Eine moderne agile und digitale Verwaltung braucht Flexibilität, Resilienz und Verantwortungsübernahme. Doch die etablierten Strukturen und Prozesse behindern die Modernisierung, so die Kritik von Expertinnen und Experten.
Die öffentliche Verwaltung in Deutschland ist strukturell in der analogen Welt verhaftet. Die funktionale Arbeitsteilung auf der Basis fest definierter Prozesse, Dienstwegen und Zuständigkeiten war in der analogen Welt hilfreich, um rechtsicher und regelbasiert zu agieren beziehungsweise zu reagieren.
Doch in der digitalen Welt, die von Unsicherheit und permanenter Veränderungen geprägt ist, sind starre Strukturen, Zuständigkeiten und Kontrollmechanismen vielfach hinderlich, denn sie verhindern Innovation, Flexibilität und Resilienz.
"Das etablierte System der deutschen Verwaltung wird den aktuellen Herausforderungen in verschiedenster Hinsicht nicht mehr gerecht", schreiben Sie die Springer-Autoren Heike Markus und Thomas Meuche im Buchkapitel "Die öffentliche Verwaltung heute und in der Zukunft" auf Seite 2.
Sie fordern: "Die Strukturen müssen die Prozesse bestmöglich unterstützen und so beschaffen sein, dass sie schnelle Anpassungen bei sich ändernden Rahmenbedingungen ermöglichen. Schließlich braucht es Führungskräfte und Beschäftigte, die die Prozesse effizient und effektiv umsetzen und bei neuen Herausforderungen zeitnah Lösungen entwickeln."
Verwaltung in Prozessketten
Noch drastischer formuliert es Marcel "Otto" Yon in seiner Titelgeschichte der Ausgabe 1-2 der innovativen Verwaltung (Seite 12): "Die Verwaltung hat sich in Prozessketten gelegt. Aus der guten Idee Arbeitsteilung ist eine Hydra entstanden, die vor lauter Köpfen die Orientierung verloren hat. Zu viele Prozessschritte, zu wenig Mehrwert. Unendlich viele Zuständige, aber keine Verantwortung."
Die Öffentlichkeit vermute die Ursache für die Trägheit der Verwaltung gerne in der Beamtenmentalität. Dabei werde jedoch das Korsett übersehen, in dem das Verwaltungshandeln steckt, schreibt Yon auf Seite 13 und stellt die provokante Frage: "Doch was wäre, wenn es weder an den Gesetzen noch an den Menschen liegt?"
Aus seiner Sicht erstickt die Verwaltung an ihren Prozessen. Zudem sei das Verständnis, wie Strukturen, Abläufe und Zusammenarbeit sinnvoll gestaltet werden können, veraltet.
Ein Weg aus der Misere sei es, "von der Zuständigkeitskultur zu Verantwortungskultur“ zu kommen. Denn Agilität werden nur erreicht, wenn Einheiten die „Verantwortung über ihre gesamte Wertschöpfungskette ausüben können, ohne Abhängigkeit von Zuständigen". Zudem müsse sich die öffentliche Verwaltung von einer "Erlaubniskultur" zu einer "Befähigungskultur" wandeln, um resilient zukunftsfähig zu werden.
Lesen Sie den ganzen Beitrag von Marcel „Otto“ Yon in der innovative Verwaltung 1-2.2023.