Für deutsche Börsenunternehmen liegt ein neuer Corporate Governance Kodex vor. Nach breiter Kritik am Erstentwurf wurde die Neufassung deutlich entschärft – etwa in punkto Vergütung, Berichterstattung und Amtsdauer von Aufsichtsräten.
Über gute Unternehmensführung lässt sich trefflich streiten. Das zeigt nicht zuletzt das Hickhack um die Reform der von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex festgelegten Richtlinien: Der Entwurf der komplett überarbeiteten Verhaltensregeln für die Wirtschaft, der im November 2018 vorgestellt wurde, stieß auf massive Kritik bei Unternehmen und Beratern. In der Konsultationsphase bis Ende Januar 2019 häuften sich die Einwände, sodass die Kommission zurückruderte und im Mai eine erheblich nachgebesserte Version beschlossen wurde. Die endgültige Veröffentlichung des neuen deutschen Corporate Governance Kodex ist jedoch an das Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) gekoppelt.
Deutsche Firmen eher defensiv
Thomas M. Brunner-Kirchmair zufolge ist insbesondere in Kontinentaleuropa und Japan die Orientierung an den Stakeholdern eine der "Grundlagen der Corporate Governance". Demgegenüber herrscht in angelsächsischen Ländern eher eine Shareholder-Perspektive bei der Corporate Governance vor (Seite 64 ff). Folglich unterscheiden sich die Länder auch in ihren Corporate Governance Kodizes. So sind international zum Teil durchaus strengere Soft-Law-Ansätze verbreitet, was auch Rolf Nonnenbacher, der Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, zu Bedenken gibt:
"Die Konsultation hat gezeigt, dass der Kodex für die deutschen Unternehmen und die Investoren überaus relevant ist. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass die Diskussion über die Standards guter Corporate Governance von den Unternehmen in weiten Teilen defensiv geführt wird. Der Kodex bietet die Möglichkeit zu gestalten. Die Chance sollte stärker als bisher aktiv wahrgenommen werden, bevor andere die Standards für deutsche Unternehmen setzen.“ Rolf Nonnenmacher, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex
Heißes Eisen Vorstandsvergütung
Ein umstrittener Aspekt waren die Vorstandsvergütungen. So lautete die ursprüngliche Empfehlung, Langfristanreize sollten nur noch in Aktien gezahlt werden. Dies ist nach den Einsprüchen vom Tisch. Stattdessen heißt es nun, dass die Langfristvergütung überwiegend in Aktien der Gesellschaft angelegt oder von der Gesellschaft entsprechend aktienbasiert gewährt werden sollte. Neu im Kodex ist derweil die Ablehnung von Change-of-Control-Klauseln, die Managern, die aufgrund von Übernahmen kündigen, mitunter millionenschwere Abfindungen sichern. Ferner verzichtet die Kommission auf die bewährten Mustertabellen, da "§ 162 AktG-E nunmehr einen aussagekräftigen Vergütungsbericht vorsieht."
Auch die Unabhängigkeit der Anteilseignervertreter war bei der Kodex-Reform ein Thema. So hat die Kommission einen Indikatorenkatalog aufgenommen, der dazu dienen soll, eine womöglich fehlende Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstand und der Firma besser zu erkennen. Darüber hinaus wird eine Beschränkung von Aufsichtsratmandaten je nach anderweitigen Funktionen und Posten empfohlen.
Votum für längere Aufsichtsratsmandate
Der Vorschlag, Aufsichtsräte für höchstens drei Jahre wählen zu lassen, wurde angesichts massiver Ablehnung wieder gestrichen. Es bleibt damit bei maximal fünf Jahren, wenngleich international kürzere Amtszeiten üblich sind. Bei den Vorständen wird hingegen der bereits gängigen Praxis gefolgt und die Erstbestellung für lediglich drei Jahre empfohlen (bisher fünf).
Ein weiterer wichtiger Punkt der Neufassung ist die vereinfachte Berichterstattung über Corporate Governance. Die zunächst geplante Einführung einer "apply and explain"-Vorschrift wurde zurückgezogen. Nunmehr reicht es, wenn Aufsichtsrat und Vorstand jährlich erklären, welche Kodex-Empfehlungen in ihrem Unternehmen umgesetzt werden oder warum gegebenenfalls nicht (comply or explain-Vorschrift).
Führungskräfte als Vorbilder
Vor diesem Hintergrund hat das "Compliance Management als ein Element der Corporate Governance" zentrale Bedeutung, wie etwa Peter Fissenewert und Matias Wendt betonen. Denn es zielt darauf ab, dass die vielfältigen externen Vorgaben, internen Richtlinien und freiwilligen Selbstverpflichtungen eingehalten werden.
Allerdings "stellt ein wirksames Compliance Management System besondere Anforderungen an die Unternehmenskultur bzw. an die Unternehmenswerte und berührt damit ganz unmittelbar das (Vorbild-)Verhalten der Führungskräfte eines Unternehmens ('Tone from the Top', 'Tone from the Middle')", schreiben die Springer-Autoren auf Seite 11.