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18.07.2022 | Organisationsentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Zäher Kulturwandel hin zu mehr Agilität

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Die aktuellen Krisen zeigen einmal mehr, wie wichtig Flexibilität und der Mut zu Veränderungen für Unternehmen sind. Doch mit agilem Management tun sich deutsche Firmen schwer. Woran es hapert und was hilft.

Auch in Deutschland halten sich viele Firmen und Manager für agil. Nichtsdestotrotz landeten deutsche Unternehmen im 16-Länder-Vergleich noch vor drei Jahren auf dem letzten Platz beim Einsatz agiler Methoden. Eine internationale Online-Befragung der Hochschule Karlsruhe unter 655 Unternehmen ergab damals, dass nur 45 Prozent der befragten deutschen Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe agile Entwicklungsmethoden nutzen. 

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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Einführung von Agilen Methoden im Unternehmen

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Fähigkeit von Unternehmen agil zu agieren. Agilität steht im Wirtschaftskontext für eine Arbeitsweise, die dem Unternehmen ermöglicht, sich an ändernde Rahmenbedingungen und Anforderungen schnell anzupassen.

Bei den befragten chinesischen Unternehmen waren es hingegen 88 Prozent, in Indien 82 Prozent und in den USA 63 Prozent. Zudem erwirtschafteten die Unternehmen der anderen Länder bereits 2019 mit digitalen Services und Geschäftsmodellen im Schnitt mehr als 40 Prozent ihres Umsatzes. In deutschen Unternehmen lag die Rate nur bei 25 Prozent.

Viel Gerede, nichts dahinter?

In Deutschland gebe es die Tendenz, viel über Agilität zu sprechen. Wenn es aber zur faktischen Umsetzung komme, würde nur eine Minderheit der Unternehmen Tools wie Scrum, Kanban und Crystal anwenden, stellte Steffen Kinkel, Leiter des Instituts für Lernen und Innovation in Netzwerken (ILIN) an der Hochschule Karlsruhe und Autor der Studie ernüchtert fest.

Umso interessanter ist nun, mehr als zwei schwierige Pandemie-Jahre später, die Frage, ob deutsche Unternehmen zwischenzeitlich agiler geworden sind. Die kurze Antwort darauf lautet: Es scheint voranzugehen, doch bleibt weiterhin einiges zu tun, bis deutsche Unternehmen die agile Transformation gewuppt haben. Diesen Schluss legt jedenfalls die exemplarische Benchmark-Studie "Funktionen, Rollen und Organisationsstrukturen im agilen Umfeld" der HR-Beratung Lurse nahe. Sie basiert auf der Befragung von 18 kleinen, mittleren und großen Unternehmen im Dezember 2021 zum Grad ihrer Selbstorganisation und den Modellen, an denen sie sich dabei orientieren.  

Jede zweite Firma arbeitet mit agilen Teams

Laut Stefan Fischer, Partner und Practice Lead People & Organization bei Lurse, zeigen die Ergebnisse, "dass die Übergänge zwischen klassischer und agiler Organisation fließend sind." Demnach gibt es in der Hälfte der befragten Betriebe zahlreiche agile Teams. Meist finden sich dabei größere agile Strukturen in einzelnen Abteilungen oder sogar Bereiche mit vollständig agilisierten Prozessen. Die disziplinarische Führung und die Geschäftsverantwortung wird hier auf verschiedene Rollen verteilt.

22 Prozent der befragten Unternehmen geben derweil an, bereits vollständig agilisiert zu sein. Die eine Hälfte dieser Firmen hat hierfür ein eigenes Modell entwickelt. Die andere Hälfte orientiert sich an Vorbildmodellen, wie etwa Spotify, Safe oder Agile Scaling Cycle. Weitere 22 Prozent der befragten Firmen sind hingegen noch weitgehend hierarchisch organisiert. Sie verfügen lediglich über einzelne agile Rollen auf Mitarbeiterebene und erklären ihre agile Transformation für noch nicht abgeschlossen.

Durch Agilität innovationsstärker werden

Die Gründe, aus denen sich Unternehmen für agile Strukturen und Vorgehensweisen entscheiden, sind vielfältig. Und sie korrespondieren auffallend mit den Herausforderungen, die Unternehmen erst recht seit der Corona-Pandemie zu meistern haben.

Top-Ten-Motive für mehr Agilität

Beobachtung einer Verbesserung in diesem Punkt (in %)

Höhere Innovationskraft

33

Stärkere Kundenorientierung

50

Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit

39

Erhöhung der Geschwindigkeit durch schnellere Prozesse

22

Flexibler Umgang mit Veränderungen/Unsicherheiten

44

Höhere Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Anpassung an (neue) Herausforderungen

28

Schnellere Rückkopplung mit internen und externen Kunden

39

Schneller Prototypen erstellen, um in kurzer Zeit ein nützliches Produkt zu erhalten

22

Erhöhung der Attraktivität des Unternehmens

50

Bildung von Teams mit End-to-End Verantwortung

22

Quelle: "Funktionen, Rollen und Organisationsstrukturen im agilen Umfeld", Lurse, Dezember 2021

IT-Bereich und Produktentwicklung sind am agilsten

Doch wie sieht die Agilität in der Unternehmenspraxis aus? Der Studie zufolge sind aktuell der IT-Bereich, die Produktentwicklung, Central Functions und das Marketing am häufigsten agil aufgestellt. Am meisten genutzt werden die agilen Methoden Scrum (94 Prozent), Kanban (89 Prozent) und Design Thinking (83 Prozent).  

Die größte Herausforderung der agilen Transformation stellt der Studie zufolge die Veränderung von Arbeitsprozessen und Strukturen dar. "Ein wichtiger, psychologischer Punkt: Führungskräfte müssen loslassen können, um Agilität zu ermöglichen", erklärt Lurse-Partner Stefan Fischer. Dies erfordert jedoch ein neues Führungsverständnis und eine veränderte Unternehmenskultur.

Unternehmenskultur und Agilität sind eng verknüpft

"Kultur ist die wichtigste Determinante der Agilität eines Unternehmens, mit Auswirkungen positiver oder negativer Art", stellt auch Gunther Wobser in dem Buchkapitel "Durchführung agiles Innovationsmanagement" fest. (Seite 159) Als Maßnahmen, die insbesondere auf eine Veränderung der Innovationskultur zielen, nennt der Springer-Autor die Ermutigung zu Innovationsprozessen, die auf Eigeninitiative und Selbstorganisation basieren sowie die Bereitstellung entsprechender Ressourcen.

Aber auch die organisatorische Verankerung von Unternehmertum innerhalb der Organisation durch Entrepreneure und Intrapreneure trage zur Kulturveränderung bei. Darüber hinaus verweist Wobser auf die neue Fehlerkultur in agilen Organisationen. (Seite 162)

Praktische Ansätze für den Kulturwandel

Des weiteren stellt Gunter Wobser einige Ansätze vor, die dem Kulturwandel hin zu mehr Agilität auf die Sprünge helfen können (Seite 163/164):

  • Working Out Loud (WOL) Mehrwöchiges Programm mit fünf Elementen: Gezielte Entdeckung (Purposeful Discovery), Beziehungen (Relationships), Großzügigkeit (Generosity), Sichtbare Arbeit (Visible Work) und Wachstumseinstellung (Growth Mindset)
  • New Work Flexibilisierung der Arbeitsorganisation und -formen
  • Objective Key Results (OKR) Zielausrichtung und Strategieumsetzung stehen im Fokus des Handelns
  • Five Whys Strukturierte Fragemethode, um die Wurzel eines Problems festzustellen

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