die auch mit Verweis auf seinen akademischen Lehrer Hans Buchheim vorgetragene Überzeugung zugrunde, dass dem Politischen eine spezifische Rationalität innewohnt, eine Eigenlogik, die sich mit Blick auf die konstitutive Interaktion politischer Akteure eben nicht voll umfänglich durch abstrakte Setzungen erfassen lasse. Weidenfeld zitiert im Weiteren Buchheims Aufsatz über „Außenpolitik und Planung“ aus dem Jahr 1968, in dem dieser schreibt, „dass jede theoretische Erörterung (ganz gleich wie streng wissenschaftlich sie ist oder nicht) primär sachbezogen ist und die Probleme durch Subsumierung unter das einheitliche System einer erklärenden Theorie zu lösen versucht, während das politische Handeln primär personenbezogen ist und die Aufgabe hat, die Lösung der Probleme durch Verhandlungen zu suchen“ (Buchheim

1968

: 174). Die Beachtung der Eigenlogik des Politischen und der spezifischen Perspektiven und Handlungsoptionen von politischen Akteuren wird damit zum Prüfstein für die von Weidenfeld angemahnte „Anwendbarkeit“ theoretischer Konstruktionen und wissenschaftlichen Bemühens überhaupt. Seine Dissertation zu Stresemanns Englandpolitik und die Habilitation zu „Konrad Adenauer und Europa“, die 1976 erschien, markieren Versuche, den politischen Akteuren und ihren Handlungen retrospektiv ein Stück näher zu kommen (Weidenfeld

1976

). Dass hierin jedoch kein bloß zeitgeschichtliches Interesse liegt, unterstreicht augenfällig das Zitat Adenauers, das Weidenfeld seiner Arbeit voranstellte: „Ein Rückblick hat nur dann Sinn, wenn durch ihn die Ansätze künftiger Entwicklungen bloßgelegt werden und er damit der Zukunft dient“ (zit. nach Poppinga

1997

: 48).

Manuel Fröhlich
Reflexionen zur Politikberatung

Wenn ein verdienter Kollege sein 65. Lebensjahr vollendet, der sich noch dazu so vorbildlich im Feld der wissenschaftlichen Politikberatung ausgezeichnet hat, dann erscheint es angebracht und angemessen, eigene Erfahrungen und Einsichten zur Politikberatung zu reflektieren. Dieser Reflexion seien einige allgemeine Gedanken zur wissenschaftlichen Politikberatung vorangestellt.

1

Heinz-Jürgen Axt
Besondere Herausforderungen der angewandten Regierungsforschung

Die angewandte Regierungsforschung zielt auf die Analyse der Regierungspraxis (Florack/ Grunden

2011

; vgl. Korte

2011a

). Instrumente, Techniken, Stile des Regierens kreisen um Innenansichten der Macht bei der Praxis des Regierens (Korte/Fröhlich

2009

). Um die Korridore des Politikmanagements in konsolidierten Demokratien zu bestimmen, sind die Muster des Entscheidens zwischen Formalität und Informalität stets Forschungsgegenstand, um Steuerungswissen zu generieren. Diese Muster sind immer eine Spurensuche nach Informalitätskulturen: „Entscheiden im Schatten der Formalität“ (Pannes

2011

: 53). Praktiken und Routinen des Regierens kann man davon ableiten (Büger/Gadinger

2011

). Die politikwissenschaftliche Analyse derartiger Innenansichten wird häufig auch als Mikropolitik bezeichnet (Schmid

2011

). Die Untersuchungen kreisen dabei um Politik in Organisationen als politics policy, wobei die Bewegungen des personalen und institutionellen Machtmobiles im Interesse stehen. Dabei verdichten sich immer Sprache, Macht, Steuerung, um das jeweilige Politikmanagement zu analysieren. Steuerungswissen muss sich auch mit dem kritischen Verstehen der Entscheidungsprozesse auseinandersetzen. Insofern sucht die Regierungsforschung nicht nur nach den Mustern des Entscheidens, sondern auch nach der Legitimität des Verfahrens. Wer das Verfahren kennt, ist auch in der Lage die Qualität einer Demokratie zu beurteilen. Wer entscheidet, ist eine Schlüsselfrage nicht nur der Regierungs-, sondern auch der Demokratieforschung (Fuchs/Roller

2008

).

Karl-Rudolf Korte

Strukturen, Akteure, Ressourcen und Gegenstände

Frontmatter
Das Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) – Brückenbauer zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft

Als eigener Bereich der Sozialwissenschaft existiert „angewandte Politikforschung“ in Deutschland bis heute nicht. Dennoch findet Beratung von Politik durch wissenschaftliche Experten in vielfältiger Form statt, vor allem in den empirisch ausgerichteten Bereichen der Einstellungs- und Meinungsforschung, der wirtschaftswissenschaftlichen Expertisen oder der soziographischen Analysen. Beratung im Sinne konkreter Entscheidungshilfe dagegen ist im universitären Raum nicht systematisch verankert. Sie wird von einzelnen Akteuren betrieben und erfolgt überwiegend auf Nachfrage, bleibt weitgehend vertraulich und an die jeweiligen politischen Akteure gebunden. Eine systematisch entscheidungsorientierte Politikforschung in Deutschland findet sich daneben hauptsächlich in außeruniversitären Forschungsinstituten, die für diesen Zweck geschaffen wurden und von der Politik unterhalten werden. Lange Zeit blieb die Wirkung dieser Politikforschung auf den engeren Kreis der Adressaten beschränkt – wissenschaftspolitisch haben diese Institutionen kaum Einfluss auf Forschung und Lehre ausgeübt.

Josef Janning, Jürgen Turek
Die NRW School of Governance – Angewandte Politikforschung im Spannungsfeld von Forschung und Lehre

Welche Möglichkeiten und Potenziale kann ein Standort der dort stattfindenden Politikforschung bieten? Diese Frage stellt sich nach dem Lesen des Titels. Das Ruhrgebiet ist ein großes

Labor

– hier, in einem der größten europäischen Ballungsräume, finden neue soziale Megatrends und politische Prozesse früher und exemplarischer statt, als es an anderen Orten in Deutschland der Fall ist. Sowohl neue gesellschaftliche Konfliktlinien als auch ihre Lösungsansätze lassen sich hier geradezu avantgardistisch für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beobachten. Wer im Ruhrgebiet, in Nordrhein- Westfalen lernt, lehrt und forscht, ist befähigt, dies auch auf die bundesdeutsche und europäische Ebene zu übertragen. Eine Professional School für Public Policy in diesem Umfeld zu etablieren, beweist Spürgefühl für gesellschaftliche Entwicklungen. Sie drittmittelfinanziert unter öffentlicher Trägerschaft an einer Hochschule mit gesellschaftlichem Bildungsauftrag einzurichten, ist ein logischer Schluss in einer Region mit langer Unternehmens- und Stiftertradition, in der die Akteure eng mit dem Kulturund Wirtschaftsraum Rhein-Ruhr, wie auch der Politik, verbunden sind.

Markus Hoffmann, Marion Steinkamp
Auswärtiges Amt – Eine Betrachtung zum Wandel von Außenpolitik und Politikberatung in Deutschland

Auch wenn die Fülle der möglichen Themen und geographischen Kontexte anderes nahelegen könnte, zählte der politikerberatende Dialog zwischen Akteuren im Auswärtigen Amt (AA) und Experten in Wissenschaft und Think Tanks über viele Jahre eher zu den Ausnahmen im diplomatischen Prozess als zur Regel. Insofern unterschied sich das Außenministerium nicht von anderen Ressorts der Bundesregierung. Weder bestanden feste Strukturen noch entsprechende Budgets für Beratungs- und Dialogprozesse; auch ließ die administrative Kultur wenig Bedarf für intellektuelle Zuarbeit erkennen.

Josef Janning
Angebot trifft Nachfrage? Politikberatung im Umfeld deutscher Parlamente

Parlamentarische Politikgestaltung wäre sowohl hinsichtlich ihrer Vielfalt als auch ihres Tempos in der aktuell zu beobachtenden Form ohne die Beratung der handelnden Akteure durch Dritte nur schwer vorstellbar. Alleine im Fall des Deutschen Bundestags sind etliche tausend Mitarbeiter, Verwaltungsbeamte, Wissenschaftler und Politikberater darauf ausgerichtet, seine Mitglieder bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen; Gleiches gilt – freilich in teilweise deutlich geringerem quantitativen Maß – auch hinsichtlich der sechzehn Landtage. Der vorliegende Beitrag versucht, einen umfassenden Überblick über die Beratungspraxis im Umfeld der deutschen Parlamente zu gewähren. Im zweiten Teil des Beitrags wird schließlich thesenartig beleuchtet, an welchen Stellen strukturelle Hindernisse einem optimalen Zusammentreffen von Beratungsangebot und -nachfrage im Wege stehen. Vor diesem Hintergrund soll auch zur Sprache kommen, welche Eigenarten und Restriktionen des Politikbetriebs im Interesse einer Stärkung des Austauschs zwischen der Politik und insbesondere der wissenschaftlichen Politikberatung künftig intensiver berücksichtigt werden könnten.

Tassilo Wanner, Daniel von Hoyer
Landesregierungen und Mehrebenenpolitik

Im Verlauf der zurückliegenden drei Jahrzehnte hat sich im europäischen Rahmen ein Mehrebenensystem herausgebildet, in dem neben der EU und den Mitgliedstaaten auch die Länder und Regionen Mitgestaltungsansprüche anmelden (Conzelmann/ Knodt

2002

; Lambertz/Große Hüttmann

2009

). Dies war nicht immer so: Eine regionale Mitwirkung in der EU war in den 1950er Jahren abgeschlossenen Gründungsverträgen der Vorläuferorganisationen der EU nicht vorgesehen. Häufiger wurde im Gegenteil darauf hingewiesen, dass diese eine „Regionen- bzw. Länderblindheit“ aufwiesen, denn sie enthielten kaum Bezüge zur regionalen Ebene (Schick

2003

: 55).

Otto Schmuck
Stiftungen – Politikforschung und Politikberatung auf christlichdemokratischer Grundlage

Die Bedingungen für Politikforschung und Politikberatung unterliegen einem Wandel (Borchard/Piepenschneider

2008

). Dies ist nicht nur durch den Wechsel des politischen Machtzentrums von Bonn nach Berlin begründet, sondern jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen. Will der Forscher und Berater als Dienstleister up to date bleiben und sollen seine Erkenntnisse vom Politiker weiterhin nachgefragt werden, muss er sich stets aufs Neue auf veränderte Umfeldbedingungen einstellen.

Melanie Piepenschneider
Souveränitätsverzicht der Politik und Bedeutungsverlust der Parlamente – Lobbyismus als Schatten-Management widerspricht dem Prinzip des Pluralismus

Kaum jemand hatte es bemerkt: Der ehemalige erste Mann im Staat, Christian Wulff, wollte seine Amtszeit dem Thema „Zukunft der Demokratie“ widmen. Er sorgte sich vor allem um das „mangelnde Interesse vieler Bürger, sich in den Kommunen zu engagieren.“ Auch das schlechte Image der Politiker motivierte ihn zu seiner ungewöhnlichen programmatischen Schwerpunktsetzung: „Heute begleitet die Politiker viel Häme, viel Spott und viel Misstrauen – mehr als früher.“ Ungewöhnlich klar analysierte der ehemalige Bundespräsident: „Der Graben zwischen Wählern und Gewählten wird größer.“ Vertrauensverlust und Wahlverweigerung gegenüber Politik und Parlament einerseits, Passivität, Beteiligungs-Abstinenz, Desinteresse und Anspruchsdenken der Bürger andererseits.

Thomas Leif
Kommunikation in Genossenschaftsverbänden

Kommunikation in Genossenschaftsverbänden ist vielschichtig – sowohl was ihre Akteure, Adressaten, Formen als auch Inhalte angeht. Im folgenden Beitrag werden die Dimensionen der genossenschaftlichen Kommunikation am Beispiel und aus der Perspektive des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) skizziert.

Jürgen Gros
Politische Unternehmenskommunikation und angewandte Politikforschung – Potentiale und Limitationen am Beispiel der Erneuerbaren Energien-Politik im Wendejahr 20111

2011 war für die deutsche Energiepolitik ein schicksalhaftes Jahr. Zwar war der Umbau der Energielandschaft schon beschlossene Sache – das Energiekonzept der Bundesregierung vom Herbst 2010 legte bereits einen Fahrplan ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien fest. Doch war damals die oberste Prämisse der Klimaschutz. Das Erreichen der ehrgeizigen CO

2

-Ziele Deutschlands sollte vor allem über den Stromsektor erreicht werden. Das war sowohl in den Energieszenarien der Wissenschaftler zur Vorbereitung des Energiekonzepts (Schlesinger/Lindenberger/Lutz

2010

) als auch im Energiekonzept selbst die zentrale Begründung für die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke. Entsprechend war auch vorgesehen, mindestens die Hälfte der sogenannten Zusatzgewinne aus der Atomenergie für den Klimaschutz abzuschöpfen (Bundesregierung

2010

).

Andreas Kießling
Medien und Politik – Arbeiten an der Schnittstelle1

Sie gehören zum Klischee-Personal der Berliner „Republik der Wichtigtuer“ (Tissy Bruns). Im Café Einstein bevölkern sie die Tische und tänzeln auf den wichtigen Partys. Im Zentrum der „nervösen Zone“ (Lutz Hachmeister) nippen sie am Champagner und knabbern an Häppchen, immer ganz nah an den Mächtigen. Sie schwelgen im „Höhenrausch“ (Jürgen Leinemann), flüstern hier etwas ein, schnappen dort etwas auf. Die Berliner Medien- und Politprominenz ist ein beliebtes Sujet der Polemik – und der Hauptstadtjournalist und der Spin-Doktor sind immer mitten drin.

Peter Frey
Medien und Politik – Die Zeitung

In der multimedialen Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Zeitung zwar der Oldtimer und dennoch ein Bestseller. In Deutschland werden täglich über 23 Millionen Zeitungen verkauft und von fast 51 Millionen Menschen gelesen. In keinem anderen Land Europas spielt die Gattung der regionalen Abonnementszeitung eine so große Rolle wie hier.

Michael Garthe
Öffentliche Meinung als Analyse- und Zielobjekt der angewandten Politikforschung

„Öffentliche Meinung“ ist als Begriff, Konzept und Phänomen vielschichtig und hinreichend diffus. „Angewandte Politikforschung“ steht dem kaum nach. Wenn zwei Begrifflichkeiten solcher Art aufeinander bezogen werden sollen, gleicht das der Aufgabe, von schwankendem Boden aus ein zudem noch bewegliches Ziel zu treffen. Der Versuch, beide Konzepte systematisch auseinanderzulegen und nach wissenschaftlichen Kategorien zu analysieren, soll hier erst gar nicht unternommen werden. Die Herausgeber werden dies angesichts des knapp bemessenen Raums, und zudem von jemandem, der dem Wissenschaftsbetrieb vor mehr als 15 Jahren den Rücken gekehrt hat, wohl auch nicht erwarten. Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen ist vielmehr ein persönlicher Zugang zum Thema, in den die beruflichen Erfahrungen des Autors aus seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für angewandte Politikforschung sowie der danach aufgenommenen Tätigkeit im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eines kreditwirtschaftlichen Verbandes einfließen.

1

Und selbstverständlich geht es dem Anlass der Publikation entsprechend um die Würdigung des Jubilars, akademischen Lehrers und politischen Praktikers Werner Weidenfeld.

Christian Jung
Die elementare Wucht einfacher Zeichen – Zum Verhältnis von Liturgie und Politik

Dass die Rolle von Religion in der Politik in den vergangenen Jahren wieder deutlicher wahrgenommen wird, ist mehr als offensichtlich: Schlagworte wie die „Rückkehr der Religionen“, „Die Wiederkehr der Götter“ und „Die Rückkehr des Religiösen“ (Riesebrodt

2000

; Graf

2004

; Pollack

2009

) zeugen von der breiten Diskussion des Phänomens in Wissenschaft und Gesellschaft. Zwischenzeitlich ist sogar eine Gegenbewegung der Religionskritiker und der Atheisten in Gang gekommen, die

Der Spiegel

als „Kreuzzug der Gottlosen“ (!) bezeichnet hat (Smoltczyk

2007

).

Matthias Belafi

Anwendung in Politikfeldern

Frontmatter
What else is new? Zur Relevanz klassischer und neuer Themen der europäischen Integration für die angewandte Politikforschung

Einmal wieder prägt der Begriff ‚Krise‘ die Analysen und Kommentare zum Zustand der Europäischen Union (EU). Seit dem Jahr 2010 wird damit primär die ‚Eurokrise‘ bzw. die ‚Schuldenkrise‘ assoziiert. Darüber hinaus ist aber auch der europäische Integrationsprozess insgesamt zum Objekt der Krisendiskussion geworden. Krisen und die Auseinandersetzung mit ihnen sind jedoch kein neues Phänomen auf dem Entwicklungspfad der europäischen Integration. Im Gegenteil: Krisen haben die Geschichte der europäischen Integration in den letzten 60 Jahren maßgeblich bestimmt. Dennoch stellt sich die Frage, ob die aktuelle Schuldenkrise und ihre Folgen eine neue Qualität aufweisen, die nicht nur in politischen Debatten, sondern auch in der Integrationsforschung intensiver reflektiert werden sollte.

Franco Algieri, Janis A. Emmanouilidis
Differenzierung als Strategie der europäischen Integration

Differenzierung, flexible oder abgestufte Integration und ähnliche Begriffe werden im Kontext der EU häufig synonym verwendet.

1

Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie meist mit einer negativen Konnotation versehen sind. Die differenzierte Integration gilt daher in der Regel als ‚Betriebsunfall‘ der europäischen Einigung. Leo Tindemans‘ Überlegungen in den 1970ern zur „abgestuften Integration“ wurden hingegen in der angewandten Politikforschung frühzeitig aufgegriffen und u. a. am C·A·P zu einem strategischen Ansatz der Differenzierung weiterentwickelt. Im Folgenden sollen daher zunächst unterschiedliche Modelle der Flexibilisierung vorgestellt werden, bevor auf einige Beispiele aus der Praxis eingegangen wird. Abschließend und zusammenfassend bleibt die Differenzierung als Strategie für die künftige Integration zu skizzieren.

Florian Baumann
Auswärtiges Handeln der EU als Entwicklungsaufgabe für angewandte Politikforschung

Ehe sich dieser Beitrag den Aufgaben, Strukturen und Leistungen angewandter Politikforschung widmet, sei ein kleines Beratungsbeispiel aus der Praxis akademischer Bemühungen im außenpolitischen Aktionsfeld der EU erwähnt: Im Herbst 2011 hielt das Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) ein Blockseminar mit dem Titel „Angewandte Politikwissenschaft“ für tunesische Studenten in Tunis ab. In politikorientierten, interdisziplinären, interaktiven Workshops wurden Probleme des tunesischen Transformationsprozesses nach dem Sturz des Diktators Ben Ali identifiziert und Lösungen für deren Überwindung erarbeitet. Angewandte Politikforschung wurde als politikrelevant verstanden, praxisnahe Vermittlung einschließend. Zu den von den Studenten gelisteten Herausforderungen Tunesiens gehörte auch die künftige Gestaltung der Beziehungen zur Europäischen Union (EU).

Reinhardt Rummel
Angewandte Politikforschung zur europäischen Nahostpolitik

Was im Dezember 2010 mit der Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi, einem 26-jährigen Straßenhändler im tunesischen Sidi Bouzid, begann, entwickelte sich innerhalb weniger Monate zu einer Protestbewegung, die die politische Landkarte des ganzen Mittleren Ostens verändert(e). Die politische Dynamik des so genannten „Arabischen Frühlings“ hat die gängigen Thesen von der politischen Lethargie der „arabischen Straße“, insbesondere der bürgerlich-säkularen Teile der dortigen Gesellschaften, und der uneingeschränkten Herrschaft der regionalen Despoten in Frage gestellt. Wenngleich der Status Quo ante nicht mehr wiederherstellt werden kann, geht der „Arabische Frühling“ in seinem zweiten Jahr dennoch einer ungewissen Zukunft entgegen.

Michael Bauer, Almut Möller
Schuldengrenzen und Haushaltskonsolidierung in der Europäischen Union

Kein anderes Ereignis hat die europäische Integration seit der Einführung des Euro so beeinflusst wie die Schulden- und Finanzkrise. Diese Krise stellt gleichzeitig ein Versagen europäischer Institutionen, der europäischen Verträge und jener Kontrollmechanismen dar, die im Vorfeld bei der Einführung des Euro im Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbart wurden. Die Lehre, die die bundesdeutsche Politik aus diesem Versagen zieht, lautet „mehr Integration“ sowie die Vereinbarung einer europäischen Fiskalunion. Allerdings unterscheidet sich die deutsche Position dabei von derjenigen anderer Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) bzw. der EU-Kommission, da die Bundesrepublik auf die Einführung strikter Schuldengrenzen drängt, die in der Verfassung verankert werden sollen.

Uwe Wagschal
Das deutsche Parteiensystem im Wandel – Krisensymptome und Revitalisierungsoptionen

Blickt man auf die Entwicklung des deutschen Parteiensystems, scheint es so etwas wie eine Gesetzmäßigkeit zu geben: wenn es der einen Volkspartei schlecht geht, leidet auch die andere. Während die Wahlbeteiligung 1972 noch bei 91,1% lag und die beiden großen Fraktionen zusammen 90,7% der Stimmen auf sich vereinigen konnten, kamen sie bei den Bundestagswahlen 2009 zusammen nur noch auf 56,8% – und das bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 70,8%. CDU/CSU erzielten mit 33,8% das zweitschlechteste Wahlergebnis seit 1949, die Sozialdemokraten fuhren mit gerade einmal 23,0% sogar ihr schlechtestes in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein. Gemessen an der SPD ist die Union zwar noch eine relativ stabile Partei, doch auch sie muss um den Ruf als Volkspartei fürchten. So kommentierte der Kulturjournalist Alexander Kissler (2010) bereits scharfzüngig: „CDU/CSU und SPD, die einst fast das ganze Volk repräsentierten, haben sich friedlich-apokalyptisch bei der 30%-Marke einquartiert. Dort sitzen sie und kauern und schauen bang nach vorn: Werden wir je wieder für 40% der Wähler attraktiv sein? Müssen wir uns auf 25% oder weniger einstellen? Sind wir Phoenix oder Ikarus?“.

Gerd Langguth
Politikberatung in der deutschen Außenpolitik

Ohne die Unterstützung durch angewandte Politikforschung ist die Gestaltung von Außenpolitik auf Grund der gestiegenen Komplexität des Gegenstands kaum noch denkbar. Der „Arabische Frühling“, die Finanzkrise in der EU oder das iranische Kernwaffenprogramm sind mit all ihren weit verzweigten Implikationen ohne eine wissenschaftlich fundierte Expertise für außenpolitische Entscheidungsträger nicht mehr zur Gänze greifbar. Angewandte Politikforschung kann als Wissenschaft von der Politikberatung mit Kernfunktionen wie Problemidentifikation, Frühwarnsystem, Interessens- und Konfliktvermittlung, Gewinnung und Verbreitung von Informationen, Ideen, Evaluation und Legitimation (Weidenfeld/Janning

2003

: 194) dazu beitragen, die Geschehnisse und vorhandenen Informationen systematisch miteinander zu verknüpfen, kausale Zusammenhänge herzustellen, Erklärungs- sowie Deutungsangebote zu formulieren und Handlungsempfehlungen auszusprechen.

Lars C. Colschen
Angewandte Politikforschung in der Gesundheitspolitik

Bevor wir uns der Frage der Therapie zuwenden, heißt es zunächst, die Diagnose zu stellen. Dies kann in zwei Schritten geschehen: Im ersten soll die Bedeutung der Politikberatung im politischen System Deutschlands, im zweiten die Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Ansätzen der angewandten Politikforschung im Gesundheitswesen beschrieben werden.

Andreas Meusch
Demographischer Wandel und Telemedizin

Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Frank Schirrmacher, schrieb 2004 in seinem zum Bestseller avancierten Buch „Das Methusalem – Komplott“: „Die Menschheit altert in unvorstellbarem Ausmaß. Wir müssen das Problem unseres eigenen Alterns lösen, um das Problem der Welt zu lösen“. Er fokussierte weiter auf die Folgen und Konsequenzen der „gesprengten Fesseln der Lebenserwartung“ (17) und führte dazu aus: „Der Eintritt der Babyboomer ins Rentnerdasein wird in der ganzen westlichen Welt einen Altersschub auslösen und wie ein nie verglühender Raketentreibsatz über Jahrzehnte Millionen von Menschen, Einzelne, die sich zu ganzen Völkern summieren, über die Datumsgrenze des 65. Lebensjahres katapultieren; nicht nur in eine neue ökonomische und soziale, sondern auch in eine fremde seelische Welt (…). Übersetzt man (…) Schätzungen in Bilder, dann wird die Erde wie ein riesiges Altersheim durchs Weltall kreisen. Wie viel Senilität, Vergesslichkeit, Altersdemenz, wie viel Krankheit wird in diesem kollektiven Bewusstsein sein?“ (17 f.). Das war und ist ‚starker Tobak‘, der aufrüttelt. Aber ist eine solche Dramatisierung wirklich angebracht? Wenngleich Schirrmachers Deklamation der gerontologischen Katastrophe eine um Betroffenheit bemühte Streitschrift ist, basiert sie dennoch auf nüchternen Fakten: Dem demographischen Wandel in Deutschland. Als Basistrend berührt er allerdings mehr als nur das Altern in Deutschland und hebt ihn wegen seiner Komplexität und wachsenden Allgegenwart aus dem Sujet des Feuilletons deutlich heraus. Er tangiert das Konstrukt des Gesellschafts- und Generationenvertrags im Land. Dieses Konstrukt prägt die Balance zwischen den lernenden, arbeitenden, ruhenden, zu- und wegziehenden sowie gesunden und kranken Teilen einer Gesellschaft und trimmt die Generationengerechtigkeit zwischen jungen und alten Menschen. Der demographische Wandel beschreibt, mit anderen Worten, die Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Das sind die Altersstruktur, das Verhältnis von Frauen und Männern, der Anteil von Inländern, Ausländern und Eingebürgerten, sowie die Geburten- und Sterbeentwicklung. Die entscheidenden Faktoren, die den demographischen Wandel bestimmen, liegen also in den Einflussgrößen Geburtenziffer, Lebenserwartung und Migration. Als politische Gestaltungsaufgabe fordert er in der Konsequenz die Akteure im politischen System Deutschlands insgesamt mit Blick auf die Renten-, Sozial-, Arbeitsund Gesundheitspolitik heraus.

Jürgen Turek
Demokratiemessung – Der Bertelsmann Transformation Index

Als normatives Leitbild ist die Demokratie heute weltweit unumstritten und konkurrenzlos. Mit ihrem Siegeszug sind jedoch auch die Unterschiede zwischen politischen Systemen, die sich als Demokratien verstehen, stärker hervorgetreten. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass es sich bei diesen Unterschieden nicht um Übergangsphänomene handelt, die im Zuge der Reifung demokratischer Institutionen verschwinden, sondern um relativ stabile, da strukturell verfestigte Merkmale. Für die Politikwissenschaft und die angewandte Politikforschung ergeben sich daraus mehrere Probleme bzw. Herausforderungen.

Martin Brusis, Olaf Hillenbrand, Peter Thiery
Politische Bildung: Demokratiekompetenz als pädagogische Herausforderung

Demokratie und Toleranz gehören als Grundwerte zum Selbstverständnis westlicher Gesellschaften am Beginn des 21.Jahrhunderts. Die Akademie Führung & Kompetenz trägt seit vielen Jahren dazu bei, die Akzeptanz jener Werte als tragende Säulen des sozialen Miteinanders weiter zu festigen. Dies gilt beispielhaft auch für das aktuelle Projekt der Akademie zur Erfassung von Demokratiekompetenz.

Silvia Simbeck, Susanne Ulrich, Florian Wenzel
Europäisierung der Bildungsarbeit und aktives Bürgerbewusstsein junger Menschen

Jugend und Europa

als eigenständiges Thema blieb bis in die 1980er Jahre weitgehend unbeachtet. Mit der grundlegenden Studie über die Europabilder junger Menschen in Deutschland 1985-1988 hat die Forschungsgruppe Jugend und Europa (FGJE) diese Schnittstelle zwischen Jugendforschung und Politikwissenschaft systematisch erschlossen.

Eva Feldmann-Wojtachnia, Barbara Tham
Strategien gegen Rechtsextremismus und Vorurteilskriminalität – Für Pluralismus und liberale Demokratie in Deutschland

Die Entdeckung des

Nationalsozialistischen Untergrunds

(NSU) und die aktuelle Debatte über das tatsächliche Ausmaß der Gefahr durch den Rechtsextremismus für Leib und Leben sowie die deutsche Gesellschaft markieren die Notwendigkeit, erfolgversprechende Strategien gegen Rechtsextremismus und Vorurteilskriminalität umzusetzen. Der staatliche Umgang mit dem Phänomen weist gravierende strukturelle Probleme auf, ebenso deutliche Wahrnehmungsdefizite bei den bisher zuständigen Behörden und deren Personal. Kann die politische Kategorisierung dazu beigetragen haben, dass die Taten der NSU aus dem Blick gerieten und jahrelang als „Döner-Morde“ verunglimpft wurden. Ist sie mit dafür verantwortlich, dass den Opfern von den Ermittlern mafiöse Verstrickungen und ausländische Bandenkriminalität unterstellt wurden?

Britta Schellenberg
Anwendungsfelder angewandter Identitätsforschung in Deutschland – eine politikwissenschaftliche Perspektive

Politikwissenschaftliche Identitätsforschung ist per se nur interdisziplinär zu denken. Die identitäre Fragentrias „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“ und „Wohin gehe ich?“ ist – auch wenn sie auf Kollektive gemünzt in der Wir-Form formuliert wird – immer dem Individuum verpflichtet. Sie fußt damit primär auf (sozial-)psychologischen wie soziologischen Erkenntnissen und bricht diese auf die politikwissenschaftliche Kernfrage nach „Aktivitäten zur Vorbereitung und zur Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher und/oder am Gemeinwohl orientierter und der ganzen Gesellschaft zu gute kommender Entscheidungen“ (Meyer 2010: 37) herunter. Als Prämissen politikwissenschaftlicher Identitätsforschung sind deshalb zu formulieren:

Michael Weigl
Backmatter
Metadaten
Titel
Angewandte Politikforschung
herausgegeben von
Dr. Manuela Glaab
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-19672-5
Print ISBN
978-3-531-19671-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19672-5