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11.02.2021 | Diversitätsmanagement | Best Practice | Online-Artikel

Inklusion verlangt von Banken einen Perspektivwechsel

verfasst von: Sebastian Wächter

4:30 Min. Lesedauer

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Wie steht es um das Thema Inklusion in der deutschen Bankenbranche? Ein Erfahrungsbericht blickt hinter die Kulissen und zeigt Probleme, Chancen und mögliche Lösungen für Finanzdienstleister auf.

Zufälligerweise treffen wir uns in der Stadt. Gut vier Monate zuvor habe ich meine Stelle als Aktienanalyst bei einer Privatbank gekündigt, nun stehe ich dem Personalchef dieser Privatbank gegenüber. Wir haben uns "im Guten getrennt" und unterhalten uns über den aktuellen Stand meiner Selbstständigkeit und die momentanen Themen im Bankbetrieb. Gegen Ende des Gesprächs kommen noch Erinnerungen an mein damaliges Bewerbungsgespräch auf. 

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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Engagement aus wirtschaftsethischer Perspektive

Wirtschaftsethik beschäftigt sich – insbesondere als Unternehmensethik – mit der Frage der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen. Das verbindet die Wirtschaftsethik mit Engagement: Denn mittels Engagement versuchen Investierende auf Unternehmen einzuwirken, damit diese ihrer Verantwortung gerecht werden.

Da beugt sich der Personalchef zu mir und sagt: "Wissen Sie überhaupt, Herr Wächter, dass wir Sie damals trotz ihrer tollen Bewerbung um ein Haar nicht eingestellt hätten?" "Nein, warum?", erwidere ich. "Der Vorstand hatte starke Bedenken aufgrund ihrer Querschnittslähmung. Krankheit, Schwierigkeiten im Falle einer Kündigung und nötige Umbaumaßnahmen machten ihm Sorgen. Ich stellte ihm schließlich die Frage 'Würden Sie Herrn Wächter anstellen, wenn er laufend ins Vorstellungsgespräch gekommen wäre?'", berichtet mir der Personalchef.

Eine Statistik, die in dieses Bild passt, liefert das Inklusionsbarometer 2019 herausgegeben von Handelsblatt Research und Aktion Mensch. Danach besetzen 25,6 Prozent der Arbeitgeber in Deutschland trotz der gesetzlichen Vorgaben keinen einzigen Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer. Wer selbst gedanklich durch die eigene Bank geht, sollte sich hinterfragen, ob diese Zahlen bei seinem Arbeitgeber erfüllt sind.

Werden die Vorgaben jedoch nicht eingehalten, so sind Strafzahlungen in Höhe von 140 bis 360 Euro monatlich pro nicht besetzten Arbeitsplatz fällig. Nun lässt sich trefflich streiten, ob diese gesetzlichen Vorgaben Sinn machen und ob sie ihren Zweck erfüllen. Die Zahlen jedenfalls belegen, dass 60,4 Prozent der Arbeitgeber offenbar die Strafzahlungen in Kauf nehmen. Doch welche anderen Möglichkeiten gibt es, gerade in der noch recht konservativ anmutenden Bankenbranche die Thematik der Inklusion und vor allem die sich daraus ergebenden Vorteile voranzubringen?

Es geht um Haltung

In meinem speziellen Fall war es so, dass ich der erste Mitarbeiter mit einer Körperbehinderung in der Privatbank war. Wenn Erfahrungswerte fehlen, tendieren wir Menschen dazu, auf Vorurteile zurückzugreifen. Getreu dem Motto: Verurteilen ist einfacher als beurteilen. Welche Vorurteile gibt es beispielsweise zu Rollstuhlfahrern? Diese Vorurteile führen jedoch häufig zu einer sehr einseitigen Gesprächsführung. In diesem Fall ist der Betroffene meist damit beschäftigt, die Vorurteile zu entkräften beziehungsweise Einwandbehandlung zu betreiben. 

Deshalb ist Inklusion vor allem eines: Eine Haltung! Geht man offen und interessiert ins Gespräch, entsteht eine andere Dynamik als bei einem engstirnigen Agieren. Erst dann werden auch offen Bedürfnisse seitens des Betroffenen geäußert, damit der Arbeitsalltag auch gelingen und der Mitarbeiter sein volles Potenzial abrufen kann.

Team-Chemie einmal ganz anders:

"Sebastian, tatsächlich habe ich bisher keinerlei Erfahrungen mit Rollstuhlfahrern. Kannst Du mir bitte sagen, was Du brauchst und wie ich Dir eventuell helfen kann?" Diese offene und aufrichtige Aussage kam von einem meiner neuen Kollegen im Portfoliomanagement und hat mich positiv überrascht. Gleichzeitig fragte ich mich selbst: "Wie häufig wird wohl solch eine Frage einen Teamkollegen ohne Handicap gestellt?" 

Es ist genau dieser Perspektivwechsel, der eine gute Zusammenarbeit fördert und der leider selten geschieht. Denn häufig schließen wir von uns auf andere, mit den entsprechenden Folgen, wie Missverständnis, Unmut und Konflikte. Genau hier kann Inklusion ein entscheidender Bestandteil sein, um den Perspektivwechsel zu fördern. Schließlich fällt es schwerer von sich auf den Gegenüber zu schließen, wenn sich dieser in einer ganz anderen Lebenssituation, wie etwa dem Rollstuhl, befindet. Je länger ich in der tätig war, desto leichter fiel dieser Perspektivenwechsel meinen Teammitgliedern:

  • Ist der Drucker für Sebastian erreichbar?
  • Wie kommt Sebastian zum Kundentermin?
  • Ist das Restaurant für das gemeinsame Mittagsessen barrierefrei?

In der Folge geschieht dann jedoch etwas Spannendes. Denn dieses Verhalten wird immer natürlicher und geschieht nicht nur in Verbindung mit meinen Handicap, sondern auch bei den Kollegen untereinander. Die Frage "Was brauchst Du und wie kann ich Dir eventuell helfen?" wird häufiger gestellt. Dadurch verbessert sich das Arbeitsklima im gesamten und die Leistungsbereitschaft steigt. Dies zeigt, welche Möglichkeiten Diversity und Inklusion bieten.

Inklusion ist keine Einbahnstraße

Sicherlich liegt ein Schwerpunkt der Lösung auf der Seite des Arbeitgebers, insbesondere welche Voraussetzungen dieser erfüllen muss. Jedoch ist Inklusion eben keine Einbahnstraße und ein großer Teil des Erfolgs bei einer Anstellung eines Mitarbeiters mit Handicap, hängt auch vom Mitarbeiter selbst ab. Allen voran steht natürlich die Offenheit und Klarheit bezüglich das, was man zu leisten im Stande ist, wo Schwierigkeiten entstehen können und in welchen Bereichen Hilfe benötigt wird. Letztlich handelt es sich auch hier wiederum um eine Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu deren Erfolg beide Parteien beitragen. Eine Anspruchshaltung aufgrund eines Handicaps ist hier die falsche Herangehensweise.

Letztlich war die Frage des eingangs beschriebenen Personalchefs entscheidend, um ein Umdenken beim Vorstand zu bewirken. Statt einer Bewahrheitung der Vorurteile war die Zusammenarbeit über vier Jahre hinweg durchaus erfolgreich, für beide Seiten. Das wiederum soll nicht heißen, dass dies bei jeder Anstellung von Mitarbeitern mit Handicap der Fall ist. Jedoch gilt dies aber eben auch für Mitarbeiter ohne Handicap. Schließlich hat man es mit Menschen zu tun, was eben unabhängig von Diversity und Inklusion gilt. Deshalb geht es um eine offene Haltung fernab von Vorurteilen gegenüber jeden einzelnen Menschen, um einer inklusiven Gesellschaft näher zu kommen mit all ihren Vorteilen.

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