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14.08.2019 | Handel | Schwerpunkt | Online-Artikel

Marken müssen um Händler buhlen

verfasst von: Johanna Leitherer

3:30 Min. Lesedauer

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Stationäre Supermarkt- und Drogerieketten reglementieren ihre Eintrittsbarrieren für Markenartikelhersteller immer stärker. So avancieren Eigenmarken und innovative Start-ups zu neuen Platzhirschen in den Regalen.

Händler und Hersteller sind dafür bekannt, harte Verhandlungen miteinander auszutragen. Seit einigen Jahren verlagert sich das Machtgefälle jedoch zu Gunsten der Einzelhändler, die auf die geforderten Preise und Konditionen der Markenartikelhersteller immer öfter mit radikaler Auslistung reagieren. In der Vergangenheit kam es deshalb zum Beispiel vor, dass Produkte von Megakonzernen wie Nestlé aus den Regalen des Lebensmitteleinzelhändlers Edeka verschwanden, die Drogeriekette DM sich von der Bio-Marke Alnatura verabschiedete und Kaufland etliche Unilever-Artikel aus seinen Supermärkten verbannte. 

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Zur Begründung argumentieren die Händler im Sinne der Verbraucher. Kaufland etwa erklärte den Unilever-Rauswurf damit, dass die neuesten Preiserhöhungen nicht zumutbar für die Kunden seien. Das entschiedene Vorgehen der Händler macht sich offenbar bezahlt: Einer Umfrage der Unternehmensberatung Oliver Wyman zufolge denken 74 Prozent der Konsumenten, dass der Handel stärker für ihre Interessen eintritt als die Hersteller. Dass einige Markenartikel im Regal fehlen, haben ein Viertel der Befragten nicht einmal bemerkt und knapp ebenso viele stören sich nicht an den Auslistungen. 

Starke Eigenmarken der Händler

Die Eigenmarken der Supermarkt- und Drogerieketten erfreuen sich dagegen steigender Beliebtheit, was das steigende Kundenvertrauen in die Händler untermauert. Bei der Produktentwicklung setzen die Supermarkt- und Drogeriekonzerne markenbildende Schwerpunkte. Rewe beispielsweise fokussiert seine Eigenmarken auf ökologische Nachhaltigkeit, während das Drogerieunternehmen Rossmann unter anderem mit seiner Eigenmarke "Babydream" soziale Projekte fördert. Kaufland prescht im Bereich der Hausmarkenentwicklung besonders engagiert voran und realisiert zahlreiche Projekte in Eigenregie, darunter das laktose- und glutenfreie Produktsortiment "K-free", das sich speziell an Kunden mit Lebensmittelunverträglichkeiten richtet. 

Eigenmarken stellen für Einzelhändler ein attraktives Geschäftsfeld dar. "Ein Vorteil besteht darin, dass der prozentuale Profit aus Eigenmarken für den Händler höher ist als der Profit aus dem Verkauf von Markenartikeln. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass beim Verkauf von Eigenmarken der Ertragsanteil für den Hersteller beim Händler verbleibt", erklärt Springer-Autor Andreas Toth im Kapitel "Die Gestaltungsfaktoren des Einkaufserlebnisses" seines Buchs "Die Treiber der Customer Experience". Strategisches Marketing kurbelt den Verkauf gezielt an. "Die steigende Bedeutung von Eigenmarken wird dabei dadurch verstärkt, dass Markenartikel weniger beworben werden als früher", so Toth (Seite 62).

Boom der Influencer-Produkte

Anstatt mit Markenartikelherstellern zu kooperieren, bevorzugen Einzelhändler die Zusammenarbeit mit beliebten Personen des öffentlichen Lebens, wie Social-Media-Influencern und Stars. "Gemeinsam mit Heinicke entwickelte dm die Marke "bilou" (ein Akronym für "Bibi loves you") und brachte unter dieser diverse Duschschäume auf den Markt, die am Erscheinungstag innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren", nennt ein Springer-Autorenteam im Buchkapitel "Operatives Markenmanagement" als Beispiel für eine erfolgreiche Influencer-Produktreihe im Einzelhandel (Seite 241).

Erst kürzlich launchte DM gemeinsam mit der Unternehmerin Judith Williams und der Schlagersängerin Vanessa Mai gleich zwei neue Kosmetiklinien. Auch der Discounter Lidl hat die Promi-Vermarktung für sich entdeckt und gemeinsam mit Heidi Klum Modekollektionen unter dem Label "Esmara" herausgebracht, die jedes Mal einen echten Verkaufshit landeten. Zahlreiche Influencer bewarben die Modeteile anschließend auf Instagram. Dass mittlerweile sogar Stars Kooperationen mit Einzelhändlern eingehen, befeuert die stetige Erweiterung der Eigenmarkenportfolios entscheidend.

Start-ups sind innovativer

Doch nicht nur Eigenmarken, sondern auch kleine Start-ups graben großen Markenartikelherstellern zusehends das Wasser ab. Die Mikromarken bedienen aktuelle Verbraucherbedürfnisse nach Nachhaltigkeit und Kundennähe. Bei etablierten Konsumgüterherstellern sind Innovationen in den vergangenen Jahren hingegen auf der Strecke geblieben. "Die Hersteller müssen innovativer werden und wieder näher an die Kunden rücken", rät Oliver Wyman-Principal Jens von Wedel mit Blick auf die Studienergebnisse. Einzelne Marken, wie zum Beispiel das Kosmetikunternehmen L'Oréal, haben nun ebenfalls auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Produktlinien herausgebracht.

Doch mit Innovationen alleine wird sich der Konflikt zwischen Herstellern und Händlern wohl nicht lösen lassen. "Die aktuellen Auseinandersetzungen sind kein temporäres Phänomen, sondern stehen zumindest kurzfristig für eine strukturelle Veränderung des Verhältnisses von Handel und Herstellern", ist sich Rainer Münch von Oliver Wyman deshalb sicher. Konsumgüterhersteller sollten darauf eingestellt sein, dass der Handel auch in Zukunft seine aggressive Verhandlungsstrategie fortsetze. Grenzüberschreitender Einkaufsallianzen, mit denen bessere Konditionen bei Lieferanten erwirkt werden, steigerten beispielsweise zusätzlich die Verhandlungsmacht der Einzelhändler, so Münch.

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