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2022 | Buch

Von der Industriemetropole zur resilienten Stadt

Leipzig im regionalen und überregionalen Vergleich

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Über dieses Buch

Dieses Buch behandelt die Bedeutung von Resilienz für die Entwicklung von Städten und Regionen, insbesondere am Beispiel der mitteldeutschen Metropole Leipzig. Das Industriezentrum Leipzig machte nach einer gut 150-jährigen Blütezeit im Gefolge der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 einen umfassenden Transformationsprozess durch, der ab 2002 in eine Re-Industrialisierung der Stadt und in einen bis dahin nicht mehr für vorstellbar gehaltenen wirtschaftlichen und demographischen Aufschwung mündete. Diese Leipzig-spezifische Entwicklung lässt auf einen hohen Grad an Resilienz, an Widerstandsfähigkeit gegen Krisen und Kraft zur ‚Neuerfindung‘ schließen. Davon ausgehend fragen die Beiträge grundsätzlich danach, welche Faktoren eine Stadt bzw. eine Region resilient werden lassen. Sie diskutieren die Interdependenzen zwischen speziell wirtschaftlicher und allgemeiner urbaner Resilienz sowie die Relevanz von kommunalen Institutionen und Ressourcen, industriekulturellen Traditionen und unternehmerischen Innovationen für die Herausbildung resilienter Strukturen. Auch die Wahrnehmungen und Handlungspotentiale der auf (Zer)Störungen reagierenden Menschen finden Berücksichtigung. Der Vergleich zwischen den verschiedenen städtischen und regionalen Perspektiven soll den Blick auf Resilienz als komplexes, derzeit international breit diskutiertes Phänomen schärfen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Von der Industriemetropole zur wirtschaftlich resilienten Stadt
Leipzig vom späten 18. bis zum frühen 21. Jahrhundert
Zusammenfassung
Dieser Beitrag versucht, eine neue Untersuchungsperspektive zur Wirtschafts- und speziell zur Industriegeschichte der Stadt Leipzig anzuregen. Der Blick auf das Forschungsparadigma der Resilienz bietet – so die Eingangsthese – eine Möglichkeit, die Aufschwünge und Niedergänge einer der interessantesten Stadtwirtschaften Deutschlands mit einer über Jahrzehnte breit diversifizierten Industrie neu und innovativ zu interpretieren – und verstehen zu lernen, warum gerade Leipzig erfolgreich darin war, Disruptionen aller Art – von allgemeinen Wirtschafts- und branchenspezifischen Strukturkrisen bis hin zu Systembrüchen – zu bewältigen, ja sogar besser zu bewältigen, als viele andere Städte sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern. Aus der hier gewählten, dezidiert wirtschaftshistorischen Perspektive heraus wird gezeigt werden können, dass Leipzig als eine (ökonomisch) resiliente Stadt betrachtet werden kann.
Markus A. Denzel
2. Resilienz und resiliente Stadt
Eine Begriffsbestimmung
Zusammenfassung
Resilienz wird in diesem Beitrag als Systemfähigkeit betrachtet, Antizipations-, Anpassungs- und Transformationsprozesse gegenüber disruptiven Störungen auszulösen, um gewünschte Funktionen innerhalb des Systems zu erhalten. Für resiliente Städte bedeutet diese Definition, einen institutionellen, physischen und kulturellen Raum zu bieten, um Bürger:innen, lokale Gemeinschaften, Unternehmen und Organisationen beim Aufbau solcher Systemfähigkeiten zu unterstützen. Der Beitrag beschreibt Einflüsse auf den Aufbau der Systemfähigkeiten in Städten, die sich aus Struktureigenschaften, Wahrnehmungs- und Handlungspotenzialen sowie institutionellen Regeln ergeben. Resiliente Städte erhalten ihre Resilienzfähigkeiten von den Einstellungen, Aktivitäten und Fähigkeiten der Menschen, die in den Städten leben, und können immer nur vor dem Hintergrund jeweilig untersuchter Störungen und Zeiträume als resilient bezeichnet werden. Allerdings können Resilienzerfahrungen in den Städten dazu beitragen, einen selbstwirksamen und positiven Umgang mit Krisensituationen zu erlernen, diese Lernerfahrungen weiterzugeben und damit zukünftigen Krisen zuversichtlicher und besser zu begegnen.
Rüdiger Wink
3. Resilience in Dutch and Taiwanese Regions: High-Tech and Beyond
Zusammenfassung
In this chapter, I will bring you to the high-tech region Eindhoven in the Netherlands and the high-tech region Hsinchu in Taiwan and also travel to the past. I will share with you some of the most remarkable aspects of the resilience of the two high-tech regions. The developments in both regions show that resilience started with understanding the challenges ahead. Both cases clearly illustrate how these worries led to government plans to, amongst others, build and strengthen the knowledge structure, stimulate regional cooperation, and boost new activities. When building on past experiences was possible, government involvement became less important and vice versa. Moreover, government policy became relevant only if local actors came into action. Both cases show that for regional cooperation sharing more than geographical proximity was of prime importance and that local embeddedness was paired to global connectivity. On the one hand both high-tech clusters faced economic and technical challenges, which were intertwined with global developments. On the other hand global connections played a crucial role in the adaptive capability of these high-tech regions.
Mila Davids
4. Resilienz in der Wasserversorgung
Herausforderung für die Daseinsvorsorge am Beispiel Leipzigs
Zusammenfassung
Resilienz in natürlichen Systemen ist möglich, weil Systemkomponenten innerhalb bestimmter Grenzen regenerativ sind. In soziotechnischen Systemen wie der gesellschaftlichen Wasserversorgung ist der technische Teil, also die Wasserversorgungsinfrastruktur, aber nicht regenerativ. Es muss also im sozialen System eine Lösung gefunden werden für Regeneration, Unterhalt und Anpassung der technischen Systemkomponenten. Diese stetige Anpassung ist insbesondere bei langlebiger leitungsgebundener Infrastruktur eine dauernde Herausforderung. Der Prozess der deutschen Wiedervereinigung, der in Leipzig begann, führte zu Änderungen im übergeordneten sozialen System. Für die Wasserinfrastruktur in Leipzig brachte dieser Systembruch besondere Anpassungsnotwendigkeiten mit sich. Ganz erhebliche Anstrengungen waren und sind bis heute erforderlich, um dieses soziotechnische System neu zu justieren und die Resilienz in diesem grundlegenden Feld der Daseinsvorsorge zu sichern.
Robert Holländer, Uwe Winkler, Lydie Laforet
5. Industrie und Industriekultur in Sachsen
Zusammenfassung
Sachsen gilt als ein Pionierland der Industriellen Revolution oder Industrialisierung in Deutschland. Dieser Beitrag gibt im ersten Teil einen Überblick über den Gang der Industrialisierung und die wechselvolle Entwicklung der sächsischen Industrie vom 19. bis 21. Jahrhundert. Diese erlebte ihren größten Strukturbruch im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung und der Transformation des Wirtschaftssystems seit 1990, als vier von fünf Industriearbeitsplätzen in kürzester Zeit verschwanden. Doch auch wenn Sachsen als einst am stärksten gewerblich-industriell geprägter Teil Deutschlands Geschichte ist, gilt sein geschrumpfter industrieller Sektor heute als hochinnovativ und zukunftsorientiert. Im zweiten Teil geht es um die aktuelle Auseinandersetzung mit dem industriekulturellen Erbe. So diskutiere ich zunächst, ob bzw. inwiefern Sachsen ein Nachzügler im Umgang mit seiner überaus reichen Industriekultur ist und setze mich exemplarisch mit dem Konzept von Industriekultur auseinander, das der 4. Sächsischen Landesausstellung „BOOM. 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ und dem Jahr der Industriekultur 2020 zugrunde lag. Hier und bei der weiteren Erörterung geht es um Chancen, die der gezielten Vermittlung des industriekulturellen Erbes für die Gegenwart und Zukunft des Freistaates beigemessen werden. Ich beschließe den Beitrag mit einigen Überlegungen zum Nutzen von „Resilienz“ als Forschungsperspektive bei der historischen Auseinandersetzung mit Industriegeschichte.
Susanne Schötz
6. Industriekultur im Ruhrgebiet
Bilanz und Perspektiven
Zusammenfassung
Das Ruhrgebiet war Mythos und gedankliche Konstruktion zugleich, „erfunden“ in einer Phase von wirtschaftlicher Not und politischen Krisen, in der die Weimarer Republik zerbrach und die Menschen regionale Identifikationsmuster dringend benötigten. Die Dominanz der großen Montankonzerne hat indes notwendige Innovationen genauso verhindert wie die Industriepolitik, die einen verspäteten Strukturwandel zu verantworten hat. Das soll die Leistungen der Denkmalpflege und vor allem der Industriemuseen der Landschaftsverbände sowie vieler engagierter und verdienter Menschen und Vereine nicht schmälern, denn die Region ist von ihrer Industriegeschichte in besonderer Weise geprägt worden. Allerdings muss sich auch die Industriekultur, wenn sie mehr als „Folklore“ sein will, einer Vielzahl neuer, kritischer Fragen zur Ruhrgebietsgeschichte stellen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Karl-Peter Ellerbrock
7. Towards a Critical Political Geography of Resilience Machines in Urban Planning
Zusammenfassung
In the past years, resilience has turned into one of the major buzzwords in urban studies as well as in urban politics. This coincides with seemingly diverse and expanding challenges cities across the world have been exposed to in the past years (such as the simultaneity of old and new economies, their function as entry points for migrants and refugees, various sorts of perceived security threats, climate change, growing urban-rural polarisation, issues of exclusion and marginalisation, urban protest movements, increasing global competition and so on). Increasingly, policy makers and urban planners see the promotion of resilience as a promising way forward at times when it seems to be more and more difficult to respond to challenges impossible to predict. For many, resilience is the key to the governance of complexity. But, to what extent is the notion of urban resilience a useful approach in this context? And what understanding of resilience should we follow? Based on a review of the current relation of urban planning to these new forms of uncertainty, this chapter discusses the limits and opportunities of the resilience machine out of a critical urban and regional studies perspective.
Thilo Lang
8. Wertschöpfung, die der Gesellschaft dient
Carl Heines Wirken als verantwortliches Unternehmertum
Zusammenfassung
Dieser Beitrag betrachtet das Wirken des Unternehmers Carl Heine aus wirtschaftsethischer Sicht. Ausgangspunkt ist die folgende „Goldene Regel“ der Wirtschaftsethik: „Investiere in die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit“. Heines Haltung und Tun ist in vielfältiger Hinsicht ein Beispiel für die Umsetzung dieser Regel als Unternehmer, dessen Aktivitäten maßgeblich zur Blüte Leipzigs im 19. Jahrhundert beitrugen. In einem weiteren Schritt werden diese Überlegungen in die heutige Zeit übertragen mit Blick auf die Frage, welche Erwartungen man legitimer Weise heute an Unternehmen und Unternehmer stellen kann.
Andreas Suchanek
9. Schatztruhe der Wirtschaftsgeschichte inmitten der Stadt Leipzig
Das Sächsische Wirtschaftsarchiv e. V.
Zusammenfassung
Deutschlandweit bestehen gegenwärtig neun regionale Wirtschaftsarchive. In Anlehnung an diesen in der Bundesrepublik bewährten Archivtyp gründeten die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern am 5. April 1993 das Sächsische Wirtschaftsarchiv e.V. (SWA) als regionales Wirtschaftsarchiv für Sachsen. Diese Archivgründung war die Folge des Wegfalls der Zuständigkeit der Staatsarchive für die Überlieferung der Wirtschaft, so wie sie zwischen 1945 und 1989 bestand. Nunmehr konnte die Wirtschaft wieder frei über die eigenen Archivbestände verfügen. Damit entstand erstmals im Osten Deutschlands ein regionales Wirtschaftsarchiv, das an die Tradition des von 1887 bis 1959 an der Bibliothek der Handelskammer zu Leipzig bestehenden Wirtschaftsarchivs für Leipzig anknüpft. Bewusst entschieden sich die Gründungskammern also für den Standort Leipzig. Und bewusst oder unbewusst hat das SWA seit 2007 nach zwei vorausgegangenen Standorten seinen Sitz mitten in Leipzig-Plagwitz, dem früheren Wirkungskreis des Leipziger Industriepioniers Dr. Carl Erdmann Heine.
Veronique Töpel
10. Industrie(Kultur) – Stadt – Region – Resilienz
Ein ressourcenbasierter Blick auf ihr Beziehungsgefüge als Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag verfolgt zwei Ziele. Erstens sollen einige synthetisierende Überlegungen zum Ertrag der Tagung angestellt werden. Dabei wird als methodische Klammer zwischen den geografischen Schauplätzen (Leipzig, Sachsen, Ruhrgebiet, Region Eindhoven/Niederlande, Region Hsinchu/Taiwan) und den thematischen Schwerpunkten der Tagung (Industrie und Industriekultur, Stadt und Region, Resilienz) eine Perspektive gewählt, die sich an der Verfügbarkeit, Verwendung und Wirkkraft unterschiedlichster Ressourcen orientiert. Auf diesem Wege sollen, zweitens, zumindest punktuell Befunde ergänzt sowie am Beispiel des Rheinlands und der Lausitz der Blick auf andere (deutsche) Industrieregionen erweitert werden.
Thomas Urban
Metadaten
Titel
Von der Industriemetropole zur resilienten Stadt
herausgegeben von
Markus A. Denzel
Susanne Schötz
Veronique Töpel
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-37302-3
Print ISBN
978-3-658-37301-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37302-3