Produkte, Dienstleistungen, Marken, Werbung: Dank Globalisierung und Digitalisierung gibt es heute alles im Überfluss. Jedes Kundenbedürfnis wird gleich von mehreren Anbietern aufgegriffen und mit ähnlichen Lösungen beantwortet. Immer seltener gelingt es Marken, sich über ein echtes, für die Zielgruppe erkennbares Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition, USP) von den Wettbewerbern abzuheben. Bereits Anfang der Neunziger Jahre stellte der Soziologe Gerhard Schulze fest, dass Konsumenten ein Produkt wegen dieser Qual der Wahl nicht mehr allein wegen ihres Leistungsversprechens kaufen.
Doch wovon machen Verbraucher ihre Kaufentscheidung tatsächlich abhängig? "Nach Schulze davon, dass alles, wofür immer man sich entscheiden mag, innerlich anregende, bereichernde, beglückende, wertvolle Erlebnisse bewirken soll, die einen positiv bestärken, ja glücklich machen", erklärt Springer-Autor Kai-Uwe Hellmann im Buchkapitel "Ein Casting der besonderen Art - Zum Menschenbild der Verbraucherwissenschaften" (Seite 72). Ein langweiliges Kundenerlebnis kann bei unserer "Erlebnisgesellschaft", wie Schulze sie nannte, also nicht punkten. Heute müssen Marken darüber hinaus nicht nur mehr und mehr dazu übergehen, Erlebnisse mittels ihrer Produkte zu verkaufen, sondern sie selbst müssen die Customer Experience (CX) verkörpern. Daraus hat sich ein neuer Unternehmenstypus abgleitet, das "Experience Business".
Customer Experience Management
Was die Kunden als anregend und erlebnisreich empfinden, ist jedoch höchst individuell, weshalb die grobe Segmentierung der Zielgruppe zu kurz greift. Vielmehr steigt der Bedarf nach Personalisierung, die die direkte Ansprache einzelner Zielpersonen ermöglicht. Aufgrund der Digitalisierung spielt sich die Kommunikation an zahlreichen Kundenkontaktpunkten gleichzeitig ab und es werden stetig mehr. Unternehmen stehen dadurch vor der großen Herausforderung, an allen Touchpoints ein perfektes, personalisiertes Kundenerlebnis zu bieten. Um das bewerkstelligen zu können, müssen die Erlebnisse auf der gesamten Customer Journey einer Zielpersonen mittels Datenanalyse in Erfahrung gebracht werden.
Das Customer Relationship Management (CRM), das sich auf unternehmenszentrierte Transaktionen sowie die Datenverwaltung mithilfe entsprechender CRM-Systeme stützt, wird diesem Anspruch nicht gerecht, wie Springer-Autor Bernd Schmitt im Buchkapitel "Kundenerlebnisse managen: Der Customer Experience Ansatz" erklärt. Das Customer Experience Management (CEM), auch CXM genannt, hingegen setzt tiefgreifender an. "Das Ziel des CEM-Ansatzes ist es, eine echte Beziehung zum Kunden aufzubauen und der Firma einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, der auf dem Verständnis von Kundenbedürfnissen beruht. Customer Insight und eine innovative Kundenperspektive sind dabei unverzichtbar", so Schmitt (Seite 251).
Silodenken hemmt Experience Business
Im Experience Business sind also Experten aus Marketing und IT gleichermaßen gefragt, Datenmanagement und Kampagnen strategisch zusammenzuführen. In einer Befragung des Softwarekonzerns Adobe stimmen dem beinahe alle der Chief Information Officer (CIO) und Chief Marketing Officer (CMO) zu. Mehr als jeder zweite Marketer gab zudem an, im CIO seines Unternehmens einen wichtigen strategischen Partner zu sehen. Die IT erwidert diese Wertschätzung gegenüber dem CMO mit 45 Prozent. Künftig wollen IT (50 Prozent) und Marketing (40 Prozent) ihre Kompetenzen noch stärker bündeln.
Dass eine solche Kooperation mit der Öffnung von Kompetenzbereichen beider Abteilungen einhergeht, führt jedoch in vielen Unternehmen zu Differenzen. Denn noch ist das Silodenken stark verbreitet. So findet fast ein Drittel der Marketer, dass sich der CIO ausschließlich um den IT-Support kümmern sollte. 23 Prozent der IT-Entscheider bemängeln im Gegenzug, dass sich der CMO zu sehr auf Kampagnen versteift und sich nicht mit den dafür nötigen technologischen Bedingungen auseinandersetzt. Am Anfang des abteilungsübergreifenden Experience Business steht also der offene Austausch, der idealerweise ein gegenseitiges Verständnis der jeweiligen Rollenvorstellungen und Ziele bewirkt.