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25.03.2020 | Corporate Social Responsibility | Interview | Online-Artikel

"Inklusion ist oftmals eine Kostenfrage"

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Adriana Bokel Herde

ist als Chief People Officer und Senior Vice President verantwortlich für die Personalstrategie und Personalprozesse von Pega.

Unternehmen profitieren von Diversity. Aber Vielfalt in Unternehmen endet oft, wenn es um die Inklusion von Menschen mit besonderen Bedürfnissen geht. Expertin Adriana Bokel Herde spricht im Interview über Vorteile und Schwierigkeiten des Diversity Management.

In Deutschland stellen viele Unternehmen nicht die vorgeschriebene Zahl an Menschen mit Handicap ein, sondern zahlen lieber einen Ausgleich. Woran liegt das?

Es gibt viele Unternehmen, die die Beschäftigung von Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, sehr ernst nehmen und umsetzen. Nach wie vor ist es aber eine große Herausforderung, Menschen mit Beeinträchtigung werden mit sehr vielen Vorurteilen konfrontiert. So kommt es auch, dass viele Arbeitgeber lieber den vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Ausgleich zahlen als Inklusion zu leben. Unternehmen, vor allem ab einer gewissen Größe, sollten das Thema zielorientiert angehen und eine Strategie entwickeln. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Inklusion oftmals eine Kostenfrage ist. Die Dienste von Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen spezialisiert haben, sind oftmals sehr kostspielig. 

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Diversity und Diversity Management

Die zunehmend heterogene Zusammensetzung von Unternehmen ist eine Folge des demografischen Wandels und der Internationalisierung von Wirtschaftsbeziehungen. Der Umgang mit dieser Vielfalt, das Diversity Management, ist notwendig, um Nachteile und Benachteiligungen zu verhindern.

Was könnte man besser machen?

Vielleicht müsste man darüber nachdenken, dass der Staat bei der Vermittlung hilft – gerade kleinen und mittleren Unternehmen fällt es schwer, diese Kosten zu tragen. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, dass die Führungsebene des Unternehmens ein Signal setzt und die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung zur Priorität macht. Eventuell vorhandene Vorurteile sollten durch einen offenen Dialog mit den Mitarbeitern und gezielte Aufklärungsinitiativen zerstreut werden. 

Beim Thema Diversity hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher, zeigen Studien. Welche Vorteile würde mehr Diversität auch deutschen Unternehmen bieten? 

Diversity bringt Unternehmen Wettbewerbsvorteile. Innovation und Agilität fallen mir zuallererst ein. Diversity führt quasi zwangsweise zu besseren Entscheidungen: Durch das Einfließen der unterschiedlichsten Denkweisen, Perspektiven und Ideen, bedingt durch andere kulturelle und soziale Hintergründe, werden eindimensionale Entscheidungen vermieden. Diese Meinungsvielfalt steigert gleichzeitig die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Ein weiterer Vorteil ist die Etablierung eines weltoffenen Firmen-Images. Dies wirkt nicht nur gut auf internationale Kunden, sondern bedeutet auch eine Attraktivitätssteigerung bei jungen Bewerbern. Erfahren Arbeitnehmer eine hohe Wertschätzung, erhöht sich die Mitarbeiterzufriedenheit und infolge dessen die langfristige Mitarbeiterbindung.

Warum sollten Diversity und Inklusion zusammen gesteuert werden beziehungsweise in der Hand eines Verantwortlichen liegen?

Weil das eine nicht ohne das andere funktioniert – beides geht Hand in Hand. Es ist ein relativ neues Konzept für Unternehmen, umso wichtiger ist die Kommunikation mit den Mitarbeitern und deren Sensibilisierung. Allein deshalb macht es Sinn, dass eine Person beziehungsweise eine Abteilung für beides verantwortlich ist. 

Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen mehr Vielfalt bewirken?

Es fängt mit der Sensibilisierung der Mitarbeiter an, um unbewusste Vorurteile abzubauen. Ich empfehle entsprechende Trainings. Schulungen machen auch für HR-Mitarbeiter Sinn. Sie sind die ersten, die rund um den Bewerbungsprozess Entscheidungen für oder gegen Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen treffen. Im nächsten Schritt sollten Unternehmen, drei, vier Kennzahlen definieren, die man verbessern will. Das kann die Quote von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen und Religionen, verschiedenen Alters und Geschlechts, mit oder ohne Behinderung, verschiedener sexueller Identität sowie der Geschlechteranteil an sich sein. Schließlich geht es darum, das Verantwortungs- und Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zu stärken. In diesem Sinne sollten Unternehmen die Bildung entsprechender Gruppen unterstützen und ihren Mitarbeitern ermöglichen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen, etwa über Mentoring-Programme oder Stammtische. Es ist wichtig, über Diversity und Inklusion zu sprechen und zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Ohne eigenen Anstrengungen wird das nicht von selbst passieren. 

Es soll noch etwa 99,5 Jahre dauern, bis die globale Geschlechterkluft geschlossen sein wird, warnt unter anderem das World Economic Forum. Welche Maßnahmen tun Ihrer Ansicht dringend not, um dieses Kluft zu beseitigen? 

Drei Maßnahmen sind entscheidend, um die bestehende Kluft zu schließen. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter durch Schulungen sensibilisieren. Um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, braucht es dabei ganz banale Dinge – genügend Kitaplätze und eine Ganztagesbetreuung. Jedes Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern sollte zudem ein spezielles Programm für Frauen in Führungspositionen haben und geschlechterbedingte Gehaltsunterschiede eliminieren. Das wichtigste Kapital eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter und die gilt es, unabhängig von Nationalität, Geschlecht, Alter oder Beeinträchtigung zu fördern. 

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