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14.05.2019 | Risikomanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Unternehmen den proaktiven Turnaround schaffen

verfasst von: Anne Steinbach

5 Min. Lesedauer

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Restrukturierungsexperten sehen ernste Warnsignale für die Konjunktur- und Unternehmensentwicklung. Warum gerade jetzt ein proaktiver Turnaround wichtig ist und wie dieser die Krisenresilienz von Unternehmen stützt.


Für die "Alix Partners jährliche Turnaround- & Restrukturierungsstudie 2019" wurden bereits zum 14. Mal Restrukturierungs- und Transformationsexperten auf allen Kontinenten nach ihrer Einschätzung der Weltwirtschaft befragt. Dabei ging es um ihre Einschätzungen zur Entwicklung der globalen Wirtschaft, aber auch um Tendenzen und Trends, dringend nötige Veränderungen sowie Umstrukturierungen - sowohl gesamtwirtschaftlich als auch in unterschiedlichen Branchen.

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Turnaround Management

(Strategische Managementkonzepte)

Turnaround Management umfasst die Analyse eines Unternehmens(‐bereiches) und Einleitung von Maßnahmen, die auf den Erhalt der betrieblichen Existenz zielen. Dies insbesondere in Zeiten, in denen die Geschäftsaufgabe des Unternehmens nur durch  systematischen Sanierungsprozess verhindert werden kann.


Wirtschaftsentwicklungen, die in der Studie von den Experten am häufigsten genannt wurden:

  • 42 Prozent der Befragten befürchten eine Rezession in ihrem Heimatmarkt.
  • Ein Comeback der Schuldenkrise sowie ein ungeregelter Brexit sind in Europa für 96 Prozent beziehungsweise 94 Prozent der Befragten die wichtigsten Krisenfaktoren.
  • Ein proaktiver Turnaround unterstützt die Krisenresilienz der Unternehmen.

"Was wir derzeit erleben, ist eine gefährliche Mischung aus auslaufendem Konjunkturzyklus, wachsenden politischen Risiken und fundamentalen technologischen Umbrüchen, die zu enormem Handlungs- und Restrukturierungsdruck in vielen Branchen führt", so Axel Schulte, Global Co-Head für den Bereich Turnaround und Restrukturierung bei Alix Partners. Sein Vorschlag: Wichtige strategische und operative Maßnahmen müssen jetzt getroffen werden, um die "Unternehmen wetterfest zu machen".

Handel und Automobilwirtschaft haben größten Restrukturierungsdruck

Als Industrien, bei denen 2019 der Handlungsdruck am größten ist, schätzen in Europa 80 Prozent der Restrukturierungsprofis den Handel und 60 Prozent die Automobilindustrie sowie ihre Zulieferer ein. Auch weltweit gilt der Handel mit 49 Prozent als die am stärksten gefährdete Branche. Allerdings nimmt hier die Öl- und Gasindustrie mit 36 Prozent vermutetem Krisenpotenzial den zweiten Platz ein, noch vor der Automobilindustrie mit 34 Prozent.

Gerade der Handel hat mit dem steigenden Onlinegeschäft und der sinkenden Frequenz von Kunden im den stationären Geschäften zu kämpfen. Dies führt weltweit zu enormen Umsatzeinbußen. Die Ursachen hierfür sind laut der Befragten in disruptiven Markt- und Technikentwicklungen (36 Prozent) und im veränderten Kaufverhalten (33 Prozent) zu suchen.

Laut der Studie befindet sich die Autoindustrie momentan im größten Umbruch ihrer Geschichte. Hier sind es vor allem die konjunkturellen Rahmenbedingungen (40 Prozent), die Entwicklung disruptiver Technologien (27 Prozent) und die neuen Verbraucherpräferenzen (22 Prozent), welche die Branche zur Restrukturierung zwingen. 

Besser proaktiver Turnaround als späte Restrukturierung

Da 75 Prozent der Befragten eher an eine graduelle, als an eine plötzliche Änderung in der Wirtschaft glauben, schlagen die Experten vor, einen proaktiven Turnaround einzuleiten. Das bedeutet nicht nur, im Ernstfall auf Sparmodus zu schalten, um die Liquidität zu sichern. "Vielmehr muss die Unternehmensführung rechtzeitig ein Programm zur kontinuierlichen Optimierung der operativen und strategischen Leistungsparameter aufsetzen", sagt Michael Dorn, Leiter des deutschen Restrukturierungsgeschäfts von Alix Partners.

Jedoch ist dies selten der Fall. Rund "zwei Drittel der deutschen Unternehmen haben einen Restrukturierungsbedarf erst bei bereits eingetretener Ergebnis- bzw. Liquiditätskrise erkannt". Das erklären die Springer-Autoren Daniel Graewe und Anke Gößmann im Buchkapitel "Restrukturierung und Sanierung" aus dem Buch "Wirtschaftsrecht" (Seite 974). Sie empfehlen, dass ein ganzheitliches Restrukturierungskonzept frühzeitig entwickelt werden sollte, um das "kurzfristige Überleben des Krisenunternehmens zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen". 

Laut den Springer-Autoren Christian Schawel und Dr. Fabian Billing muss Turnaround Management "zwingend erfolgen, wenn die Liquiditäts- und Ertragssituation die Existenz des Unternehmens nachhaltig bedroht und die Möglichkeiten zur Aufnahme von Fremdkapital weitestgehend ausgeschöpft sind sowie die Gesellschafter und das Management aber eine Fortführung der betrieblichen Tätigkeit anstreben". Das erklären sie im Buchkapitel "Turnaround Management" aus dem Buch "Top 100 Management Tools" (Seite 347).

Disruptive Gefahren lauern überall

Der Handel und die Automobilindustrie haben mit ähnlichen Problemen zu rechnen. Es sind zum einen die disruptiven Entwicklungen, die in der Zukunft ihrem eigenen Geschäftsmodell gefährlich werden können und zum anderen veränderte Präferenzen ihrer Kunden, die Herausforderungen darstellen. 

Zu den disruptiven Entwicklungen gehören digitale Veränderungen, die auch laut einer Grafik des Springer-Autoren-Teams aus dem "Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand" ganz besonders auf den Handel und die Automobilindustrie einwirken werden. 

Die Digitalisierung hat in den drei Bereichen Kundenschnittstelle B2B-B2C (Multichannel-Interaktion von mobilen Geräten, Internet, Filialen etc.), Innovationen (digitale Produkte und Geschäftsmodelle, innovative technisch-basierte Produkte und Services) und Operationsprozesse (digitale Bearbeitung, papierloses Büro, "Straight-through-Bearbeitung", Automatisierung) signifikante Einflüsse (Seite 365).

Auch wenn dieser Hintergrund bekannt ist, sind viele große Unternehmen in den letzten Jahren an dem disruptiven Wandel gescheitert. "Die Ursache des Scheiterns wird darin gesehen, dass das scheinbar 'gute' klassische Management von bestehenden Ressourcen, Prozessen und Werten sich für das Management disruptiver Technologien als hinderlich erweist", erklären die Autoren Angela Janke und Nicolas Burkhardt im Buchkapitel "Theoretische Grundlagen zu disruptiven Technologien, Prozessreifegradmanagement und dem Produktentwicklungsprozess" aus dem Buch "Disruptive Technologien im Mittelstand" (Seite 24).

Gerade im Handel bedeutet das, sich möglichst schnell zu öffnen und zu agieren. "Wer bei der digitalen Neuausrichtung zu vorsichtig agiert, wird auf Dauer nicht gegen Amazon & Co. aufholen können. Dafür empfiehlt es sich, die bestehende Organisation radikal zu öffnen und zu erneuern. Nur so können die Impulse aus dem digitalen Portfolio im bisherigen Kern umgesetzt werden", erklärt Gerrit Heinemann in "Offline 4.0 – Die Neuerfindung des stationären Handels" im Buch "Dienstleistungen 4.0" (Seite 535). Seine Vorschläge für einen proaktiven Turnaround im Handel sind zum Beispiel die Folgenden:

  • Web-to-Store-Services und smarte Kanalsynergien
  • Inside-out-Digitalisierung, bei der Potenziale des E-Commerce in das Stationärgeschäft eingebunden werden
  • Digitale Erlebnisorientierung (Seite 536-542)

Dieser proaktive Turnaround stellt jedoch auch die Restrukturierungsexperten vor neuen und höheren Anforderungen. "Vor dem Hintergrund zunehmend volatiler, vernetzter und komplexer Unternehmensfelder muss ein guter Restrukturierer heute beides haben: sowohl Restrukturierungs- als auch Transformationsexpertise - und das möglichst auf höchstem Level", so das Fazit von Dorn. 

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