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15.03.2021 | Venture Capital | Schwerpunkt | Online-Artikel

Europäischen Einhörnern fehlt nationales Wagniskapital

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Unicorns, also Start-ups ab einer Marktbewertung von einer Milliarde US-Dollar, kommen immer häufiger aus dem DACH-Raum und stärken den europäischen Wirtschaftsstandort, so ein Report. Doch heimisches Kapital für späte Entwicklungsphasen der Tech-Pioniere ist rar.

Europäische Start-ups haben grundsätzlich die gleichen Chancen, zu einem sogenannten Unicorn aufzusteigen, wie Gründungen aus den USA. Das zeigen aktuelle Daten, die das Deutsche Börse Venture Network in einem Report veröffentlicht hat. Wie die Analyse, die in Zusammenarbeit mit dem Datendienstleister Dealroom entstand, zeigt, sind die Jungunternehmen im DACH-Raum aber im Hinblick auf ihr Wachstum weiterhin von internationalen Investoren abhängig.

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Innovative Unternehmensgründungen erneuern die Wirtschaft. Aber vielen Gründern mangelt es an Kapital, an unternehmerischem Knowhow und an Erfahrung. Das Risiko ist gross, nicht alle Start-ups haben das gleiche Potenzial, und nicht jede Gründung lohnt für die Gesellschaft. Um die neuen Start-ups mit den besten Aussichten herauszufiltern und auf Erfolg zu trimmen, braucht es leistungsfähige Wagniskapitalgeber.

Obwohl Venture Capital (VC) Funds in Deutschland, Österreich und der Schweiz rekordverdächtige Summen einsammeln, übersteigt die Kapitalnachfrage laut Analyse weiterhin das Angebot. So nehme mit jeder Finanzierungsphase der Anteil inländischer Investoren weiter ab. Sind in den Early Stages, also den frühen Phasen, noch rund 67 Prozent inländische Wagniskapitalgeber beteiligt, schnurrt ihr Anteil bei den folgenden Finanzierungsrunden auf etwa zwölf Prozent zusammen. Dann suchen Gründer auch außerhalb der europäischen Grenzen nach Kapital.

Mehr Kapital in Deutschland mobilisieren

"Wir müssen es schaffen, weiteres Kapital in Deutschland zu mobilisieren, um die Finanzierungslücke in der Spätphase bis hin zu einem möglichen Börsengang zu schließen", sagt Peter Fricke, Leiter des Deutsche Börse Venture Networks. "Das ist ein erster wichtiger Schritt, damit Wachstumsunternehmen die Chancen des heimischen Kapitalmarkts besser nutzen können."

Im Buchkapitel "Wie innovative Start-ups zu Kapital kommen" hat Roberta Maria Koch die oft schwierige Lage von Gründern und Geldgebern analysiert. Die Springer-Autorin schreibt auf Seite 60:

Die Finanzierung eines jungen Unternehmens ist mit erheblichen Risiken verbunden. Denn nicht alle Start-ups können am Markt bestehen. Der Wert eines Start-ups beruht oftmals auf einer innovativen Idee und anderen immateriellen Vermögenswerten, welche im Vorfeld schwer einzuschätzen und im Nachhinein manchmal kaum zu verwerten sind. Daher ist es für die meisten Gründer schwierig, externe Finanzierung zu erhalten."

Lage von Tech-Start-ups hat sich deutlich verbessert

Allerdings, so zeigt der Report, hat sich das Tech-Ökosystem im DACH-Raum in den vergangenen fünf Jahren stark entwickelt. Dort wird der Gesamtwert zum Jahresende 2020 mit rund 264 Milliarden Euro angegeben. Im Jahr 2015 waren es nur 62 Milliarden Euro. Auch das Verhältnis von privaten zu gelisteten Unternehmen habe sich deutlich verändert. Während der Anteil börsennotierter Tech-Unternehmen 2015 noch bei 27,5 Prozent lag, sind es 2020 bereits 47 Prozent. 

Gemessen am Unternehmenswert ist damit heute knapp die Hälfte der Start-ups, die seit 2000 gegründet wurden, an der Börse gelistet. Mit insgesamt 38 Milliarden Euro lagen außerdem die europäischen VC-Investitionen im Jahr 2020 fast auf dem Rekordniveau des Vorjahres (38,3 Milliarden Euro). Seit 2016 flossen rund zwölf Milliarden Euro VC-Kapital allein nach Berlin – der Top-Standort für junge, deutsche Tech-Unternehmen. Davor liegt nur die britische Hauptstadt London mit rund 33 Milliarden Euro.

Erfahrene VC-Gesellschaften eröffnen Tech-Pionieren Chancen

Die Wahrscheinlichkeit, als Start-up aus der DACH-Region zum Unicorn aufzusteigen, schätzen die Studienautoren als ebenso hoch ein wie in den USA. Das gehe aus der Analyse hervor, bei der sich vergleichbare Konversionsraten ergaben (EU: 1,2 Prozent, DACH: 1,2 Prozent und USA: 1,1 Prozent). Aktuell zählt der Report 20 private Start-ups mit Unicorn-Status. Weitere 93 Tech-Gründungen hätten das Potential, zum Unicorn zu werden. "Hinter den aufstrebenden Tech-Stars stehen oftmals erfahrenere Venture-Capital-Firmen, die den Weg zu größeren öffentlichen Finanzierungsmärkten eröffnen können", so die Experten von Deutsche Börse Venture Network.

Auch für Springer-Autorin Roberta Maria Koch ist neben Patenten das Engagement eines Wagniskapitalgebers als glaubwürdiges Signal für die Qualität und ein vergleichsweise niedrigeres Risiko des Start-ups eine wichtige Voraussetzung, die den Zugang zu weiterem Fremdkapital verbessert. "Denn Wagniskapitalgeber sind in der Lage, die Erfolgsaussichten von Jungunternehmen gut einzuschätzen, und nehmen auch Einfluss auf deren Investitionen und Geschäftspolitik, um die Erfolgschancen weiter zu steigern", schreibt die Expertin.

Mit Blick auf die späten Entwicklungsphasen haben die Studienautoren die klassischen Exit-Kanäle für VC-finanzierte Start-ups, also IPOs und M&A-Transaktionen, näher angesehen. Gemessen an der Marktkapitalisierung seien europäische Börsen die bevorzugten Orte für Tech-Listings europäischer Unternehmen:

  • Euronext Amsterdam: 251 Milliarden Euro
  • Deutsche Börse: 239 Milliarden Euro
  • Nasdaq: 67 Milliarden Euro
  • und New York Stock Exchange (NYSE) 49 Milliarden Euro.

Zusätzlich zeige sich, dass europäische Start-ups im Rahmen von M&A-Transaktionen am ehesten von europäischen Käufern übernommen werden – im vergangenen Jahr lag der Anteil bei 69 Prozent (2015: 74 Prozent).

Wagniskapitalgeber investieren auch längerfristig

Dass Tech-Investoren mittlerweile bereit sind, auch längere Investitionsfristen für Gewinne in Kauf zu nehmen, sei ein Resultat besonders erfolgreicher Start-ups wie Zalando, Delivery Hero oder Hello Fresh. "Dabei ist ein IPO nicht nur etwas für Unicorns: Im vergangenen Jahr übertraf der Scale-30-Auswahlindex, in dem vor allem Wachstumsfirmen notieren, den DAX deutlich", erläutert Peter Fricke. Treiber des Trends seien vor allem Tech-Titel. 

"Um für vielversprechende Start-ups im eigenen Land attraktiv zu sein, muss sich der europäische Risikokapitalmarkt und dessen Rahmenbedingungen noch stärker auf die Bedürfnisse junger Wachstumsunternehmen einstellen", meint der Kapitalmarktexperte. Nur so könne Europa eigene Tech-Champions hervorbringen, die auch hier an die Börse gehen und die Zukunftsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsstandorts sichern.

"Wagniskapital hilft gleich zweimal. Die Wagniskapitalisten geben selber Beteiligungskapital. Sie geben auch anderen Kapitalgebern das notwendige Vertrauen, damit diese weitere Finanzierung bereitstellen. Deshalb ist ein aktiver Markt für Wagniskapital in einer innovativen Wirtschaft so wichtig", bringt es Roberta Maria Koch auf den Punkt.

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