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28.02.2018 | E-Commerce | Schwerpunkt | Online-Artikel

Geoblocking geht es an den Kragen

verfasst von: Johanna Leitherer

3:30 Min. Lesedauer

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Schluss mit Geoblocking, lautet die Entscheidung der Europäischen Union. Schon bald sollen Verbraucher auch auf die Online-Shops ausländischer EU-Anbieter uneingeschränkt zugreifen dürfen. Die praktische Umsetzung hat aber ihre Tücken.

Abseits der Touristen-Attraktionen finden sich Souvenirs zu erschwinglichen Preisen, Zugtickets sind am Wochenende teurer und auch beim kostengünstigen Tanken kommt es häufig auf den richtigen Zeitpunkt an. Diese und weitere Mechanismen der Preispolitik sowie des dynamischen Preismanagements, "Dynamic Pricing", sind Verbrauchern bekannt. Da die Preisschwankungen meist vorhersehbar sind und einer gewissen Logik folgen, lassen sich diese durch entsprechendes Verhalten gezielt umgehen oder nutzen. Im E-Commerce sind sowohl die Preisdifferenzierung als auch die Verkaufsbedingungen für Käufer jedoch nicht immer durchschaubar. Viele ausländische Anbieter aus der Europäischen Union (EU) verhindern beispielsweise durch automatische Umleitungen, dass Kunden die Shop-Seite und damit die Angebote eines anderen Landes einsehen können. Darüber hinaus verwehren einige Shops bestimmten ausländischen Kundengruppen den Zugriff auf ihre Webseite gänzlich.

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Personalisierte Preise im Handel – Chancen und Herausforderungen

Personalisierte Preise werden von Politik und Handel stark diskutiert. Davon abzugrenzen ist die dynamische Preisbildung, bei der vor allem in Abhängigkeit von Wettbewerbspreisen häufige Preisanpassungen gemäß bestimmter Regeln vorgenommen werden.


Die regionale Sperrung bestimmter Internetinhalte wird als Geoblocking bezeichnet. Es beruht auf der Technik des Geotargeting. Dabei wird der momentane lokale Standort des Nutzers aus dem Zahlencode seiner Server-Adresse (IP) ermittelt. Auf diese Weise lassen sich bestimmte Angebote an ausgewählte Kundensegmente herantragen oder gar identische Produkte und Dienstleistungen zu unterschiedlichen Preisen verkaufen. Verbraucher ärgern sich über die ungleiche Behandlung im Online-Handel, wie eine Umfrage des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums offenlegt. "Preisdifferenzierungen aufgrund des Wohnortes werden sogar von 94 Prozent der Befragten als unfair angesehen", schreibt Johannes Remmel im Zeitschriftenartikel "Dynamische Preissetzung — Wer profitiert?" des Wirtschaftsdienstes über die Studie (Ausgabe 12 | 2016, Seite 12).

Schluss mit Preisdiskriminierung

Ungleiche Preise und Vertragsbedingungen lassen auf eine Diskriminierung der Verbraucher schließen, weshalb die EU nun mit einer Entscheidung reagiert hat, die bereits Ende 2018 in Kraft treten soll. Diese hat zum Ziel, die Praktiken des Geoblockings in den kommenden neun Monaten weitestgehend abzuschaffen. Kunden der EU-Mitgliedsstaaten können dann uneingeschränkt auch auf ausländischen Webseiten ihrer Wahl einkaufen. Händler müssen Preise für die Produkte angleichen und auch die Zahlungsmittel dürfen nicht aufgrund des Ausstellungsortes oder anderer regionaler Gründe abgelehnt werden. Die Händler in der EU sind allerdings nicht verpflichtet, die bestellte Ware ins Ausland auszuliefern, müssen dem Kunden aber die Option der Selbstabholung anbieten. Anbieter von elektronisch erbrachten Dienstleistungen, wie Software-Lösungen, wird das Recht völlig abgesprochen, ausländische Kunden abzuweisen.

Tatsächlich existieren im europaweiten E-Commerce große Handelsbarrieren. Knapp zwei Drittel der europäischen Online-Shops lassen ausländische Kunden derzeit nicht bei sich einkaufen, meldet die EU. Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf unter Verbrauchern, Produkte und Dienstleistungen im europäischen Ausland zu erwerben. Mit den neuen Regelungen zum Geoblocking erhofft sich die EU daher, den europäischen, digitalen Binnenmarkt zu stärken. "Ein funktionierender Wettbewerb ist eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Produktion und für eine kostengünstige Versorgung der Gesellschaft mit Gütern und Dienstleistungen. Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb ist allerdings, dass die Nachfrageseite einen – idealerweise vollständigen – Marktüberblick hat. Und das bedeutet nichts Anderes als Transparenz für die Verbraucher", meint auch Gastautor Remmel (Seite 12).

Urheberrechtlich geschützte Güter ausgenommen

Bis Online-Shops diese Transparenz bewerkstelligen können und ihr Angebot an die neuen EU-Regelungen angepasst haben, dürfte es jedoch weitaus mehr Zeit als die geplanten neun Monate in Anspruch nehmen, warnen Kritiker. Kleine und mittlere Online-Shops fürchten, an der praktischen Umsetzung zu scheitern und erwarten spürbare Einbußen für ihr Geschäft. Darüber hinaus bezweifeln viele Shop-Betreiber, die ausländischen Kunden tatsächlich zufrieden stellen zu können. Denn auch wenn die EU plant, grenzüberschreitende Paketdienste zu fördern und Lieferkosten zu drosseln, liegen die internationalen Speditionspreise derzeit noch sehr hoch. Diese müssen meist vom Käufer selbst getragen werden. 

Ebenfalls verärgert einige Beobachter, dass urheberrechtlich geschützte Güter wie Filme, Musik oder Transportdiensleistungen von der EU-Entscheidung ausgenommen sind. "Tragischerweise werden uns Fehlermeldungen wie "Dieser Inhalt ist in deinem Land nicht verfügbar" auch nach Inkrafttreten des heute verabschiedeten Gesetzes erhalten bleiben. Sie werden weiterhin europäischen Werken ein pan-europäisches Publikum vorenthalten, und die europäische Wirtschaft Millionen an entgangenen Verkäufen kosten", bedauerte Julia Reda, EU-Abgeordnete der Piratenpartei am Tag des Gesetzesentscheids. Mediatheken, Radio-Sender und TV-Dienste, die im In- und Ausland abonniert werden können, bleiben somit auch weiterhin den jeweils heimischen Nutzern vorbehalten. Immerhin hat die EU eine Überprüfungsklausel in das Gesetz aufgenommen, die sie dazu verpflichtet, in zwei Jahren abermals zu prüfen, ob es wirklich vertretbar ist, die lokale Sperrung urheberrechtlich geschützter Inhalte weiterhin zu gewähren.

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