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25.08.2021 | Führungsqualität | Schwerpunkt | Online-Artikel

Corona-Jahr bringt deutsche Eliten ins Stolpern

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Das ist bitter: Im internationalen Ranking "Elite Quality Index 2021" fallen die Leistungsträger der deutschen Wirtschaft und Politik auf Platz 15 zurück, nach Platz drei im Vorjahr. Wie konnte die hiesige Elite derart abstürzen?
Wirtschaftselite © takasu / stock.adobe.com

Nur auf den eigenen Vorteil bedacht, abgehoben, selbstverliebt, machtversessen –  die Kritik an Eliten ist vielfältig und kommt aus ganz unterschiedlichen Ecken. Donald Trump, selbst Angehöriger der Wirtschaftselite, keilt(e) etwa gegen die politische Elite der USA und musste sich als Präsident wiederholt den Vorwurf gefallen lassen, eigene wirtschaftliche Interessen über die des Staates zu stellen.

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Exklusive Zirkel, die gern unter sich bleiben

Schlecht kommt in demokratischen Teilhabe-Gesellschaften auch das oftmals ausschließende Verhalten von Eliten gegenüber anderen Gruppen an. Zudem haben Eliten nicht selten ein überhöhtes Selbstbild von sich als Leistungsträger, das mit wenig Verständnis für weniger privilegierte Menschen einhergeht.

Nichtsdestotrotz wird gerade in Umbruchzeiten viel von den Eliten erwartet, da sie in ihren Schlüsselpositionen maßgeblich in Entscheidungsprozesse von Staat, Politik, Gesellschaft und Kultur eingreifen. Umso vernichtender fällt das Urteil aus, wenn die Spitzenkräfte versagen.

Niederlande hat die besten Eliten der EU

Neuen Zündstoff liefert nun der im Mai von Forschern der Hochschule St. Gallen vorgestellte "Elite Quality Index 2021" (EQx2021), der misst, wie Eliten weltweit zur Entwicklung der Gesellschaft ihres Landes beitragen: Nachdem Deutschland im EQx2020 noch das Top-EU-Land war, wurde es in diesem Jahr vom Shootingstar Niederlande und den skandinavischen Ländern verdrängt. In der Studie wurden die Eliten in 151 Ländern anhand von 107 Indikatoren analysiert.

Teilweise lässt sich der Absturz der deutschen Eliten in dem Ranking auf das veränderte Studiendesign (mehr Länder und Indikatoren) zurückführen. Ein weiterer Grund dürfte aber das holprige Pandemiemanagement, etwa mit vergleichsweise vielen verlorenen Schultagen und einer nicht unerheblichen Covid-19-Sterberate sein. Außerdem habe Deutschland in der Corona-Krise zwar mit enormem finanziellen Aufwand Firmen gestützt, doch sei dieses Engagement von diversen starken Lobbys vereinnahmt worden.

Deutsche Eliten nutzen Chancen nicht

Derweil attestiert die Studie Deutschland exzellente Rahmenbedingungen für die Forschung und vielversprechende Ideen. Aber habe man jahrzehntelang versäumt, neue Elite-Kohorten hervorzubringen. Dies belege etwa der vergleichsweise geringe Anteil an Selfmade-Milliardären. Indessen werde das Verhältnis zu den Eliten dadurch belastet, dass die Kosten von Innovationen oftmals von der Allgemeinheit getragen würden, die Erträge jedoch in private Taschen flössen. Und auch die Digitalisierung im Kontext politischer Entscheidungen sei verbesserungswürdig. So landet Deutschland im Teilbereich "E-Partizipationsindex" nur auf Rang 54.

Es punkten Internationalität, Digitalisierung und Impfmanagement

Auf Platz eins der Gesamtwertung liegt wie schon im Vorjahresranking Singapur. Die Wirtschaftseliten des Stadtstaates sind demnach die größten Wertschöpfer unter allen Staaten, obgleich die wirtschaftlichen und politischen Eliten ein bedenkliches Maß an Macht auf sich vereinen. Die Schweiz landet erneut auf Platz zwei, nicht zuletzt dank ihrer starken internationalen Ausrichtung. Es folgt Großbritannien, das sich um einen Platz nach oben auf den dritten Rang verbessern konnte, auch dank des erfolgreichen Impfprogramms.

Den Studienautoren zufolge verfügen Großbritannien und die USA über Eliten-Systeme, die von Wertschöpfung getrieben werden und in der Lage sind, gesellschaftliche Spaltungen etwa durch den Brexit oder die Wählerpolarisierung in den USA zu bewältigen. Besorgniserregend sei jedoch, dass es den angelsächsischen Eliten zunehmend gelinge, sich in unerlaubtem Ausmaß zu bereichern.

Wenn den Nicht-Eliten der Kragen platzt

Die Autoren des EQx2021 warnen auch vor sozialen Risiken. In Ländern, in denen der wirtschaftliche Kuchen nach Covid insgesamt schrumpft, die Eliten jedoch dafür sorgen, dass ihr Stückchen weiter wächst, könnten sie den Zorn der Nicht-Eliten zu spüren bekommen.

Enormen Zorn der Verbraucher zogen in den letzten Jahren beispielsweise bereits Autokonzerne wegen ihres fragwürdigen Managementverhaltens rund um den Dieselskandal auf sich. Während dies oft als Ethik- und Compliance-Versagen der Führungselite angeprangert wurde, fragt René Schmidpeter in dem Buchkapitel "Digitalisierung – die schöpferische Kraft der Zerstörung mit Verantwortung managen", ob es sich hierbei nicht eher um ein systematisches Managementproblem der Führungselite handelte? (Seite 65) Dann ginge es nämlich darum, "Management neu zu denken und Verantwortungsübernahme als Bestandteil einer guten und damit für alle Beteiligten vorteilhaften Unternehmensführung neu zu definieren", schreibt er auf Seite 66.

Ein neues Managementparadigma muss her

Jahrelang galt das Management-Mantra von Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung. Das Schaffen von gesellschaftlichem Mehrwert und die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse sind dabei offenbar in den Hintergrund gerückt. Springer-Autor Schmidpeter fordert daher ein neues Managementparadigma, das sowohl die menschlichen Bedürfnisse als auch die Eigenverantwortung konsequent in alle Strukturen, Prozesse und somit in die Unternehmensentscheidungen (re)integriert. Es gehe darum, permanent sowohl unternehmerischen als auch gesellschaftlichen Mehrwert zu produzieren und Moral und Gewinn nicht gegeneinander auszuspielen.

Die systemische Funktion von CSR ist somit nicht – wie fälschlicherweise oft angenommen – Unternehmen einzuschränken, sondern ganz im Gegenteil, Unternehmen neue ‘bessere‘ Optionen erst zu ermöglichen.“ René Schmidpeter, in: CSR und Digitalisierung, Hrsg. A. Hildebrandt, W. Landhäußer, Springer Verlag, 2021, Seite 68

Durch den globalen Wettbewerb und die internationalen Herausforderungen entstünden immer mehr Ideen und Geschäftsmodelle, die Mehrwert für Gesellschaft und Unternehmen schaffen. Dies zeige sich etwa durch die wachsende Anzahl an Firmen in den Bereichen Share Economy, Inclusive Business, Social Innovation oder auch Sustainable Entrepreneurship. Ein breites Feld also, das auch in Deutschland den Eliten-Nachwuchs hervorbringen kann.

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